Freude am Fahren – Meine Mittelgebirgsrunde im Oktober 2024

Reisezeit: Oktober 2024  |  von Volker Xylander

3. Vogesen

In Fischbach habe ich nochmals auf deutschem Boden getankt und mich dann auf kleinsten Waldstraßen bei Hirschthal über die Grenze geschlängelt, eigentlich nur durch die geänderte Sprache auf den Wanderschildern zu merken. Da meine Französischkenntnisse gleich hinter „merci“ zu Ende sind, auch kein Problem. In diesem Landstrich konnte ich noch wie gewohnt meinen Deutschlandatlas mit den grün markierten Straßen nach Niederbronn, Baerenthal bis Lemberg und dann in südlicher Richtung nach Wingen, dann über Puberg nach Tiefenbach nutzen. Ab hier wechselte ich dann zu französischem Kartenmaterial. La Petit Pierre mit der Burg Lützelstein ist zwar nur ein kleiner Ort, hinterläßt aber bei der Durchfahrt einen sehr malerischen Eindruck. Über Eschbourg geht es dann zum ersten Vogesenpass, dem Col de Saverne, mit 413 m zwar keine tolle Höhe aber an der schmalsten Stelle der nördlichen Vogesen gelegen. Von Saverne und Lutzelbourg dann zum Schiffshebewerk Plan Incline im Rhein – Marne – Kanal bei Saint-Louis / Arzviller. Hier werden 44,55 m Höhenunterschied, dabei 17 Schleusen ersetzend, mit einem Schrägaufzug überwunden. Der zusätzliche große Trick ist dabei, daß das Gewicht des gefüllten Troges durch die Wassermenge im Vergleich zu den Gegengewichten angepaßt wird und damit die benötigte Antriebsleistung relativ gering ist. Der bergwärts bewegte Trog mit den Schiffen ist also immer etwas leichter als die nach unten fahrenden Betonblöcke.

29 Schiffshebewerk Plan Incline im Rhein - Marne - Kanal

29 Schiffshebewerk Plan Incline im Rhein - Marne - Kanal

30 Schiffshebewerk in Aktion

30 Schiffshebewerk in Aktion

Nach diesem technischen Leckerbissen war es dann nicht mehr weit bis Rocher de Dabo (Dagsburg).
Das Plateau des Sandsteinfelsen liegt auf 664 m, war früher eine keltische Kultstätte und später mit der Dagsburg bebaut. Als ich diese Angabe nachlas, erzielte ich für mich einen Aha – Effekt. Das Gebiet kam erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 zu Frankreich und fiel 1697 von dort wieder zurück in deutsche Hoheit. Der Pariser Nationalkonvent beschloß 1793 die de facto Enteignung. Also historische Vorgänge, für mich eigentlich nicht so interessant, aber: Bei meiner ersten Tour nach Amorbach im Odenwald hatte ich im Foyer der Fürstlich-Leiningschen Verwaltung gelesen, daß Napoleon im Jahr 1801 den Fürsten auch das Gebiet der Klöster Amorbach und Mosbach sowie Miltenberg als Entschädigung für die Grafschaft Dagsburg übertragen hat. Da hat jeder auch heute Gelegenheit, über Parallelen nachzudenken.
Der Ausblick von der Kapelle, die dem früheren Papst Leo gewidmet ist. soll zu den schönsten Rundblicken im Elsass gehören. Ich habe diesen aber eine Stufe niedriger bewundert und es hat mich völlig überzeugt.

