Der Berg ruft: mit Polarausrüstung in die Tropen
7 Vulkanbesteigungen: #1 | Pichincha (4.800 m)
Vermutlich ist es nirgends so einfach wie in Quito, mal schnell einen 4000er zu besteigen - bis knapp auf die Höhe des Mont Blanc. Wobei, so einfach ist das mit dem Pichincha dann doch nicht.
Der Pichincha mit seinen 4.784 Metern steht direkt am Stadtrand Quitos: von dort aus sind die ersten 1.400 Höhenmeter mit Taxi und Bergbahn in ca. 60 Minuten zu schaffen. Nicht für jeden ist das was: dem 20-jährigen Sohn unseres Gastgebers ist bei der Ankunft schlagartig brechübel, ein Zustand, von dem man sich aber offenbar genauso schnell wieder erholen kann.
Die Höhe spürt man hier sehr deutlich: ein paar Stufen in normalem Tempo zu gehen, bringt den Puls ratzfatz auf 130. Man lernt hier sehr schnell, sich in Zeitlupe zu bewegen.
Und so beginnen wir sehr langsam unsere Besteigung des Gipfels, der ca. 700 Meter höher am Horizont thront.
Der Gipfel des Pichincha von der Bergstation der Seilbahn aus gesehen: laut GPS 8 Kilometer Fußmarsch entfernt. Ob's stimmt, weiß ich nicht.
Sieht das nicht putzig aus? So schwer kann's wohl nicht sein!
Schnaufend und prustend (fast) ans Ziel
Unser junger Gastgeber - als Einheimischer immerhin an die Höhe gewöhnt - und ich setzen uns dann doch recht zügig ab. Und während Kathrin mit unserem älteren Gastgeber die abgespeckte Variante mit weniger Höhenmetern macht, sind wir in erster Linie damit beschäftigt, nicht an Ort und Stelle zu ersticken.
Meine Lunge und mein Herz laufen permanent auf Hochtouren, dabei leistet der Rest meines Körpers eher wenig: bei dem lahmen Tempo wird einem noch nichtmal richtig warm, angesichts der gefühlten Belastung ist das ein sehr merkwürdiges Gefühl.
Zudem wird es Richtung Gipfel zunehmend kälter, aus dem ursprünglichen T-Shirt auf 4.100 Metern wird weiter oben recht zügig komplette Winterausstattung.
Limit erreicht, gut is.
200 Meter unterm Gipfel des Pichincha geht es für mich nur noch alleine weiter, nicht mein Begleiter schwächelt, sondern seine Converse All Star, mit denen er eine recht senkrechte Wand (die einzige zwar, aber leider vorhanden) nicht mehr hochkommt. Zum ersten Mal bei all meinen Wanderungen habe ich tatsächlich das Gefühl: "Ui, meine Monstertreter machen Sinn".
Voller Begeisterung und überzeugt, es zu schaffen, mache ich mich also an die letzten paar Meter der Besteigung. Aber von hier ab geht es mit geschätzten 100% Steigung hoch (also ein 45%-Winkel) und mit der Geschwindigkeit massiv runter.
Kurz vor dem ZIel baut sich vor mir ein mit 60 Zentimetern sagenhaft hoher Fels auf: eigentlich ein großer Schritt und dann kräftig hochstemmen, schon oft gemacht. Damit, dass mir bei diesem Schritt schlagartig ziemlich schummrig wird (immerhin mit einem ziemlichen Abgrund hinter mir), hatte ich aber nicht gerechnet.
Es ist also wohl Zeit für eine Pause, endlich was essen. Und so sitze ich 10 MInuten auf meinem Felsen, haue mir einen Energieriegel und eine Flasche Wasser rein und warte darauf, dass mein Puls runtergeht. Vergeblich! 10 Minuten lang bleibt mein Herzschlag bei gefühlten 130 Schlägen! Auch die Atmung verbessert sich nicht wirklich.
Zeitgleich verschlechtert sich das Wetter am Pichincha, nicht drastisch, und auch nicht besorgniserregend, aber doch so, dass man genauer hinguckt. Und während ich da so sitze und hechele, kommen insg. 4 Wanderer von oben an mir vorbei, die alle abgebrochen haben. Das macht die Entscheidung einfacher, und runter geht's!
[Nachtrag:] beim nächsten Besteigungs-Versuch 3 Wochen später sollte ich herausfinden, dass es nur noch 10 Minuten zum Gipfel gewesen wären!
In einem heiden Tempo und mit großem Spaß schlittere ich den steilen Pichincha auf Vulkanasche bergab, mein Zustand hat sich ziemlich schnell verbessert. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass es irgendwo auf ca. 4.700 Metern eine imaginäre Schranke für mich gab, die schlagartig zugefallen ist.
Ein Cara Cara: von diesen hühnergroßen Vögeln gibt es am Pichincha viele - Angst haben die Cara Caras vor mir nicht, dank Sauerstoffarmut bin ich keine Gefahr für sie.
Den Rückweg legen mein ecuadorianischer Freund und ich großteils joggend zurück, bergab ist die Geschichte ganz gut zu meistern.
Meine Lektion bei dieser ersten von insgesamt 7 Besteigungen: langsamer! Und besser akklimatisieren, denn nur 2 Tage in Quito auf 2.800 Metern Höhe waren offenbar nicht genug.
Den Versuch war's Wert, die Belohnung für die (gescheiterte) Besteigung ist verdient: Regenbogen über Quito.
Aufbruch: | 06.08.2015 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 10.09.2015 |
Original Meerschweinchen-Rezept