@Home in Nairobi!
KESA und Kibeira
Der größte Slum Afrikas
Wie fange ich dieses Kapitel an? Vielleicht erstmal mit ein paar Fakten, was aber auch nicht so einfach ist. Sicher ist, dass Kibera der größte Slum Afrikas ist und zu den größten der Welt gehört. Das Gebiet liegt südlich der Innenstadt und ca. 20km von meinem schicken Wohnviertel weg. Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Während ich durch saubere, geteerte Straßen zur Arbeit fahre, gibt es dort nur wenige befestigte Wege. Die Trampelpfade, auf denen wir entlang gingen, entpuppten sich beim näheren Hinsehen als zusammengetretener Müll und Schlamm (und vermutlich Fäkalien).
Über die Einwohnerzahl gibt es so viele unterschiedliche Angaben, das niemand weiß, was stimmt. Sie schwanken von 200.000 bis hin zu 700.000 oder sogar 1 Mio. Fakt ist, dass dort Menschen auf engstem Raum unter mit unseren kaum vergleichbaren Bedingungen leben.
Blick von weiter oben auf einen kleinen Teil von Kibera. Die Jungs gehören zu KESA (siehe Text weiter unten)
Eingang. Im "Haus" habe ich keine Fotos gemacht. Der Raum hinter dieser Tür, in dem wir herzlichst mit 8 Personen begrüßt wurden, hatte etwa 4qm (ich bin schlecht im Schätzen) und einen kleinen Nebenraum. Dort wohnt die Familie zu fünft. Es war gerade Platz für ein 2er Sofa, einen Sessel, und einen Kühlschrank.
Kuhfüße. Genau erklären, ob es eine Delikatesse oder eine Resteverwertung ist, konnte der wirklich nette Herr uns es aber nicht.
KESA
So wie ihr, war ich immer gespannt und interessiert, wie es wohl in Kibera live aussieht. Wie es sich anfühlt. Dennoch hinderte mich nicht nur Covid an einem "Besuch". Wie will man rechtfertigen, dorthin zu gehen? Wie schmal ist der Grat zwischen Awareness und Voyeurismus?
Sehr schmal würde ich sagen!
Wie kam es also dazu, dass ich nun an einem Samstag morgen mit unserem Schulbus auf den Weg nach Kibera mache?
Unsere Schule hat eine Kooperation mit einer Sportinitiative, die ein Fussballtrainer unserer Schul-AG gegründet hat. Er ist selbst in Kibera aufgewachsen und hat sich vor über 10 Jahren zum Ziel gemacht, Kinder von der Straße wegzuholen. Das geht mit Sport immer ganz gut, mittlerweile fördern Sie aber auch Kunst, Fotografie. Sie bieten in einem Zentrum mitten in Kibera Hausaufgabenbetreuung oder Computerkurse an. Viele Kinder gehen Vormittags zur Schule, aber danach wissen sie oft nicht, wohin mit ihrer Zeit, was nicht selten zu Kriminalität oder Drogenkonsum führt. So sollte der Fussball helfen, eine Anlaufstelle nach der Schule zu werden. Mittlerweile sind einige der Kinder schon junge Erwachsene geworden und unterstützen wiederum das Projekt mit ihrer Zeit zur Betreuung der Kinder.
Letztes Schuljahr konnte unsere Schule das Projekt wieder ein wenig aufleben lassen und hat ein gemeinsames Fußballtraining gestartet. Freitags kommen die jungen Spieler aus Kibera zu uns an die Schule und trainieren gemeinsam mit den DSN Schülern. Am Samstag fährt ein Bus nach KIbera, um in einer Schule am Rand des Slums gemeinsam zu trainieren. Um dieses Projekt genauer kennenzulernen, wurden die Schulleiterin und ich, gemeinsam mit den Eltern der Kinder eingeladen, nach Kibera zu kommen und uns anzusehen,wo alles startete.
Diesem Angebot bin ich gerne gefolgt, eine "organisierte" guided Tour durch den Slum würde ich niemals buchen und ich rate auch jedem davon ab.
Ihr werdet nun sehr viele Fotos sehen. Dabei ging es mir vor allem darum, Euch zu Hause zu zeigen, wie es dort aussieht, wie Kinder dort leben, aber auch wie der Alltag dort aussieht. Die Menschen, die ich fotografiert habe, habe ich vorher gefragt und sie haben sich gefreut und waren gerne bereit dazu. Wenn ich das Gefühl hatte, es passt nicht, habe ich auch nicht fotografiert.
Kinder... Haben sofort angefangen zusammen Murmel zu spielen mit ganz unterschiedlichen Techniken und völlig ohne Berührungsängste.
Werte rücken
Durch Kibera zu laufen, zu fühlen, riechen und zu schmecken, wie dieser Teil der Stadt ist, war für mich eine wichtige Erfahrung. Dabei ging es mir vor allem darum, nicht nur in der Theorie zu wissen, wie anders das Leben in nur 20km Entfernung ist. Es sollte mir in aller Deutlichkeit zeigen, wie privilegiert ich hier lebe. Wie wohlbehütet ich aufgewachsen bin und welches Glück ich habe, in Deutschland, in Europa geboren zu sein. Die, die mich gut kennen, wissen, dass ich sehr wohl auch davor dankbar dafür war. Und gleichzeitig wollte ich es erneut erleben, auch um manch täglichen Aufreger in der Schule und das Anspruchsdenken wieder ins rechte Licht zu rücken.
So hilft so ein Besuch, die eigenen Werte, aber auch das eigene tägliche Jammern wieder in die richtige Kategorie einzuordnen. Hey, keine Sorge - ich rege mich immer noch jeden Tag über irgendetwas auf und habe 140 Puls. Das ist Teil meines Charakters und wird sich vermutlich nie ändern. Aber Erlebnisse wie diese sorgen dafür, dass am Abend vorm Schlafen gehen, alle Aufreger über scheinbar so wichtige Dinge, belangloser werden und das was wirklich wichtig ist, wieder klar(er) wird.
Ich bin gesund, meiner Familie geht es gut, ich darf durch die Welt reisen und sogar fernab der Heimat arbeiten, ich fliege am Wochenende mal kurz ans Meer zum Auftanken, der Kühlschrank ist voll (die Bar auch - Mir geht es gut, ich bin glücklich und zufrieden mit dem Leben, das ich habe!
Aufbruch: | Februar 2021 |
Dauer: | 10 Jahre |
Heimkehr: | Dezember 2030 |
Live-Reisebericht: