Reisebericht nach Kabul Afghanistan November 2005
Erlebnis der besonderen Art: Gastfreundschaft
:: Freitag, 4. November 2005
Nach einer ruhigen Nacht im deutschen Hof haben wir zusammen bei Brot mit pakistanisch parfümierter Marmelade gefrühstückt. Die Nacht war recht kalt, die Temperatur lag wohl nahe an null Grad. Doch nun schien schon wieder die Sonne und es wurde langsam wärmer. Beim Frühstück sprachen wir den Tagesablauf durch. Auf dem Programm standen ca. zehn Besuche bei ehemaligen Kindern und deren Familien.
Gästehaus (Hotel) "Deutscher Hof Kabul"
Vor der Fahrt checkten wir noch die Lage vor den Toren
des Gästehauses. Dort warteten bereits etliche Familien mit ihren Kindern, die uns treffen wollten. Unsere Hoffnung, die Eltern von Fatima würden auch dort sein, zerschlugen sich. Nachdem wir die Familien einzeln eingelassen und mit ihnen gesprochen hatten, ging die erste Fahrt an diesem Tag wieder quer durch Kabul in ein armes Wohngebiet, bei dem alle Häuser nur aus Lehm gefertigt waren.
wartende Familien vor unserem Hotel
Die Häuser waren übersäht mit Einschusslöchern. Die Straße und die ganze Umgebung bestand aus getrocknetem Lehm und Felsen. Die Kinder, die in diesem Viertel im Dreck spielten, hatten größtenteils nur Badeschlappen an, einige liefen auch barfuss. Die Kleidung der Kinder war sehr alt und abgetragen.
von Armut gezeichnetes Kind aus Kabul
Wir wurden von der Familie bereits erwartet. Die Tochter dieser Familie befindet sich zurzeit in Deutschland zur Behandlung und die Angehörigen freuten sich sehr, Neuigkeiten über ihre Tochter zu erfahren, die nach einem Gasunfall schwerste Verbrennungen erlitten hatte und mittlerweile bereits sechs mal in einer Nürnberger Spezialklinik operiert worden ist.
Straßenszene
Die Familie bzw. der Vater war sehr glücklich von seiner Tochter zu hören, dass Ihr in Deutschland eine gute Behandlung widerfährt und Sie "brav" ist. Interessanterweise kam es bei unseren Besuchen sehr oft vor, dass uns weitere kranke Kinder der Familie und aus der Nachbarschaft vorgestellt wurden, die alle medizinische Hilfe benötigen und diese in Afghanistan nicht erhalten können. So auch in dieser Familie. Dort wurde uns ein 15-jähriger Junge vorgestellt, der einen schweren Herzfehler hat. So bekommt der Junge sehr schlecht Luft, sobald er sich anstrengt. Alle diese Fälle wurden von uns in Patientenakten dokumentiert, entsprechende Fotos von Alex erstellt und eine Kontaktadresse notiert, bei dem wir uns melden würden, wenn wir Hilfe anbieten können. Für uns war es erschreckend zu sehen, wie viele kranke Kinder es überall in Kabul (und in ganz Afghanistan) gibt. Am liebsten würden wir allen helfen, die Möglichkeiten dazu sind jedoch leider sehr begrenzt.
So fuhren wir von Familie zu Familie. In vielen Strßen ist in der Mitte ein Kanal bzw. eine Rinne eingearbeitet, wodurch die Fäkalien der Häuser abgeleitet werden. Der Geruch bei diesen Fäkalienrinnen war teilweise sehr unangenehm.
Straße mit Abwasserrinne
Auf den Straßen vor den Lehmhütten befindet sich der "Spielplatz" der Kinder. Oft basteln die Kinder Drachen und lassen diese steigen. Mit einem Blick in den Himmel kann man an vielen Stellen über der Stadt diese Drachen sehen, die kunstvoll, durch geschicktes Ziehen an den Leinen, in der Luft gehalten werden. Leider wird der Blick auf die farbenfrohen Drachen von dem unendlichen Staub in der Luft getrübt.
Ein Junge läßt seinen selbstgebauten Drachen steigen
Wir machten auch einige Kurzbesuche. Diese fanden meist am Rande der Strassen statt. Durch unsere Ankunft wurden sehr viele Kinder und auch Erwachsene angelockt. So bildete sich immer in kurzer Zeit eine große Menschentraube um uns herum. Nach ein paar Minuten mussten wir uns immer schnell in die Autos flüchten und die Flucht ergreifen.
bei unseren Stopps erregen wir immer Aufsehen
So fuhren wir von Familie zu Familie. Überall reichte man uns leckeres Essen und Obst. Hungern müßten wir beim besten Willen nicht.
Zwischen den Besuchen fragte Fatima uns immer wieder, wann denn ihre Eltern kommen würden. Leider konnten wir ihr auf diese Frage keine befriedigende Antwort geben. Einen kleinen Vorteil sahen wir bei den Besuchen der Familien zusammen mit Fatima jedoch. Wir versuchten, bei jeder Familie, Fatima wieder ein wenig an ihre Muttersprache zu gewöhnen, was ihr allerdings sehr schwer fiel. Der Abschluss unseres Besuchsmarathons war bei einer Familie, bei der alle Familienangehörigen, sowohl Jungen und Mädchen und neben dem Vater auch die Mutter anwesend waren. Dieses Treffen bei Gaslampenlicht war sehr schön. Diese Gaslaternen sind leider jedoch auch oft ein Grund für die schweren Verbrennungen der Kinder, da entweder die Flaschen aufgrund der schlechten Qualität explodieren oder die Kleidung Feuer fängt.
ein seltener Anblick... auch Mädchen sind bei unserem Besuch anwesend.
Auf dem Weg zurück in unser Hotel spitzte sich die Spannung bei Falk und Fatima wieder zu. Sollte die Familie nun in Kabul angekommen sein, um ihre Tochter wieder in Empfang nehmen zu können? Nach Ankunft am Deutschen Hof stellte sich hierüber wieder Ernüchterung ein. Es waren im Lauf des Tages sehr viele Familien mit ihren Kindern zum Hotel gekommen, nicht jedoch die Familie von Fatima. Mittlerweile hatten wir mit Hilfe unseres Mitarbeiters eine Satelliten-Telefonnummer eines Mannes aus dem Dorf der Familie in Shebar, einem kleinen Bergdorf mitten im Hindukush-Gebirge auf ca. 3400 Höhenmetern, herausgefunden. Falk bat bei einem Telefonat mit seiner Frau in Deutschland darum, dass sie sich mit diesem Mann in Verbindung setzen solle, um der Familie die Nachricht von der Rückkehr ihrer Tochter und der damit verbundenen Bitte, sie abzuholen, zukommen zu lassen.
Aufbruch: | 02.11.2005 |
Dauer: | 8 Tage |
Heimkehr: | 09.11.2005 |