31 Rocher le Daro - 664 m ü NN - Kapelle Saint Leon

31 Rocher le Daro - 664 m ü NN - Kapelle Saint Leon

32 Rocher le Dabo - Blick von der Kapelle auf den Ort

32 Rocher le Dabo - Blick von der Kapelle auf den Ort

Von der Kapelle ist es nur noch Freude am Fahren über den Col de Valsberg (652 m) und den Col des Pandours (Schneeberg, 662 m) nach Oberhaslach, wo Maschine und Fahrer sich zur verdienten Ruhe begaben. Bei der letzten Abfahrt sollte man sich den links liegenden Ausblick auf die Ruinen der Burg Niedeck gönnen. In Oberhaslach wollte ich die beiden nächsten Nächte verbringen und dann am Donnerstag noch einmal in den Südteil der Vogesen umsetzen.
Am Mittwoch, dem 23.10., starte ich also auf der kleineren Straße nach Schirmeck und fahre hoch auf 718 m zum Col du Donon. Nach früheren Erfahrungen halte ich mich dort rechts in Richtung Abreschviller. Diese Route schlängelt sich einige Kilometer in einem Bachtal gemächlich bergab. Vor und im Ort heißt es dann links abbiegen, um nach Saint Quirin und von dort wieder zur nächsten Auffahrt des Col du Donon zu kommen. Vor allem die letzten Kilometer hoch zum Paß sind dazu geeignet, den Reifen Geräusche zu entlocken. Von oben benutze ich dann die D 392 nach Vexaincourt. Ich hatte mir als nächstes den Col de la Chapolotte (447 m) bis Badenviller in beiden Richtungen vorgenommen. Auf der Rückfahrt sah ich dann kurz vor dem Wiedererreichen der D 392 eine Werbetafel für einen See „Lac de la Pierre Percée“, dessen Form mich an die Philosophie meiner Studentenzeit erinnerten. Das damals vorhandene Restwissen aus den ungeliebten Vorlesungen dazu hat mich 1965 und nochmals 1972 vor einem Aus in den Prüfungen gerettet. – Das bleibt im Kopf erhalten. -
Also habe ich mich entschlossen, wieder zu drehen und nach Badenviller zurück zu fahren. Nicht lange nach dem Ortsanfang hieß es dann spitz links zurück wieder in den Wald. Dort war erst einmal einige Kilometer lang nichts von Wasser zu sehen, bis ich es rechts durch die Bäume schillern sah.

33 Stausee Le Lac de la Pierre Percee - Karte

33 Stausee Le Lac de la Pierre Percee - Karte

34 mein fleißiger "Erwin"

34 mein fleißiger "Erwin"

Ich hielt an, verließ mit dem Fotogerät das Auto und hatte kurz darauf eine Nachricht in Französisch auf dem Handy. Auch ohne Sprachkenntnisse war an Hand der eingefügten Bilder zu verstehen, unerlaubtes Halten wird nicht geduldet. Ich machte mir so meine Gedanken, schnell mein Foto und mich aus dem Staube. Kurz darauf fand ich dann einen deutlich schöneren und erlaubten Rastplatz.

Den Techniker in mir hat der See vor Ort und auch bis jetzt immer wieder einmal beschäftigt, schließlich habe ich viele Monate meines Lebens an der Bleiloch – Talsperre in Thüringen verbracht. Die Staumauer, bestehend im Inneren aus Sand und Ton, darüber mit sehr festem Gestein abgedeckt, wurde 1981 bis 1985 gebaut, um den Wasserstand der Mosel regulieren zu können. Sie ist 78 m hoch und 330 m lang, breit am Fuß 335 m und an der Krone 8 m. Die maximal mögliche Staumenge wird auf 61,6 Mio. m³ geschätzt, die Talsperre Bleiloch hat im Vergleich 215 Mio. m³.
Notwendig wurde das Wasserreservoir dann ab 1993 für das ab 1986 in Betrieb genommene Kernkraftwerk Cattenom, für dessen Kühlkreisläufe eine Mindestmenge an Wasserdurchlauf der Mosel gesichert werden muß.
Ich habe mir zum Stausee inzwischen im Internet auch ein für Wanderer und Naturfreunde erstelltes Video mit französischen Text angesehen. Es eröffnet Ausblicke, Waldwege und Felsgruppen, die ich als Fußlahmer in natura nie gesehen hätte. Wenn es mir also gelingt, im nächsten Jahr wieder in die Vogesen zu fahren, diese Ecke ist im Programm verankert. Dazu habe ich in dem Film noch gesehen, wie einfach doch der Aufbau eines Zeltes heutzutage geworden ist, war auch sehr interessant.

