Red Rock Crazy - Abenteuer im Südweste der USA

Reisezeit: April / Mai 2006  |  von Markus Keune

02.05. Little Wild Horse Canyon / Window

7:50 zeigt die Uhr, als wir unsere müden Gelenke unter der Bettdecke hervorkramen. Heute haben wir uns schon fast richtig ausgeschlafen.

Als erstes steht heute der Crack Canyon auf der Tagesordnung. Ein gut gemeinter Rat aus dem Internet lautete, die Stichstraße nicht zu weit durchzufahren, denn ziemlich überraschend würde ein felsiger Wash hinter einer Anhöhe auf uns zukommen, den unser Auto nicht überleben würde, und so parken wir befehlsmäßig, als unser Tacho auf 0,3 Meilen ab Abzweig umspringt. Die letzten Meter bis Kilometer bis zum eigentlichen Trailhead vertreiben wir uns die Zeit damit, die besten Parkmöglichkeiten auszusuchen, die wir bekanntlich nicht genommen haben. Wir glauben, sogar die Stelle gefunden zu haben, die ein normaler PKW nicht, aber unser SUV locker schaffen müsste. Am ersten Tag wären wir hier bestimmt noch nicht hingefahren, aber der anhaltende Umgang mit Offroad-Pisten trübt wohl die Objektivität.

Im Crack Canyon ist es schon recht warm, obwohl die Sonnenstrahlen den Weg ins Innere der Schlucht noch finden müssen. Schon bald geht es landschaftsmäßig zur Sache. Die ersten Löcher des Schweizer Käses tauchen auf und auch ein kleiner Slot Canyon, wobei der eigentliche Reiz in der teilweise niedrigen Deckenhöhe liegt. Große Menschen sollten sich daher zum Staunen hinlegen oder die Augen aufmachen. Obwohl, sollte man letzteres nicht eh, wenn man Staunen will?
Wir sind mal wieder so sehr mit dem Belegen unserer Speicherkarten beschäftigt, dass uns eine Hand voll anderer Wanderer überholt, die wir am Ende des Canyons wieder einholen. Sackgasse! Hier würde nur eine Leiter weiterhelfen, doch der Laden um die Ecke hat glaube ich noch nicht eröffnet. Wir hatten uns eh nach einem geeigneten Umkehrpunkt umgesehen und sind froh, dass uns jemand diese Entscheidung abnimmt. Man ist ja doch neugierig, wie es wohl um die nächste Ecke aussehen mag.

Wir steigen wieder in unser Auto und wollen Richtung Little Wild Horse Window, doch das sagt mir Horst erst, als wir schon kurz vor dem Little Wild Horse Canyon sind. Na, tauschen wir halt die Reihenfolge, doch warum einfach, wenn es auch unheimlich kompliziert geht? Ok, ich bin ein Schussel, weil ich beim Abzweig von der Hauptstraße nicht den Tacho auf 0 gestellt habe, aber was danach kommt, spottet eigentlich jeder Beschreibung: Weil auf unserer Karte die Straße einen leichten Rechtsknick macht, folgern wir daraus, wir müssten irgendwann rechts abbiegen. Unterwegs treffen wir auf einen weiteren unschlüssigen Fahrer und sind uns nun auch total unsicher, wann man nun abbiegen muss. Um das genau herauszufinden, fahren wir zurück zur Hauptstraße, stellen dort den Tacho auf 0 und fahren wieder zurück in die Pampa. Da ich nun jede Bodenwelle per Handschlag begrüßen kann, stellen wir mit 70 Meilen pro Stunde auch gleich mal persönlichen Dirt Road Rekord auf. Wieder an der Ecke angekommen, wo eben noch der unschlüssige Fahrer im Zweifeln lag, biegen wir nun ab und schaukeln recht unbequem durch die Gegend, bis Horst der Geistesblitz trifft. Wer sagt denn überhaupt etwas von rechts abbiegen? Kann nicht genauso gut schräg links eine Straße abgehen und "geradeaus" ist leicht rechts? Mit dieser neuen Theorie erreichen wir unser Ziel.

