Wüstentour - Namibia mit Muskelkraft auf zwei Rädern
Von Sand und Meer
In Keetmanshoop hatte ich zuletzt von mir hören bzw. lesen lassen. Dazwischen liegen einige hundert Kilometer Schotter und auch Asphalt und inzwischen sitze ich in Lüderitz auf dem Campingplatz direkt am Atlantik. Aber der Reihe nach. Zu Keetmanshoop sind noch zwei Dinge zu erwähnen: Wenn es einen von euch einmal dorthin verschlagen sollte, folgt den Schildern zum Gesserts Guesthouse. Nicht nur das man dort unglaublich nett aufgenommen und umsorgt wird und ein sehr schönes Zimmer bekommt, das Frühstück ist eine Sensation - und wenn ich als dauerhungriger Radfahrer das sage...
Dazu passend der Tipp der Inhaberin auf die Frage nach einem Restaurant. Die Wahl fällt auf das "Schützenhaus" - ein Vereinsheim und Lokal, als wäre dort die Zeit vor mindestens 50 Jahren stehen geblieben. Unter anderem mit deutschen Kriegskarten aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts an den Wänden. Auch hier ein hervorragendes Essen mit Portionen zum Sattwerden (deutsche Speisekarte). Der Bring- und Holservice der Gastgeberin war auch noch inklusive!
Von Keetmanshoop geht es weiter Richtung Süden zum Fishriver-Canyon und zum Oranje River, dem Grenzfluss zu Südafrika. Kurz nach Verlassen der Stadt komme ich an einem riesigen Fabrikarreal vorbei. Ein Schild an der Straße weist es als Straußenzucht aus. Erinnerungen an Iran werden wach und bei der Größe des Unternehmens befürchte ich einen Sechserpack Eier und fahre schnell vorbei, was auch gut so ist, denn wie ich später erfahre, handelt es sich nicht mehr um eine Straußenfarm sondern nur noch um einen ganz normalen Schlachthof. Vorbei am wenig beeindruckenden Naute-Damm, der Keetmanshoop mit Wasser versorgt, komme ich auf eine sehr lange und einsame Strecke in Richtung Fishriver. Was mir bisher nicht passiert ist, kommt hier immer wieder vor, nämlich dass vorbeifahrende Fahrzeuge anhalten und die Insassen fragen, ob alles in Ordnung ist und ich auch genug Wasser dabei habe. Alles gut und ich komme bei gutem Wind und guter Schotterpiste schnell voran, sodass ich wider Erwarten nach 140km im Roadhouse ankomme und dort auf dem riesigen Campingplatz mit nur 11 Stellplätzen den allerletzten für mich bekomme.
Am nächsten Morgen stehen die letzten Kilometer zum zweitgrößten Canyon der Welt (nach dem Grand Canyon) auf dem Programm. Inzwischen sind die Zäune links und rechts der Straße verschwunden und es kommt immer wieder einmal zu Begegnungen mit Wildtieren. Meistens Springböcke. Aber auch an die zahlreichen Oryx-Antilopen habe ich mich inzwischen gewöhnt und daran, dass sie sofort weglaufen, wenn sie mich sehen. Nur diese nicht!
Dreizehn Kilometer Sackgasse zum Fishriver Canyon. Nach drei Kilometern kommt der Eingang zum Nationalpark. Registrierung, Eintritt, Ermahnung, nicht in den Canyon hinabzusteigen - und mein Gepäck im Büro lassen. Muss ja nicht sein, den ganzen Ballast 20km hin und her zu fahren.
Ist schon ziemlich beeindruckend, dieser Graben. Nur der Fluss sieht so aus wie aneinander gereihte Pfützen
Okay, mit dem Fahrrad ist hier jetzt Ende. Für die 80km zu Fuß im Canyon bis Ai-Ais werden 4 - 5 Tage Wanderung veranschlagt - oder wie an diesem Wochenende als Ultramarathon in neuer Rekordzeit von weniger als 6 Stunden!
Den Abstecher nach Ai-Ais hätte ich mir auch gern sparen können. Ein riesiger Campingplatz, Lodges mit allem Drum und Dran. Und dazu noch an diesem Wochenende der Extremmarathon. Da lockt auch nicht die heiße Quelle zu einem Bad. Nur noch Essen und dann ab in den Schlafsack, wobei ich die Ruhe des Straßenrandes auf diesem Rummelplatz vermisse. Die Ruhe kommt aber auf den folgenden Etappen in Richtung Oranje River. Das erste Mal auf dieser Tour so richtig in der Wüste!