35 Pierre Percee - eine gewaltige Gewichtsstaumauer

35 Pierre Percee - eine gewaltige Gewichtsstaumauer

36 Le Saulcy - für Halloween geschmücktes Geisterhaus

36 Le Saulcy - für Halloween geschmücktes Geisterhaus

Zurück auf der D392 ging es über Raon l´ Etape und auf kürzestem Weg per Navi über die Dorfstraßen, um größere Ortsdurchfahrten zu vermeiden, nach La Petite Raon, dort dann rechts ab auf der D424 zum Col de Hantz (641 m). Mein nächster Wegpunkte waren Ranrupt und der Col de Steige (534 m). Auf diesem Pass erst ein Stück nach rechts auf der D50 und dann links ab auf die D214. Ich habe hier dann erst einmal eine Zwischenetappe zum Col de Urbeis (602 m) eingelegt. Mein Tagesplan war durch den Abstecher zum Stausee sowieso hinfällig, also konnte es noch ein weiteres Zwischenziel sein. Nach dem Pass hieß es dann wenden und auf der D39 in Richtung Urbais. Dabei habe ich aber aufgepaßt, in einer Rechtskehre geht auch die D156 hoch zum Col de Steige. Das Sträßchen war so schön aus, daß ich es hoch und gleich wieder runter genutzt habe. Lohnenswert! Über Urbais ging es dann zu meinem Mindest-Tagesziel nach Fouchy.
Die einspurige Straße über den Col de Fouchy (603 m) gehört seit 2021 für mich zum jährlichen Wunschprogramm. In verschiedenen Fachzeitschriften wird die Nordseite zwischen dem Dorf Fouchy und der Passhöhe als schönste Strecke in den Vogesen benannt. Auf der Strecke habe ich weder Platz noch Zeit Bilder zu machen, aber zwei Fotos aus der direkten Nachbarschaft können den Charakter der Gegend etwas darstellen.

37 Bauernhaus in Fochy

37 Bauernhaus in Fochy

38 Wohnhaus in Ville, unweit Fochy

38 Wohnhaus in Ville, unweit Fochy

Nach dem zweiten Male zurück in Fouchy ging es dann weiter nach Ville und Breitenbach zum Col de la Charbonniére (960 m), um eine Abendrunde über den höchsten Punkt der nördlichen Vogesen, Camp du Feu (1.099 m), zu drehen.
Übrigens Charbonniére sind nach der offiziellen Übersetzung Kohlehändler. Für das Bezeichnen dieses Passes sollen aber die Holzköhler in der Gegend verantwortlich sein. Nun, sie haben ja auch mit ihrer Kohle gehandelt.

