Watt'n Meer - Auf der Suche nach Kurven
An der Nordseeküste - Von Siel zu Siel
Über die Krummhörn, einer ländlichen Idylle hinterm Deich, erreichen wir sie: kleine Orte mit der Endung „siel“. Harlesiel und Bensersiel, mit ihren Fährhäfen zu den Ostfriesischen Inseln. Greetsiel, Neuharlingersiel und Carolinensiel mit ihren verträumten Häfen, den typischen Krabbenkuttern und kleinen Giebelhäusern. Jahrhunderte lang rangen hier die Menschen dem Wattenmeer Land ab. Sogenannte „Siele“ lassen das Wasser der Entwässerungsgräben durch die Deiche in die Nordsee, aber kein Meerwasser ins Binnenland.
Schon von weitem können wir die restaurierten „Greetsieler Zwillinge“ erkennen, zwei Holländerwindmühlen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Auf einen näheren Besuch des kleinen Ortes verzichten wir allerdings angesichts der Touristenmassen, die sich durch die malerischen Gassen schieben.
Wir biegen ins Hinterland ab. Entspanntem Cruisen wird hier ausgesprochen wenig Widerstand entgegengesetzt. Ein paar Wölkchen schweben am tiefblauen Himmel. Der Wind beugt sanft das satte Gras der Wiesen. Wie mit dem Lineal gezogen durchschneiden schmale Teerbänder die Landschaft. Immer gerade aus. Links Schafherden, rechts braun-weiße Kühe und Pferdekoppeln. Unendlich weite Landschaften mit schmalen Alleen. Dazwischen einsame, reetgedeckte Bauernhöfe. Kurven sind praktisch nicht vorhanden, gelegentlich eine leichte Kehre, dann streckt sich die Straße wieder. Das Gummi der Reifen nimmt eckige Formen an. Der Horizont ist mit unzähligen Windrädern verziert, die wie Spargelstangen aus dem Marschboden emporstreben. Vom ständigen Wind gebeugte Bäume - Windflüchter – huschen vorbei. Ein Schwarm Wildgänse zieht laut schnatternd über unseren Köpfen hinweg.
In Carolinensiel treffen wir wieder auf die Nordsee. Die Friedrichsschleuse am Yachthafen, eine Klappbrücke, stoppt unsere Tour. Motoren aus, die Kutter und Segelyachten haben Vorfahrt. Ein kurzer Besuch von Harlesiel (Wohnwagen, Strandkörbe, Selbstbedienungsrestaurant), dann geht es entlang der bis zu neun Meter hohen Nordseedeiche, welche das Land zwischen Ems, Dollart und Jadebusen fast lückenlos umschließen, weiter ostwärts. Gelangweilte Schafe blicken träge von oben herab oder dösen in der Sonne. Um das Meer nicht nur zu riechen, sondern auch zu sehen, erklimmen wir die Deichkronen. Hier oben geht der Blick dann unendlich weit zum Horizont, wo sich Himmel und Nordsee treffen. Watt'n Meer !
Von Nordenham aus kreuzen wir die Weser, schnuppern dabei ein bisschen Seeluft und genießen den grandiosen Blick auf die maritime Skyline von Bremerhaven. Die Stadt ist der größte Automobilumschlaghafen Europas. 95.000 Pkw warten auf den Verkehrs- und Stellflächen des Auto-Terminals auf ihre Verschiffung. Wir lassen die „Letzte Kneipe vor New York“ im Kaiserhafen rechts liegen und streben weiter nordwärts. In einem Fischlokal in Darum werden wir auch am Nachmittag mit einem nordischen "Moin" begrüßt (wer „Moin Moin“ sagt, gilt manchmal schon als Schwätzer). Der Geschmack des frisch geräucherten Aals ist unbeschreiblich. Cuxhaven verschwindet in unserem Rücken, es geht gefühlt wieder immer gerade aus. In Wischhaven rollen wir erneut auf die Fähre. Eine Mini-Flussschifffahrt über die Elbe nach Glückstadt. Christian IV, König von Dänemark ließ die Stadt im 17. Jahrhundert an der Niederelbe erbauen. Der Überlieferung nach rief er aus: "Dat schall glücken und dat mutt glücken und denn schall se ok Glückstadt heten!"
Dass auch Robben von den Launen der rauen See betroffen sind, erfahren wir bei einer Stippvisite in der Seehundaufzuchtstation Friedrichskoog. Alljährlich landen hier 100 bis 200 Robbenbabys. Verletzt oder nach heftigen Stürmen und Gewittern von ihren Müttern getrennt, wurden sie heulend auf Sandbänken und an Stränden aufgefunden. Nach etwa zwei bis drei Monaten werden die aufgepäppelten Seehunde wieder in die freie Wildbahn entlassen.
Der heutige Tag endet in Büsum. Ein frisches Matjesbrötchen an der Promenade (was im Ruhrpott die Pommesbude, ist hier der Fischwagen) und dabei zusehen, wie sich die Sonne langsam herabsenkt. Der Wind rauscht in den Ohren, über uns kreischen die Möwen. Wir genießen das friesische Lebensgefühl: kein Stress, keine Hektik, keine Staus, keine Kompromisse.
Aufbruch: | 29.07.2018 |
Dauer: | 13 Tage |
Heimkehr: | 10.08.2018 |