Ich steuere so langsam dem südlichsten Punkt meiner Reise entgegen, dem Oranje River, dem ich ca. 80km Richtung Mündung folgen werde, um dann wieder nordwärts zu fahren. Durch die Berge geht es von dem Hochplateau kommend zügig abwärts und dann ist da mitten in der trockenen Landschaft der einzige Fluss weit und breit, der ganzjährig Wasser führt. Auf der anderen Seite liegt Südafrika.
Fast auf Meeresniveau angekommen, heißt es jetzt erst einmal wieder Höhe gewinnen. Die 400 Höhenmeter in das Bergwerksdorf Rosh Pinah sind erst der Anfang. Nach einer Nacht in einer Pension, wo ich mich und meine Sachen erst einmal wieder auf Vordermann gebracht und meine Vorräte ergänzt habe, folgen 166km und ca. 1000 Höhenmeter nach Aus - mit so gar nichts dazwischen. Immerhin auf gutem Asphalt. Das ist bei Gegenwind an einem Tag nicht zu schaffen und so bleibt wieder einmal nur der Straßenrand als Campingplatz
Ich bewege mich jetzt am Rande der Namib-Wüste. Aus ist da der letzte Ort, bevor ich nach links abbiege und durch die Wüste zum Atlantik fahre. In dem kleinen Kaff komme ich um die Mittagszeit an und bin erst einmal erschlagen von den vielen Touristen, die sich hier zusammenfinden. Viele Paare, die mit Geländewagen auf eigene Faust reisen, aber auch ein ganzer Reisebus Ü75 - und alle treffen sich im Bahnhofshotel Aus!
Der Diamant zeigt es. Ab hier kommt man ins Diamantensperrgebiet und darf die Straße nicht verlassen
Und was gibt es hier leckeres Landestypisches bei gut 25 Grad im Schatten? Da nehme ich doch lieber die traditionelle namibische Pizza
123km Wüste liegen vor mir und es ist 14.00 Uhr. Zu früh, um den Tag zu beenden, zu spät, um es noch bis nach Lüderitz zu schaffen. Es wird also wieder eine Nacht in der Wüste werden. Mit genug Wasser auf dem Rad kein Problem -außerdem starte ich jetzt in einer Höhe von 1500m und werde auf Meeresniveau ankommen. Problem: Es ist einer Sackgasse und ich muss denselben Weg auch wieder zurück - der Tag die Sorge.
Nach gut 20km begegnen mir die berühmten Namib-Wildpferde, die hier irgendwann einmal frei gelassen wurden und sich den extremen Bedingungen angepasst haben
Parallel zur Straße führt eine Eisenbahnstrecke nach Lüderitz - nur dieser Bahnhof im Nichts wird schon lange nicht mehr gebraucht
Nach der Hälfte der Strecke geht die Sonne unter und ich suche mir ein Nachtlager - keine Chance, hier irgendwo eine Stelle mit Sichtschutz zu finden. Hier gibt es nichts. Also trage ich alle Sachen über den Bahndamm und schlage mein Zelt so auf, dass es zumindest von der Straße nicht auf den ersten Blick zu sehen ist.
Heute bin ich nun endgültig in der Sandwüste der Namib angekommen. Zahlreiche Schilder warnen vor Sand und Wind...
Es fährt ein Zug nach nirgendwo... Und ich hatte noch Bedenken wegen des Zugverkehrs, als ich mein Nachtlager am Bahndamm aufschlug
Erstaunlich, was hier so im Sand gedeiht - scheint aber nicht zu schmecken, sonst wäre sie schon lange weg
Hier an dieser Bahnstrecke fand ein deutscher Bahnbediensteter die ersten Diamanten in der Namib und löste damit einen Rausch aus. 10km von der Küste entfernt entstand die kleine, aber sehr reiche Ortschaft Kolmanskuppe, den man heute als Geisterstadt besichtigen kann.
Enspannt nach einer kurzen Tagesetappe erreiche ich Lüderitz und quartiere mich hier auf dem Campingplatz am Ende einer kleinen Halbinsel am Hafen ein. Ein kleines Stück Rasen bietet dabei einen ungewohnten Komfort. Vor 14 Tagen bin ich in Windhoek aufgebrochen und bin seitdem jeden Tag durchschnittlich 100km gefahren, ohne einen einzigen Ruhetag. Den werde ich hier jetzt einlegen und die Beine ein bisschen baumeln lassen. Der Rückweg nach Aus wird schwer genug - und dann geht es weiter am Rand der Namib nach Norden.
Aufbruch: | 06.06.2016 |
Dauer: | 6 Wochen |
Heimkehr: | 18.07.2016 |