38 Col de Charbonniere - Blick in Richtung Fochy

38 Col de Charbonniere - Blick in Richtung Fochy

40 Camp du Feu - 1.099 m ü NN

40 Camp du Feu - 1.099 m ü NN

Von dort aus durch schmale Täler hinunter nach Grendelbruch und Oberhaslach. Meine Fahrstrecke heute waren 255 km Kurbelei und das reichte.
Da ich meine Route für den heutigen Tag geändert hatte, mußte ich über meine weiteren Wünsche neu nachdenken. Die bequemste Entscheidung war, noch eine Nacht länger in Oberhaslach zu bleiben und bis zum folgenden Abend über die weiteren Ziele zu entscheiden oder besser, erst einmal darüber zu schlafen.
Am folgenden Donnerstag war ich noch nicht weiter als hinter Mollkirch Richtung Grendelbruch gekommen, als der in den höheren Lagen vorhandene Nebel mich zur Abkehr veranlaßte. Es ging nicht hoch nach Camp du Feu sondern links ab nach Obernai. Dann von dort zum ersten Ziel Le Hohwald und zum Col du Kreuzweg (768 m) und weiter zum Col de la Charbonniére. Über den Col de Steige und den unscheinbaren Col de Salcée fuhr ich, natürlich, zum Col de Fouchy, aber nur mit einer Überfahrt nach Rombach le France. Meine Ziele waren heute anders gesteckt. Ich wollte zuerst nach Sainte Marie aux Mines, eine alte Bergbaustadt in deren Schächten Silber und Blei abgebaut wurde. Das erinnert mich immer an meine Studentenzeit in Freiberg. Doch in der Neuzeit gibt es glücklicherweise Unterschiede. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Sainte Marie die drittgrößte Stadt in Elsaß-Lothringen mit über 12.000 Einwohnern. Heute sind es weit weniger als die Hälfte und der Leerstand ist auch bei der reinen Ortsdurchfahrt deutlich zu sehen. Auch alle bergbaulichen Schulen wurden geschlossen. Es stimmt mich immer ein wenig traurig, so einen langsam zurückgehenden Ort zu erleben, vor allem, wenn man eine gedankliche Verbindung dazu hat.
Weiter geht auf der D 48 in südlicher Richtung. Unterwegs kann man zum Col des Bagenelles (905 m) auf einem Parkplatz einen kurzen Zwischenstopp einlegen und bei des Wetters Gunst einen ausgeprägten Talblick nach Sainte Marie und weiter über die Bergketten der nördlichen Vogesen genießen.

41 oberhalb von Saint Marie aux Mines - man kann nichr alles haben

41 oberhalb von Saint Marie aux Mines - man kann nichr alles haben

42 oberhalb von Saint Marie aux Mines - aber mit Beharrlichkeit manchmal

42 oberhalb von Saint Marie aux Mines - aber mit Beharrlichkeit manchmal

Weiter auf der D148 erst einmal zum Col du Pre de Raves (1.005 m) und danach erreiche ich beim Überqueren der D415 den Col du Bohomme (948 m), den mittleren von drei in Ost-West-Richtung verlaufenden Kammübergangen.
Bald darauf bin ich im Skigebiet Station du Blanc auf über 1.200 m üNN. Diese Sportart ist hier im Oktober noch nicht möglich, aber ein Abstecher hinab zum Bergsee Le Lac Blanc auf 1.052 m Höhe und mit einer maximalen Tiefe von 72m. Das Baden habe ich lieber nicht probiert, obwohl ich kaltes Wasser liebe. Zusammen mit dem südlich gelegenen Lac Noir bildet der Lac Blanc ein Pumpspeicherkraftwerk. Mit Nachtstrom wird hierbei Wasser vom tiefer gelegenen Lac Noir („Schwarzer See“) in den Lac Blanc gepumpt und bei Spitzenbedarf vom Lac Blanc wieder abgerufen. Dieses System wurde in Dresden trotz fehlender Kohlenoxidverursachung leider aufgegeben.
Jetzt könnte ich weiter bergab nach Kayserberg fahren. Aber es ist noch zeitig am Tag und ich habe noch andere schöne Strecken vor mir. Also wieder nach oben zu den Bergstationen der Lifte und auf die D148 zum Col du Cavaire.(1.134 m).

43 Hochlandstraße zum Col de la Schlucht - Route des Cretes

43 Hochlandstraße zum Col de la Schlucht - Route des Cretes

44 daher der Name - am Col de la Schlucht

44 daher der Name - am Col de la Schlucht

Eigentlich, ein Pass ist es nur für Radfahrer, bei der Tour de France ergibt sich zumindest eine Bergwertung der 3. Kategorie, aber nur wenn man östlich aus Orbey heraufkommt. Für mich auf dem Hochplateau bleibend ist es nur eine leichte Steigung. Die Kammroute bis zum Col de la Schlucht (1.198 m) – die südlichste große Ost-West-Verbindung - bleibt fast durchweg auf über 1.200 Meter Höhe, was sich auch deutlich an der Vegetation zeigt.