Kurz hinter dem Parkplatz fallen leichte Tropfen, doch es handelt sich dabei nur um Panikmacherregen, soll heißen, die Wolke wollte nur Spaß machen. Wir lassen uns von so ein paar Tropfen nicht abschrecken. Slot Canyons sollen zwar bei Regen gefährlich sein, aber bei so wenigen Tropfen wird ja wohl kaum eine Gefahr bestehen. Da wird ja höchstens der Canyonboden ein wenig feucht. Man behalte diese naiven Gedanken bis zum Ende dieses Tagesberichts unbedingt im Hinterkopf!

Am Eingang zum Canyon wird gleich die Spreu vom Weizen getrennt. Wer hier über eine Felsbarriere kommt, der schafft auch den Rest des Canyons irgendwie. Rechts und links ragen hochinteressante Wände gen Himmel, fast wie eine riesige Tunneleinfahrt und so wird es dann auch irgendwann endlich. Nach 10 Minuten Langeweile folgen nun abwechslungsreiche Passagen, die eigentlich nur eines gemeinsam haben: Enge. Besonders Spaß macht es, sich um die mäanderförmigen Felsen zu schmiegen. Oft muss auch der Rucksack vor einem her getragen werden, wenn man seitlich durch den Spalt robbt.
An einer Stelle muss man sich wieder etwas klein machen und unter einen dicken Felsbrocken durchlaufen, der hier wohl mal von oben in den Canyon gefallen ist und nun wie ein Stopfen fest sitzt.
Überall rieselt Sand und unsere Schuhe passen sich innerlich schon der Umgebung an. Ich hoffe nur, die göttliche Putzkolonne spülen hier erst morgen früh wieder durch.

Auf dem Hinweg habe ich sehr oft angehalten, um ein Foto nach vorne, aber auch nach hinten zu machen. Beim Rückweg stehe ich deshalb immer wieder vor der Frage: Habe ich hier schon ein Foto gemacht? Und so wird halt noch ein zweites zur Sicherheit geschossen. Horst lernt jetzt den Klettverschluss meiner Hosentasche fürchten, denn dieses Geräusch bedeutet, dass ich mal wieder um 20 Sekunden zurückfallen werde.

Das noch ausstehende Little Wild Horse Window nehmen wir uns als nächstes vor. Horst glaubt, das Fenster von der Straße schon gesehen zu haben, nimmt aber zur Vorsicht das GPS noch mit. Durch einen ausgetrockneten Wash laufen wir auf unser vermeintliches Ziel zu, doch das ist irgendwie nur ein kleiner Felsspalt oben irgendwo im Gestein. Das eigentliche Fenster muss noch 300m weiter liegen. Also wieder durch den Sand des absolut trockenen Washs zurück und einen anderen Weg über die Berge gesucht. Mir macht der Auf- und Abstieg schon sehr zu schaffen, zumal es die Sonne wieder sehr gut mit uns meint. Horst tröstet mich noch damit, dass in der Ferne ein paar Wolken aufziehen, so dass ich quengelndes Kind gleich meinen Schatten haben werde. 15 Minuten sollte der Weg dauern und jetzt irren wir hier schon fast eine Stunde durch die Gegend. Eigentlich hatte ich geglaubt, wir hätten längst aufgegeben und wären zurück zum Auto. Als wir endlich das Fenster erreichen, ist mein erster Gedanke noch: Und dafür sind wir hier rauf gekommen?

Um bei Horst's Filmaufnahmen die Größe der aufgenommenen Objekte besser rüber zu bringen, hat er mich schon vorgeschickt, ich soll mich zum Größenvergleich in die Höhle stellen, als es gerade anfängt, leicht zu regnen. Ich sehe mich ein wenig in der Höhle um. In der Decke befindet sich ein unübersehbares Loch und ich bin zu Scherzen aufgelegt: "Schöne Höhle, aber als Regenunterschlupf wegen dem Loch nur bedingt geeignet. Da regnet es ja rein."

