ein paar Tage am Niederrhein

Reisezeit: Juni 2018  |  von Herbert S.

Kalkar

Mehr als jede andere Stadt am Niederrhein vermag Kalkar Städtebau, Ar-chitektur und Kunst des Mittelalters als Einheit zu präsentieren. Kalkar wurde von Graf Dietrich VI. von Kleve am 20. Oktober 1230 auf einer Ward, einer am nördlichen Fuß des Monreberges vom Rhein angeschwemmten Sandbank, gegründet. Es ist keine in vielen Jahrhunderten gewachsene Siedlung, sondern eine von Anfang an planmäßig angelegte Stadt. Sie erhielt schon 1242 nach kurzer Bauzeit die Stadtrechte von den Klever Grafen verliehen. In dem sumpfigen Gelände ließ die Stadt mit Wassergräben versehen gut verteidigen .

Kalkar - Calcaria

Kalkar - Calcaria

Aus der Blütezeit um 1500 (Tuchmacherei, Kornhandel und Bierbrauerei) stammen die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Kalkars. Der Bau des monumentalen Rathauses durch den Klever Baumeister Johann Wyrenberg wurde 1446 vollendet. Die dreischiffige Hallenkirche Sankt Nicolai, an deren Bau er auch mitwirkte, wurde 1450 geweiht.

Der zuvor kleinere Marktplatz entstand in seiner jetzigen Ausdehnung zusammen mit dem Rathaus 1431/45. Es ist das größte erhaltene mittelalterliche Rathaus im Rheinland nördlich von Köln. Sein Erbauer Johann von Wyrenbergh verwendete mit dem wehrhaften Zinnenkranz und den Ecktürmchen die gleichen Bauformen wie bei dem gleichzeitig entstehenden Schwanenturm der Klever Burg.

Marktplatz

Marktplatz

Die katholische Pfarrkirche St. Nicolai entstand in ihren wesentlichen Bauteilen zwischen 1409 und 1450. Sie ist mit ihrem herrlich lichten Innenraum die ausgedehnteste niederrheinische Hallenkirche und die bedeutendste Schöpfung des Klevischen Backsteinbaus. Ihre hervorragende Bedeutung liegt begründet in der vollständig erhaltenen Ausmalung und Ausstattung, die in den Hauptstücken 1480 bis 1543 entstand. In seltener Geschlossenheit ist hier ein mittelalterlicher Sakralraum überliefert.
Die wohlhabend gewordenen Bürger konnten sich an die Ausschmückung der Kirche machen. Künstler wurden nach Kalkar geholt. Reiche Bürger, Handwerkergilden und Bruderschaften stifteten zahlreiche Altäre, Gemälde und Skulpturen – zur Ehre Gottes, zur Sicherung ihres Seelenheils und zum Ruhm ihrer Stadt.

Wegen ihrer reichen Ausstattung — vor allem an Schnitzwerken — ist die Kirche St. Nicolai zu Kalkar von einzigartiger Bedeutung. Wenn auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter anderem mehr als die Hälfte der kostbaren Schnitzaltäre verkauft wurde, ist doch das Erhaltene immer noch überwältigend.

Im Chor befindet sich der mit großartigen figürlichen Schnitzereien und den Tafelbilder von Jan Joest versehene Hochaltar (1488/ 1508).

Hochaltar

Hochaltar

In einem Schaubild der Schreins von mehr als 200 vollplastisch aus Eichenholz geschnittenen Figuren wird hier die Passion Christi dargestellt. 1488 bei Arnt von Zwolle in Auftrag gegeben, wurde der Altar nach dessen Tod von anderen Meistern vollendet.

Durch den aus Maastricht stammenden und seit 15.35 ebenfalls in Kalkar ansässigen Arnt van Tricht findet die Kunst- und Weltauffassung der Renaissance Eingang in die Kalkarer Kirche. Arnt van Tricht schuf den im südlichen Seitenschiff aufgestellten Dreifaltigkeitsaltar (1518/ 1528)

Dreifaltigkeitsaltar

Dreifaltigkeitsaltar

Der Altar der Sieben Schmerzen Mariens (1518/22) in St. Nicolai zu Kalkar ist das Werk Heinrich Douvermanns, eines der bedeutendsten Bildschnitzer der Spätgotik am Niederrhein. Schnitzschrein, geschnitzte Predella und gemalte Flügel bilden den Altar. Mittelpunkt ist das Vesperbild, um welches sich in Szenenfolge die Sieben Schmerzen Mariens gruppieren.

Altar der Sieben Schmerzen Mariens

Altar der Sieben Schmerzen Mariens

Meister des Dreifaltigkeitsaltars aus St. Nicolai zu Kalkar ist Amt van Triebt. Zentrum ist die im Stil des 16. Jahrhunderts reich gekleidete Figur der Maria Magdalena

Dreifaltigkeitsaltars

Dreifaltigkeitsaltars

Dank der geringen Verluste im letzten Krieg ist die Welt des Bürgers im Mittelalter mittels zahlreicher Bürgerhäuser des 16. Jahrhunderts nahezu präsent. Ein Flyer macht uns die Suche nach diesen Bürgerhäusern leicht.

Typisch sind die schlanken Fenster mit den gemauerten Kreuzstöcken. Im Inneren des Hauses findet sich hinter den schlanken Erdgeschoßfenstern eine hohe Halle, das sogenannte Vorhuis. Es wird überspannt von mächtigen Deckenbalken, die auf geschnitzten Konsolen auflagern. Im hinteren Bereich befinden sich Empore und Kamin.