Vom Pass geht es weiter nach Osten, in Richtung Munster. Schon kurz nach der Höhe sollte man, auf der linken Seite, anhalten und gegenüber einen Blick in die namensgebende imposante Schlucht werfen. Ansonsten ist diese breite Straße durchaus fahrenswert und bietet feine Kurven. Nach etwa 12 Kilometern, beim Verlassen des Waldes in einer Rechtskehre links hoch zum Col du Wettstein (882 m). Dieser Pass liegt neben dem Collet de Linge am berüchtigten Lingekopf, wie der Hartmannswillerkopf Schauplatz der verlustreichsten Stellungskämpfe in den Vogesen im 1.Weltkrieg. Auch hier oben sieht man ein Feld von Kreuzen der im sinnlosen Gemetzel gefallenen französischen und deutschen Soldaten, für uns heutzutage eigentlich nicht zu verstehen. Diese Gedenkstätten und Soldatenfriedhöfe sollten den heutigen Politikern und vor allem auch uns sehr zu denken geben.
Weiter geht es über Orbey nach Kayserberg, wo ein Stadtbummel mit historischen Häusern, Kirchen, Brücken und dem Blick auf die Burgruine lohnenswert ist. Wer dies nicht möchte, sollte wenigstens für eine Ortsdurchfahrt von Kientzheim die Umgehungsstraße verlassen. Die im 8. Jahrhundert gegründete Weinstadt ist noch vollständig von Stadtmauern umgeben, hat schöne alte Fachwerkhäuser, Mühlen, Schlösser, farbige Wandmalereien und teilweise überdachte Brunnen.

45 Kientzheim - Markt

45 Kientzheim - Markt

46 Kientzheim - Stadttor

46 Kientzheim - Stadttor

Hinter Kientzheim biege ich links ab und komme durch die Weinfelder und –berge nach Ribeauville. Hier hatte ich im Jahr 2022 mein Standquartier und einen ganzen Rucksack voller angenehmer Erinnerungen. Heute wollte ich aber die Dritte, die nördlichste Ost - West – Verbindung über den Vogesenhauptkamm, den Col du Haut de Ribeauville (742 m) zurück nach St. Marie fahren.
Weiter ging es dann die restlichen fast 90 Kilometer auf einem neuen Autobahnzubringer bis Selestat und dann weiter auf der A35 und D1420 nach Oberhaslach. Tanken würde ich diesmal erst morgen früh, da ich in jedem Fall wieder auf der D1420 direkt an der gewohnten Benzinoase vorbeifahren werde. So habe ich dann noch mein Navi für die Anfahrt nach Munster programmiert und auch die Entfernung nach Kniebis bei Freudenstadt im Schwarzwald, meinem nächsten Übernachtungspunkt, auf dem Orientierungsgerät gecheckt.

Für den Freitag hatte ich noch eine große Vogesenrunde in meinem Kopf zusammengestellt. Begonnen hat das Ganze aber mit einem Reinfall, ohne h und nicht bei Schaffhausen: Nach einer kleinen technischen Kontrolle setzte ich mich hinter das Lenkrad, stöpselte das Navi an und startete. Die ersten zwanzig Kilometer waren ja bekannt und das Kartengerät war ja schon gestern Abend programmiert. Also schnell noch tanken und weiter Richtung A35, die im Rheintal mautfrei befahren werden kann. Alles lief rein mechanisch ab und meine Gedanken waren schon in der Auffahrt zum Petit Ballon, als ich plötzlich den Rhein überquerte und schlagartig die Realität erkannte. Schnell eine Abbiegemöglichkeit noch vor der Grenze genutzt und erst einmal gesammelt. Klar, ich hatte mich als Letztes mit Freudenstadt befaßt und das Navi fährt bei freiem Start auch damit hoch. Also Kartenstudium, die beste Querverbindung herausgesucht und über die eigene Dummheit den Kopf geschüttelt. Der Umweg hielt sich über Colmar und Munster nach Lüttenbach in Grenzen.

