Reisebericht nach Kabul Afghanistan November 2005

Reisezeit: November 2005  |  von Andreas Timmler

Eindrücke der Zerstörung

:: Samstag, 5. November 2005

Die vergangene Nacht war wieder sehr kalt. Zum Glück hatten wir in unseren Zimmern Heizstrahler, mit denen wir morgens die Zimmertemperatur auf ein erträgliches Maß heraufschrauben konnten.

Wartende Eltern und Kinder

Wartende Eltern und Kinder

Frisch gestärkt konnten wir wieder die lange Schlange der vor dem Tor wartenden Familien empfangen und uns nach dem Wohl der ehemaligen Kinder erkundigen.

Unser Ex-Patient Mohammad Gul mit seinem Vater

Unser Ex-Patient Mohammad Gul mit seinem Vater

An diesem Morgen erreichte uns dann die Nachricht von Falks Frau aus Deutschland, dass sie den Mann mit dem Satelliten-Telefon erreicht habe, dieser jedoch keine Fatima oder Verwandte einer Fatima kenne. Wieder zerschlagen sich die Hoffnungen, einen Kontakt zu Fatimas Familie herstellen zu können.

Auf unserem Programm an diesem Tag standen erneut diverse Besuche bei Familien. Sadeq hatten wir beauftrag, die aus Deutschland mitgebrachten Geschenke (Stofftiere, Autos und Puppen) in die beiden Autos einzuladen, um diese an die Straßenkinder verteilen zu können. Pünktlich gegen 10:00 Uhr startete unser Tross dann wieder, um das Tagesprogramm abzuarbeiten. Der Besuch bei der ersten Familie dauerte länger und so konnten Alex und Andreas nach dem Mittagessen die Zeit nutzen, um einige schöne Fotos von dem Berg mit den Königsgräbern zu schießen. Dieses Objekt ist auf Grund der immensen Zerstörung ein wirkliches gutes Fotoobjekt.

... zerstörte Königsgräber ...

... zerstörte Königsgräber ...

Für Alex waren diese 20 Minuten endlich eine Zeit, bei der er sein Fachwissen im Bereich Fotografie umsetzen konnte. Durch seine Beziehungen hofft Alex, die Bilder und eine entsprechende Geschichte nach seiner Rückkehr nach Deutschland an verschiedene Pressestellen weitergeben zu können mit dem Ziel, einmal auf das vergessene Leid der Bevölkerung in Afghanistan aufmerksam zu machen und zum Anderen, durch die Berichte und Fotos die Arbeit des Vereins "Kinder brauchen uns" e. V. weiter bekannt zu machen und die dringend benötigten Spendengelder zu sammeln. Eigentlich wären mindestens drei Stunden nötig gewesen, um die entsprechenden Motive an diesem Berg (Friedhof, Königsgräber, spielende Kinder usw.) im Bild festzuhalten.

Alex in Aktion

Alex in Aktion

Bei dieser Fotosession konnten wir viele der mitgebrachten Spielzeuge und Plüschtiere an die Straßenkinder verteilen, die diese Geschenke zuerst ungläubig, dann aber mit einem großen Strahlen im Gesicht entgegen nahmen. Dass sich solch eine Aktion wie ein Lauffeuer unter den Kinder verbreitet, ist selbstverständlich. Schon einige Sekunden, nachdem wir die ersten Geschenke ausgegeben hatten, strömten aus allen Gassen und Häusern weitere Kinder zu uns, die alle ein Geschenk erhalten wollten. Glücklicherweise hatten wir genug dabei, so dass am Schluss jedes Kind hocherfreut mit seinem ersten eigenen Spielzeug nach Hause rennen konnte.

Andreas verteilt Geschenke an die Straßenkinder

Andreas verteilt Geschenke an die Straßenkinder

Nach diesem Besuch entschlossen wir uns, keinen weiteren Besuch durchzuführen, sondern noch die Familien zu treffen, die seit Stunden vor den Toren des Deutschen Hofes warten würden. So fuhren wir nachmittags wieder zurück zum Hotel, wo uns die erwartete Menschenmenge begrüßte.