Marktplatz - spätmittelalterliches Treppengiebelgebäude

Marktplatz - spätmittelalterliches Treppengiebelgebäude

Das älteste Bürgerhaus Kalkars aus der Zeit um 1400 befindet sich Hanselaerstraße 5. Als Teil des Stadtmuseums ist es auch im Inneren in der ursprünglichen Raumdisposition erhalten. Abgeteilt vom Vorhuis befindet sich links vom Eingang ein Kontor. In der Decke war ursprünglich eine Luke eingeschnitten. Über einen Seilzug im Dachstuhl konnten so Waren und andere Gegenstände auf den geräumigen Speicher gezogen werden. Diese Anordnung gibt einen Hinweis auf den Ursprung des Kalkarer Giebelhauses mit dem für Handel und Gewerbe bestimmten Vorhuis, dem darüberliegenden Speicher und den rückwärtig anschließenden Wohn- und Schlafräumen.
Das Städtische Museum, das insgesamt aus drei Baukörpern besteht, hat sich aus der Schausammlung des Stadtarchivs entwickelt. Letzteres ist eines der bedeutendsten historischen Archive des Rheinlandes.

Stadtmuseum - Grabenstr. 30 €

Stadtmuseum - Grabenstr. 30 €

Hanselaerstr. 5 - hinterer Teil des Stadtmuseums - Stadtarchiv

Hanselaerstr. 5 - hinterer Teil des Stadtmuseums - Stadtarchiv

hinter den schlanken Erdgeschoßfenstern eine hohe Halle, das sogenannte Vorhuis

hinter den schlanken Erdgeschoßfenstern eine hohe Halle, das sogenannte Vorhuis

spätgotisches Giebelhaus - Grabenstr. 66

spätgotisches Giebelhaus - Grabenstr. 66

Am Stadtrand - dem Stadtort des ehemaligen Hanselaer-Tors- befindet sich die Lohwindmühle, die um 1770 aus dem Material des des Stadttores errichtet wurde.
Kalkar war im Mittelalter von einer Stadtmauer mit vier Stadttoren umgeben. Das Hanselaer Tor, die Ostpforte der Stadt, war so baufällig, dass die Instandsetzung sich nicht mehr lohnte. Ein Lederfabrikant einigte sich mit der Stadt auf den Abriss des Stadttores und man genehmigte ihm den Bau einer Loh-Windmühle aus dem Abbruchmaterial. Es entstand die höchste Mühle im Rheinland - acht Stockwerke hoch Zunächst mahlte man in der Mühle Eichenrinde -Lohe- für das Gerben von Tierfellen zu Leder. Um 1800 wurde die Mühle als Getreide-Windmühle genutzt und diente ab dann den Müllern zum Mahlen von Getreide. Im 19. Jahrhundert baute man den Getreidespeicher und ein zweistöckiges neugotisches Wohnhaus.

Lohwindmühle

Lohwindmühle

Im Stadtmuseum befinden sich Modelle der abgerissenen Stadttore - die schon zur Zeit der Besetzung durch die Franzosen 1794 nicht mehr existierten.
1801 wurde Kalkar Bestandteil der Départements de la Roer mit Verwaltungssitz in Aachen.

Wir setzen unseren Rundgang fort

nette Idee als Einladung

nette Idee als Einladung

Einziges relikt der Stadtmauer - der Taubenturm - einst das Gefängnis

Taubenturm

Taubenturm

Der Kernbau des Beginenhofes ist um 1500 entstanden, östliche und nördlichei Erweiterungen erfolgten im 16. Jahrhundert, so der auffällige Barockgiebel. Das zweigeschossige, fünfachsige Giebelhaus aus Backstein mit zwei Speichergeschossen weist verschiedene Wand- und Deckenmalereien u.a. mit floralen Mustern auf. Es wurde 1980/82 restauriert Das Haus liegt auf dem Gelände des ehemaligen Großen Beginenkonventes und
hat daher seinen Namen. Das Grundstück gelangte 1430 in den Besitz der Beginen, die in Kalkar zwei Konvente unterhielten. Beginen waren unverheiratete Frauen oder Witwen, die in einer ordensähnlichen Gemeinschaft lebten. Sie verdienten durch Handarbeiten und Bierbrauen eigenes Geld zum Lebensunterhalt und waren auch in der Armenfürsorge und Krankenpflege tätig.
Der Große Beginenkonvent wurde 1578 aufgelöst, der Kleine Beginenkonvent, der die Augustinerregel angenommen hatte und nach der Hl. Caecilia benannt worden war, wurde 1802 aufgelöst, nachdem die Franzosen den Niederrhein besetzt hatten.

Beginenhof - um 1500

Beginenhof - um 1500

ev. Kirche - 1697 - um 1899 mit Turm versehen

ev. Kirche - 1697 - um 1899 mit Turm versehen

Das Haus Sieben Linden war in den 1920er und 1930 Jahren Sommerresidenz der Düsseldorfer Kunstakademie.

Haus Sieben Linden - 18 Jh. im Barockstil erbaut

Haus Sieben Linden - 18 Jh. im Barockstil erbaut

© Herbert S., 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Kunst und Archäologie reizten uns - Grund genug sich in die Römerzeit zu begeben und dabei das Mittelalter nicht zu vergessen.
Details:
Aufbruch: 12.06.2018
Dauer: 4 Tage
Heimkehr: 15.06.2018
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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