Mit dem Wohnmobil auf dem Weg nach Marokko (2022)

Reisezeit: August - Dezember 2022  |  von Andreas Kirchner

2. Etappe: Normandie

[15. Aug.]
Die nächste Etappe nach unserem Stopp in Luxemburg führt uns nach Frankreich, genauer über Saint Quentin zunächst für zwei Tage nach Amiens - die weitaus attraktivere der beiden Städte. Mit dem Fahrrad entlang der schwimmenden Gärten, dann einen Besuch am Grab von Jules Verne (und ein ausgedehnter Gang über den gesamten Friedhof mit seinen zum Teil Jahrhunderte alten, oft ver- und eingefallenen Gräbern), eine Runde durch den botanischen Garten und als Highlight die abendliche und beeindruckende Lichtkunst an der Kathedrale (auch zu sehen unter www.youtube.com/watch?v=jIk0qOySOco).

Nächtliche Laser-Show an der Cathédrale Notre-Dame d’Amiens

Nächtliche Laser-Show an der Cathédrale Notre-Dame d’Amiens

Wir sind im Hochsommer aufgebrochen, und nach fünf Tagen ungehemmter Hitze von über 30° fühlen wir uns inzwischen wie eine Mensch gewordene Schweißdrüse. Frische Kleidung wäre angebracht gewesen für die Momente, in denen wir unter Menschen geraten – aber auch vollkommen zwecklos, der alte verschwitzte Zustand wäre in Null-Komma-Nix wiederhergestellt. Also ist nach den vergangenen Nächten auf einfachen Stell- oder Parkplätzen nun ein Campingplatz das Ziel der Ziele: ein Königreich für eine Dusche!

Sucht man nun zur Zeit der französischen Sommerferien einen freien Platz auf einem Campingplatz an der normannischen Küste, dann findet man ebenso leicht Bananenstauden in der Antarktis. Verzweiflung macht sich bei uns breit ob der Massen an Autos und Wohnmobilen, die die kleinen Gässchen und Zufahrten zu den Küstenstädtchen wie Yport oder Étretat verstopfen. Am Eingangszaun der Campingplätze, die wir rundherum anfahren, grüßt stets das Schild "complet" – leider nicht schon von weitem, dann hätten wir uns die mühsame Zufahrt dorthin (oft über einige Kilometer) und das Wenden auf den stets kleinen Vorplätzen ersparen können.

Mit der Gewissheit, am Abend erneut wieder nur einen Stellplatz ohne Dusche zu bekommen, vermutlich weit im Hinterland, nehmen wir einen weiteren Campingplatz in Augenschein, der etwas versteckt liegt, recht klein und auf dem ersten Blick ob der vielen blauen und roten Plastikplanen, die wild vor den einzelnen Wohnwagen gespannt sind, einen etwas verlotterten Eindruck macht. Das Tor ist sperrangelweit geöffnet, nichts hindert uns daran, einfach mal rein zu fahren. Die Suche nach einer Rezeption ist vergebens, dafür kommt eine Französin auf uns zu, um uns gleich zu erklären, dass dies ein privater Platz sei. Der Heute-keine-Dusche-Stellplatz im Hinterland rückt immer näher! Die Französin muss es uns angesehen (und vermutlich auch gerochen) haben und nach kurzer Erklärung unsererseits, dass wir nur ein oder zwei Nächte bleiben würden und eigentlich nichts anderes als eine Dusche suchen, fordert sie uns auf, einen Moment zu warten, sie müsse telefonieren. Das Ende vom Lied: eines der privaten Grundstücke ist derzeit unbewohnt. Sie habe mit dem Besitzer gesprochen und er habe nichts dagegen, wenn wir uns für zwei Nächte dorthin stellen! Und während sich andere Wohnmobilisten eng an eng auf den überlaufenen Campingplätzen drängen, haben wir unversehens einen kleinen, netten und ruhigen Platz und eine herrliche Dusche!

Am nächsten Tag nutzen wir die Fahrräder, um auf der Zufahrtsstraße nach Yport an der Autoschlange vorbei an die – tatsächlich beeindruckenden – Kreidefelsen der Küste zu fahren. Den geplanten Besuch der Jardins d'Étretat streichen wir allerdings von der Liste - zu viel Trubel überall!

Am Abfahrtstag fragen wir, was wir für den Platz, die Dusche, das aufgefüllte Wasser im Bus schuldig seien. Wieder telefoniert die Französin mit dem Besitzer. Seine Forderung: wir sollen ihm doch einfach eine kurze Nachricht hinterlassen, wie uns der Platz gefallen hat. UNGLAUBLICH! Also radebrechen wir auf französisch einen kleinen Dankesbrief (oje!), ergänzen ihn mit einer Flasche Blanc-de-Noir (eigentlich ein Geschenk an uns - sorry, Claudia) und brechen beglückt von so viel Freundlichkeit auf in die Bretagne.

© Andreas Kirchner, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Berichte von unterwegs mit dem Wohnmobil nach Marokko - vier Monate "on the road": Luxemburg - Frankreich - Spanien - Portugal - Marokko und zurück
Details:
Aufbruch: 10.08.2022
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 12.12.2022
Reiseziele: Luxemburg
Frankreich
Spanien
Portugal
Marokko
Der Autor
 
Andreas Kirchner berichtet seit 9 Monaten auf umdiewelt.
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