Ladakh 2005
Über die höchste befahrbare Straße der Welt in Ladakh bis zur Seidenstraße
Auf nach Lamayuru
Ich trolle mich um 3.00 Uhr nachts mit meinem ewig zu schweren Rucksack zum bus station in Kargil, um die nächsten 234 km Busfahrt nach Leh, Zentrum Ladakh's, zu bewältigen.
Das Grün des Kleides Kaschmir, vorher im Überfluss vorhanden, wird jetzt zur Seltenheit, wird zum Blickfang zwischen dem Grau, Gelb, Ocker, Beige und Braun der Hochgebirgswüste. Diese bizarre und karge Gegend fasziniert mich, sie wirkt wie eine fast unwirkliche Mondlandschaft. Bar jeder Vegetation ragen zerklüftete Bergspitzen steil in den Himmel.
Endlich, nach 6-stündiger Fahrt das erste Hinweisschild: "First View to Lamayuru". Alle im Bus springen auf, um diesen ersten Blick auf eines der ältesten und bekanntesten Klöster der Gegend zu erhaschen. Aus weißem Lehm, den Überresten eines hier vertrockneten Sees, sind im Laufe der Jahrhunderte die bizarren Felsformationen entstanden, auf denen die älteren Häuser sowie das Kloster Lamayuru errichtet wurden. Hier in Ladakh, im "Hohe-Pässe-Land" gibt es ca. 40 Klöster und mehr als 2000 Mönche - bei einer Gesamtbevölkerung von 125.000 Menschen. Die Mönche, die Menschen in allen Tälern ringsherum, sie alle verehren den Himalaya als Heimstatt der Götter. Anders, sagen sie, lässt sich die Existenz eines solchen Gebirges nicht erklären mit den höchsten Gipfeln der Erde und einer unglaublichen Vielfalt an Landschaften.
Ich lasse mich als Einzige an einer Biegung aus dem Bus schmeißen (wortwörtlich zu nehmen, da er dabei weiterfährt und alle Insassen entsetzt meinem fliegenden Rucksack einschl. meiner Person hinterher schauen). Die Höhe macht mir zu schaffen. Ächzend und stöhnend kraxele ich den Hügel zum Guesthouse hoch. Einer einheimischen Frau, die so locker vor mir her zu "fliegen" scheint, tue ich so Leid, dass sie mir einen Teil des Gepäcks abnimmt und mich zum Ziel bringt. Nach Beziehen eines wunderbaren Zimmers genieße ich auf der Terrasse diese ungewöhnliche Landschaft. Sogar in dieser unwirtlichen Hochgebirgswüste haben sich Menschen einen Lebensraum erschlossen. Die grünen, künstlich bewässerten Felder gehören zum Kloster.
Kloster Lamayuru
Weg zum Kloster
Kloster mit weißem, gerade neu gebautem Guesthouse im Vordergrund
Nachmittags wandere ich langsam hinauf zu den Mönchen. Ich komme vorbei an 5 alten Frauen, die vor ihrem Haus sitzen und stundenlang aus unverarbeiteter Schafwolle, Knäule zum Herstellen von Kleidung produzieren. Ich versuche es auch einmal, worauf sie sich natürlich sehr amüsieren. Sie verstehen kein Wort Englisch, aber eine junge Ladakhifrau übersetzt unsere Konversation.
Diese zerfurchten, fröhlich aussehenden Gesichter begeistern mich und ich möchte unbedingt ihr Alter wissen, das sie jedoch selber nicht genau wissen, es liegt so bei Ende 80. Im Gegenzug muss ich natürlich auch meins preisgeben, worauf ein ehrfürchtiges Staunen beginnt. Klar, normalerweise sieht eine Ladakhifrau in den mittleren Jahren wesentlich älter aus als eine vergleichbare europäische Frau. Ich genieße die Bewunderung (manchmal ist das auch hier so, aber frau kann ja bekanntlich nie genug davon bekommen!) und ich würde gerne dort bleiben, um noch mehr von diesen Frauen zu wissen, aber ich will ja weiter auf dem beschwerlichen Weg nach oben zum Kloster auf
3680 m.
Es leben ca. 110 Mönche hier, der jüngste ist sieben Jahre alt, der älteste 89. Die kleinen Mönche, genannt Lobsang, finde ich einfach zu süß, wie sie den Alten unaufhörlich aus ihren schweren Kannen Buttertee ausschenken und Reis verteilen.
Ich habe das Glück und darf bei einer Puja (rituelle Gebetszeremonie) dabei sein. Ca. 15 kleine Gelbmützen (übersetzt "die Tugendhaften") sitzen während der Zeremonie auf einer kleinen Bank und blicken in meine Richtung. Sie dürfen der Zeremonie noch nicht zuschauen wie die erwachsenen Mönche. Ich kann mich kaum konzentrieren, da sie alle nur Blödsinn machen. Sie gackern und kichern und formen aus Tsampa, Gerstenmehl, kleine Kügelchen, schneiden Fratzen, träufeln Buttertee in eine Minispritzpistole, mit der sie sich dann gegenseitig bespritzen. Und wenn ein besonders dicker Mönch mit gequetschter Stimme in den Kanon einfällt, dann krümmen sie sich und fallen lachender Weise fast in ihren Buttertee. Ich kann mich selber kaum einkriegen vor Belustigung, was natürlich alle ermuntert, es noch doller zu treiben. Dann springt plötzlich der Gekö , der Aufpasser der ganzen "Veranstaltung" von seinem Podest auf und verteilt an alle der Reihe nach Backpfeifen. Dies scheinen die Lobsangs nicht so ganz ernst zu nehmen, der Kleinste jedoch, kämpft mit den Tränen, was mir so Leid tut, dass ich den Rest der Puja überlege, wie ich ihn trösten kann. Leider komme ich nicht dazu, da ich gar nicht so schnell gucken kann, wie sie am Ende hinaus laufen und sich in alle Winde zerstreuen. Ich bin beruhigt, auch hier sind die kleinen Mönche wie Kinder in aller Welt, sie müssen einfach ihre Portion Unbekümmertheit ausleben und Blödsinn machen.
Aufbruch: | August 2005 |
Dauer: | circa 5 Wochen |
Heimkehr: | September 2005 |