Mit dem Wohnmobil auf dem Weg nach Marokko (2022)
3. Etappe: Bretagne
Touristische Hölle, dein Name sei MONT-SAINT-MICHEL
[16. Aug.]
Mit einem Abstecher zum Jardin Plume - dem Federgarten - machen wir uns auf in die Bretagne. Das Ehepaar Quibels schuf in dem kleinen Dorf Auzouville-sur-Ry ein 4 ha großes Gartenjuwel mit unterschiedlich inspirierten Bereichen (u. a. Frühlings-, Sommer- und Herbstgarten), die zu jeder Jahreszeit Blühendes aufweisen sollen - nur leider in einem heißen August nicht - Die Farbe "Vertrocknetes Braun" dominierte das Gelände. Schade!
Am Nachmittag erreichen wir das Städtchen Beauvoir. Vom hiesigen Stellplatz führt ein fünf Kilometer langer Weg hin zum Mont-Saint-Michel, das erste unserer bretonischen Ziele direkt an der Grenze der Bretagne zur Normandie. Von der Ferne ein echter Hingucker!
Mit jedem Kilometer, den wir zu Fuß zurücklegen und dem Berg näher kommen, steigt jedoch die Anzahl weiterer Menschen mit dem gleichen Ziel exponentiell an. Dichter und dichter wird das Gedränge, bis sich diese Myriaden an Touristen samt Hund und Kinderwagen in der einen, das Handy und das Eishörnchen (1 Kugel = 3 €) in der anderen Hand, in die engen Gassen von Saint-Michel ergießen und selbige verstopfen. Von vorne bremst, von hinten schiebt es, kein Weiterkommen an der schmalen Pforte, weil sich die Leute nicht darauf einigen können, wer von welcher Seite zuerst durchgehen soll. Endlich, nach unzähligen Trippelschritten, Rippenremplern, "Pardon", "Excusez moi" und "Du A…" werden wir wieder ausgespuckt und können die Flucht ergreifen. Gegen Mont-Saint-Michel ist Carcassonne ein lauschiges Plätzchen, nur Dubrovnik nach Festmachen von drei Kreuzfahrtschiffen kann da noch mithalten.
Regentag in Huelgoat
[21. Aug.]
Das nächtliche leichte Trommeln von Regentropfen auf dem Dach des Wohnmobils gab bereits eine Prognose für den Verlauf des Wetters am heutigen Tag: Regen. Danach Regen. Und dann noch Regen dazu.
Wir dehnen das ohnehin lange Frühstücken aus, das schließlich unmerklich übergeht in ein zweites Frühstück, bis endlich die Entscheidung fällt, jetzt loszumarschieren trotz des ungebrochenen Schauers.
Wir stehen mit unserm Womo in Huelgoat, im Landesinnere des Finistère. Hübscher kleiner Ort mit angrenzendem Zauberwald: Feen, Elfen, Zwerge und eine Grotte, in der Artus und seine Kumpanen auch schon übernachten haben sollen. Als wir den Wald betreten, hört draußen der Regen auf, drinnen regnet es der tropfenden Blätter wegen unverdrossen weiter. Na toll!
Der Wald ist voller gurgelnder Schlunde, riesiger Felsbrocken und mit Moos überwachsener Bäume. Wir stapfen vorbei an der Teufelsgrotte (ziemlich am Anfang des Wegs) und kehren erst einmal ein in die Crêperie La Roche Tremblante (ziemlich am Anfang des Wegs). Sie liegt verborgen in einer Wegbiegung hinter mannshohem Farn und verspricht ein verträumtes, liebevoll, ja beinah kitschig eingerichtetes französisches Café zu sein. Tatsächlich entspricht das Ambiente, das wir vorfinden, eher einem schlechtgehenden polnischen Gasthaus im hintersten Winkel Pommerns. Die Crêpe sind typisch bretonisch: mit Buchweizenmehl gemacht und gesalzen. Will man süße Crêpe, kommt halt noch Zucker drauf. Fini.
Wir setzen unseren Weg fort und verlieren uns mehr und mehr im tiefen Unterholz. Der Regen hat wieder eingesetzt. Unversehens kommen wir an einer kleinen, unter einem Felsen verschwindenden Höhle vorbei. Da niemand darin zu sein scheint, betreten wir sie vorsichtig – und stehen prompt in einem wohlig warmen, gemütlich eingerichteten Raum, über uns das gewölbte Erdreich. In der Ecke flackert noch ein Feuer im Kamin, auf dem Sims eine Pfeife und eine wunderschön geschnitzte Tabakdose. An der anderen Seite des runden Raums eine kleine Kochstelle, darüber kleine kupferne Kessel und Kellen, sorgfältig an der Wand aufgehängt. In der Mitte ein kleiner Holztisch, daneben ein Schaukelstuhl mit nur noch eine der beiden Kufen – die bretonischen Gnome, die hier im Finistère leben, lieben diese kleinen Herausforderungen an ihre Geschicklichkeit.