Eine an diesem Tag völlig unerwartete Wendung nahm der Fall der kleinen Fatima. Während wir noch mit einer Familie im Aufenthaltsraum des Hotels saßen kam ein Wachmann des Deutschen Hofes und teilte uns mit, es wäre Besuch für Fatima auf der Straße. Nachdem wir uns kurz besprochen hatten, was nun zu tun sei, baten wir den Wachmann, den Onkel in den Aufenthaltsraum zu holen. Schnell stellte sich heraus, dass es sich nicht um die Eltern handelte, sondern um einen ominösen Onkel, der Fatima mitnehmen wollte. Irgendwie schien dieser alte Mann Fatima zu kennen, was jedoch nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Fatima wirkte sehr verschüchtert und sagte, sie kenne diesen Mann nicht. Für uns alle stand fest, dass wir Fatima auf keinen Fall in die Hände dieses Mannes geben würden, sondern nur den echten Eltern. Nach den ersten Begrüßungen baten wir den Mann, uns zu erklären, woher er wüsste, dass Fatima wieder in Kabul sei. Er erklärte und, dass Mitarbeiter der anderen "Hilfsorganisation" ihn darüber informiert und ihn gebeten haben, Fatima abzuholen und in ein Waisenhaus dieser Organisation zu bringen. Irgendwie erschien uns die ganze Situation sehr konfus, hatte diese andere Organisation es doch in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft, einen Kontakt von Fatima zu ihrer Familie herzustellen. Wir erklärten dem Mann, dass wir Fatima nicht in seine Hände, sondern nur ihren eigenen Eltern zurückgeben würden, was er nach einigen Diskussionen dann auch verstand. Wir fragten ihn nach seinen Kontaktmöglichkeiten zu Fatimas Familie in Shebar (liegt in der Nähe von Bamyan in Zentral-Afghanistan, ca. 150 KM nordwestlich von Kabul). Er erklärte uns, dass es einen Telefonkontakt gäbe, worauf wir ihn anwiesen, die Familie von Fatima sofort zu informieren und ihr ausrichten zu lassen, dass sie am kommenden Tag nach Kabul kommen sollten. Der alte Mann versprach, dieses Vorgehen einzuhalten und verließ damit den Deutschen Hof. Für Fatima war dieses Gespräch ein Wechselbad der Gefühle und sie tat uns allen sehr leid.

Anschließend bekamen wir noch Besuch von Ali, einem Jungen, der ebenfalls schon in Deutschland gewesen ist. Alis Finger waren mit einem dreckigen Verband umwickelt. Wir fragten, was er denn mit dem finger gemacht habe. Er erzählte uns, dass er am Morgen von einem Hund gebissen worden sei. Unser erster Gedanke war, dass in Kabul durchaus die Gefahr von Tollwut bestehe und wir baten ihn, uns seinen Finger und die anderen kleineren Wunden zu zeigen. Nachdem der dreckige Verband entfernt war, was sehr schmerzhaft war, erschraken wir doch sehr über den Zustand seines Mittelfingers. Uns zeigte sich eine große offene Wunde, die gelblich und rötlich verfärbt war und offensichtlich schon entzündet war. Sofort beauftragten wir einen Bekannten, für Ali ein Antibiotikum zu besorgen. wir desinfizierten die Wunde mit Desinfektionsspray und legten einen sauberen Wundverband an. Wir teilten ihm mit, dass er uns in den Fogletagen wieder besuchen solle, um den Heilungsprozess verfolgen zu können.

Ali

Ali

Der Abend verlief in gewohnter Manier. Markus hatte noch einige Termine an diesem Abend. Für den kommenden Tag standen für Markus einige offizielle Besuche u. a. bei AGEF und der deutschen Botschaft an, so dass wir uns vornahmen, für einige Stunden in die Rand- und Außenbezirke von Kabul zu fahren, um dort gute und brauchbare Fotos für die deutsche Presse machen zu können.

© Andreas Timmler, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Erfahrungen aus Afghanistan anlässlich eines humanitären Hilfseinsatzes für kranke und verletzte Kinder
Details:
Aufbruch: 02.11.2005
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 09.11.2005
Reiseziele: Afghanistan
Der Autor
 
Andreas Timmler berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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