Für mich ist die Nord-Auffahrt zum Kahlen Wasen oder Petit Ballon (Kleiner Belchen 1.172 m) die Eindrucksvollste. Über 9,3 Kilometern, mit ihren untenliegenden fünf Kehren und dann fast nur noch geradeaus bergauf mit einem Durchschnitt von 8,1 %. Zwar liegt das Maximum auch nur bei 9 %, aber bei meiner Erstbefahrung hatte ich schon beklemmende Momente. Wenn jetzt der Motor streikt, wie kommst du wieder raus …. Ohne Servobremse und Lenkhilfe längere Strecken rückwärts nach den Spiegeln rollen, da habe ich sehr schlechte Erinnerungen aus den Dolomiten beim Streiken der Benzinpumpe gehabt.
Vor einem Jahr hat mein Begleiter, einen modernen, kleinen BMW steuernd, sich nicht lobend über meinen Einfall, Col du Petit Ballon (1.163 m), geäußert. Der paßt eben besser zu einem Rallye- als zu einem Rundstreckenfahrer.
Für die hinaufstrampelnden Radfahrer gibt es jeden halben Kilometer eine tröstende Tafel mit dem Steigungs-Prozentwert und der noch verbleibenden Reststrecke. Obwohl sie mit ihren Mühlen im Bedarfsfall leichter rangieren können, tauschen will ich nicht. Diese Nordseite war übrigens schon mehrfach eine Bergwertung der 1. Kategorie bei der Tour de France.
Belchen ist eine alte Bezeichnung für einen flachen, kahlen Berg. Davon sehe ich in den Vogesen heute noch zwei höhere und den auf deutscher Seite, den 1.414 m hohen Belchen dann im Schwarzwald.
Die schönsten Ausblicke vor und nach dem Pass sollten aber alle Seiten versöhnen.

47 Nordauffahrt zum Petit Ballon - 1.163 m ü NN

47 Nordauffahrt zum Petit Ballon - 1.163 m ü NN

48 Petit Ballon - Abfahrt nach NW in Richtung Sondernach

48 Petit Ballon - Abfahrt nach NW in Richtung Sondernach

Kaum unten im Tal geht es auch schon wieder hinauf zum Col du Platzerwasel (1.193 m), um in das Skigebiet Le Markstein auf etwa 1.200 m Höhe an der Route des Cretes zu kommen. Auf Vogesenkamm geht es zuerst ein Stück weiter, um zumindest einen Fernblick auf den Grand Ballon (Großer Belchen 1.424 m), den höchsten Berg dieses Mittelgebirges zu werfen. Etwa 500 Jahre v. Chr. wurde hier oben der Sonnengott Belenus, die oberste Gottheit der Kelten, verehrt, von dem der Name Belchen abgeleitet sein könnte. Heute gibt es auf dem Gipfel eine Wetter- und Flugbeobachtungsstation. Mit diesem Sichtkontakt kehre ich nach Le Markstein zurück und biege dort links ab auf die D27 hinunter ins Tal zum Stausee von Kruth-Wildenstein, der als Hochwasserschutz in den Jahren 1959 – 1963 erbaut wurde. In Kruth zweige ich auf eine noch kleinere Straße nach Ventron ab, um über den Col de Oderon (884 m) etwas rasanter zu fahren, da wegen der nur wenige Kilometer südlich verlaufenden fahrtechnisch nicht sehr interessanten Hauptverbindungsstraße über den Col de Bussang hier nur sehr wenig Verkehr ist.