Schnell verlassen wir die Höhle, bevor wir entdeckt werden und kehren zurück zu unserem Wohnmobil. Regentage in Huelgoat können wirklich interessant sein…
Nein, tatsächlich hat Huelgoat mehr zu bieten als phantastische Märchen in verregneten Wäldern. Nach unserer – mäßig schönen – Wanderung besuchen wir das kleine Museum zeitgenössischer Kunst, das in der ehemaligen Schwesternschule im Ort untergebracht ist. Highlight aber ist am Abend das Chorkonzert zum "Canto General" von Pablo Neruda und Mikis Theodorakis in der Dorfkirche. Eine tolle und hochkarätige Aufführung, die damit endet, dass die Chormitglieder die Kirche durch den Haupteingang gegenüber des Podiums verlassen, um draußen in einem Spalier aufgereiht auf die herauskommenden Zuschauer zu warten und sie singend zu verabschieden.
Skulpturenpark #3
[23. Aug.]
Nach den beiden in diesem Jahr von uns bereits besuchten großartigen Skulpturengärten "Waldfrieden" (#1) in Wuppertal (nein, das war KEIN Friedhof!) und dem zum Kröller-Müller-Museum gehörenden Skulpturenpark im Nationalpark De Hoge Veluwe in den Niederlanden (#2) nun der dritte und dieses Mal größte Skulpturenpark Europas in der Domaine de Kerguéhennec. Er mag tatsächlich der flächenmäßig größte sein, die Anzahl der ausgestellten Skulpturen kommt aber in keiner Weise an die des niederländischen Parks heran. Was unwichtig wäre, wenn nicht auch die dargestellten Kunstwerke für uns weniger beeindruckend gewesen wären. Wir bekommen also viel Arbeit für die Füße, aber wenig auf die Augen. Wett macht den Besuch dann aber die außergewöhnliche Ausstellung von Werken Marc Didous im Schloss der Domaine.
Wir sind Didou, d. h. fünf seiner Werke, bereits tags zuvor in Landerneau begegnet, wo sie im Zentrum verteilt sind als diesjährige Kunstaktion der Stadt. Unser Ziel in Landerneau war ebenfalls ein Kunstmuseum (Fonds Hélène et Édouard Leclerc Pour La Culture) mit einer spannenden Ausstellung zu Ernest Pignon-Ernest, einer der frühen Vertreter der Urban Art. Fünf dieser Kunstwerke von Didou waren an Hausfassaden angebracht, wirkten wie hübsche Ornamente in Metall, aber nicht sonderlich beeindruckend. Die Überraschung kam beim Blick durch die Kamera: plötzlich offenbarten sich die Ornamente als Abbilder von Gesichtern! Und in vielfältig ähnlicher Weise (= Anamorphose, wie mir Onkel Wiki dazu verriet) finden sich nun zahlreiche Objekte von Didou in Kerguéhennec, und das nicht nur in den Ausstellungsräumen, sondern auch als Teil der Schlossanlage selbst: als Abdeckung eines alten Brunnens zum Beispiel (erst durch die Wasserspiegelung am Grund des Brunnens ist ein Auge zu erkennen) oder als "schmiedeeisernes" Tor zum Schlossgarten. Immer nur erkennbar durch die Kameralinse. Verrückt, schön und faszinierend!
Skulpturenpark #4
[24. Aug.]
Am nächsten Tag folgt der nächste, von der Domaine de Kerguéhennec nicht weit entfernte Skultpurenpark: "L’Univers du Poête Férailleur" von Robert Coudray, der es irgendwann leid war, sich mit unterschiedlichsten Berufen durchzuschlagen und stattdessen sein eigenes Universum schuf!
Skulpturenpark #5
Und noch einer – und mit Abstand der älteste: der Circuit des Mégalithes in Saint Just.
3 Tage Nantes
[27. Aug.]
Auf einem Campingplatz gibt es immer auch die, die ankommen und sich dann am Sanitärhaus eine Toilette aussuchen, die sie von nun an stets benutzen, diese und keine andere. So steht heute morgen auch so jemand wartend vor der Tür des Klos, aus dem ich heraustrete, obwohl andere Toiletten frei sind, und sieht mich mit einem grimmigen Blick an, der sagt "Was hast du auf meinem Klo zu suchen, Bursche?". Na, der Tag fängt ja gut an! Und weil er gut anfängt, nämlich mit frischem Baguette und 2 Croissants, die wir uns am Morgen bei der Rezeption abgeholt haben, lasse ich ihn mir auch durch ihn nicht verderben! Zumal wir nun beim Frühstück auch den Käse vernichtet haben, der seit einigen Tagen sein Odeur im ganzen Womo verströmte, wenn man auch nur ein kleines Stück weit den Kühlschrank öffnete.
Wir sind in Nantes angekommen (nicht mehr Bretagne, sondern Pays de la Loire. Nantes fühlt sich selbst wohl aber bretonisch, also bekommt es seinen Platz in diesem Kapitel) und machen uns gleich mit dem Fahrrad vom Campingplatz auf in die Stadt, zehn Kilometer immer geradeaus entlang der Loire. Nantes ist für Frankreich wohl so etwas wie Hamburg für Deutschland: provinzielle Großstadt, in der man eine Woche Urlaub machen kann und immer noch nicht alles gesehen hat. Wir beschränken uns auf die Innenstadt rund ums Château, am zweiten Tag auf die Île de Nantes, eindeutig der spannender Teil des Stadtbesuchs – nicht zuletzt der Machines de l'île wegen:
Aufbruch: | 10.08.2022 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 12.12.2022 |
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