Hinter Ventron geht es dann auf der D486 über den nicht sehr anspruchsvollen Col du Menil (621 m) nach Le Thillot und nach links auf der E512 nach Fresse-sur-Moselle, einer kleinen Stadt an der oberen Mosel. Schon nach 6 Kilometern verlasse ich diese Hauptstraße auf der D465 nach Süden zum dritten Belchen der Vogesen, dem Col du Ballon d`Alsace (1.171 m). Nach der Passhöhe bleibe ich erst einmal auf dieser Straße, um durch die Kehren hinab nach Malvaux zu kommen. Dort wird gewendet und es geht wieder nach oben, um auf der D466 nach rechts in Richtung Sewen abzubiegen.
Geschichtlich interessant an diesem Pass ist auch, dass hier im Jahr 1905, bei der dritten Runde durch Frankreich, die erste Bergetappe der Tour de France gestrampelt wurde.

49 Wirtshaus am Ballon d´Alsace

49 Wirtshaus am Ballon d´Alsace

50 vom Col dÁlsace auf der D466 nach Sewen - eine meiner Lieblingsstrecken

50 vom Col dÁlsace auf der D466 nach Sewen - eine meiner Lieblingsstrecken

Die Strecke zwischen dem Col du Ballon d`Alsace und Sewen ist ein weiterer meiner Lieblingsabschnitte, die ich bei jeder Vogesentour befahren möchte. Also, wir hatten schon den Col de Fouchy, die Straße von Saint Quirin hoch zum Col du Donon, die Nordanfahrt zum Petit Ballon und jetzt noch diese Ostseite. Ich muß mich glücklicherweise nicht entscheiden, sondern kann eben alle fahren und viele andere schöne Runden auch noch genießen. Jetzt geht es aber erst einmal weiter bis Masevaux-Niederbruck und dort links ab über den Col du Hundsrück (748 m). Ob der Name dieses Übergang mit dem Vokal „u“ oder dem Umlaut „ü“ zu schreiben ist, weiß ich nicht. Auf den Karten gibt es Beides.

Aber während der Frankreichrundfahrt 1997 hat Jan Ullrich als Gesamtführender auf der Nordanfahrt etwas geschwächelt. Sein ihn in der Spitzengruppe begleitenden Teamkollege Udo Bölts konnte ihm mit dem überlieferten Zuspruch „Quäl dich, du Sau“ im wahrsten Sinne des Wortes wieder Feuer unter dem Hintern entfachen und so zum letztlichen Sieg beitragen. Diese Grundgeschichte kannte ich schon, den genauen Ort habe ich erst mit der Lust auf Details in den Vogesen erfahren.
Wegen der symbolischen Abneigung gegen große Straßen fahre ich vor Thann weiter nach rechts durch den Wald, muß aber dann doch auf die Autobahn gen Mulhouse.

In meinem Wahn, vielleicht in Freiburg noch einen Abstecher auf die Schauinsland – Bergrennstrecke zu schaffen, will ich hier den Rhein und die Grenze überqueren. Damit hätte ich mich aber früher beschäftigen müssen. Jetzt weiß ich, daß die A5 auf dem rechten Rheinufer sehr stauanfällig ist, am späteren Freitagnachmittag besonders. Ich hätte wahrscheinlich besser getan, linksrheinisch kurz hinter Thann bei Cernay auf die autobahnähnliche D83 und dann auf der mautfreien A35 über Colmar nach Selestat zu fahren. Schließlich hatte ich am Morgen schon geübt, die Straße in Offenburg über den Rhein zu benutzen.

© Volker Xylander, 2025
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit einem Daimler Benz R 107 war ich vom 16. bis zum 29. Oktober auf einer Runde durch 1. Den Thüringer Wald und die Rhön 2. Den Spessart, den Odenwald und den Pfälzer Wald 3. Die Vogesen und 4. Den Schwarzwald. In meinem Reisebericht beschreibe ich meine täglichen Ziele und einige Dinge am Rande der Straßen.
Details:
Aufbruch: 16.10.2024
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 29.10.2024
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Volker Xylander berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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