Der Regen wird stärker und vom Höhleneingang tropft das Wasser herunter, dass sich an der Oberfläche gesammelt hat. Es wird immer mehr, so dass sich sogar ein richtiger Wasserfall bildet. Horst ruft mir nur zu, ich solle mal ein Foto machen, während er filmt, als auf einmal ein kleiner Bach durch das Loch in der Decke gestürzt kommt. Erst nur in der Menge einer mittleren Dusche bei Rohrverstopfung, wird es immer mehr und noch mehr. Wo um alles in der Welt kommt dieses viele Wasser auf einmal her? So lange hat es doch gar nicht geregnet. Man darf gar nicht daran denken, wo wir jetzt wären, hätten wir zuerst das Fenster und danach den Little Wild Horse Canyon besucht. Welche Wassermaßen hier innerhalb kürzester Zeit zusammengekommen sind. Mit einem lauten Getöse rauscht die Fontäne zu Boden, wo sie schon eine richtige Kante in das Gestein gefressen hat. Ist mir eben gar nicht aufgefallen, aber jetzt wissen wir eindeutig, wie sie entstanden sein muss.

Das Loch in der Decke der Höhle

Das Loch in der Decke der Höhle

Das Loch in der Decke der Höhle, aus dem auf einmal ein mittlerer Bach stürzt.

Das Loch in der Decke der Höhle, aus dem auf einmal ein mittlerer Bach stürzt.

Wir warten den Schauer ab und auch, bis der Wasserfall wieder nachgelassen hat, bevor wir die schützende Höhle verlassen. Draußen hat sich die Landschaft sehr verändert. Eben noch haben wir einen schmalen Pfad neben einer Pfütze genommen, der nun in den Fluten des neuen Baches verschwunden ist. Hier heißt es entweder Schuhe aus oder vorsichtig über die glitschigen Slick Rock Felsen. Meine Erschöpfungserscheinungen von eben sind verschwunden, denn das alles hier ist einfach zu aufregend. Auf einmal sind Wasserfälle, Seen und Bäche, wo sonst nur nackter Stein zu finden ist. Von oben herab sehen wir in das Tal, durch das wir eben noch im staubtrockenen Sand gelaufen sind. Da unten hätten wir nun keine trockenen Füße mehr. Alle höheren Sandberge sind im Fluss versunken.
Ab sofort habe ich absoluten Respekt vor der Kraft der Natur. Dieser Nachmittag hat mir gezeigt, wie klein wir Menschen doch gegenüber Naturgewalten sind und ich bin froh, dass ich es in dieser Form erleben durfte. Ich bin tief beeindruckt und darf dies wohl auch in Horst's Namen sagen.

Der Rückweg zu unserem Auto stellt uns nun vor ungeahnten, aber nicht unlösbaren Problemen, denn auf einmal müssen wir uns noch über eine Flussquerung Gedanken machen. Gut, dass ich seit Grönland 2005 auf diesem Gebiet einige Kenntnisse habe. Ich werfe einen dicken Stein ins Wasser, der nun als Stufe dienen soll, doch leider versinkt er mit einem riesigen Platscher fast vollständig. Laie Horst läuft einfach ein Stück weiter am Fluss entlang und steigt bequem hinüber zum anderen Ufer. Grummel!

Das eben noch ausgetrocknete Flussbett, dass uns als Wanderweg diente, ist nun überflutet.

Das eben noch ausgetrocknete Flussbett, dass uns als Wanderweg diente, ist nun überflutet.

Ein weiterer Besuch einer Dirt Road fällt angesichts des wechselhaften Wetters aus. Wir sind froh, zur Abwechslung mal wieder über Asphalt dahin zu rollen. Wir hören unseren neuen Wegbegleiter, den Radio Sender "Canyon Country" und verarbeiten das eben erlebte.
In Moab stellt sich die Zimmersuche als etwas hartnäckig heraus. Die Motels, die ich vor Abflug aus dem Internet herausgeschrieben habe, weil sie nur 50$ die Nacht verlangen, sind entweder belegt oder wollen von solchen Preisen nie etwas gehört haben. Wir versuchen unser Glück noch im Apache Motel, doch auch hier sind alle Zimmer belegt. Sie könnte uns nur noch einen Trailer auf dem Hinterhof für 55$ anbieten. Wir willigen ein. Sicher kostet ein Zimmer im Motel normalerweise weniger, aber in ganz Moab werden wir wohl heute Abend nichts mehr für unter 70$ finden.
Der Trailer stellt sich als kleines Geschenk des Himmels heraus. Wir übernachten in einer voll eingerichteten Ferienwohnung mit richtiger Küche, Essecke, Wohnbereich, 2 Schlafzimmern und einem riesigen Badezimmer. So schlecht ist es in diesen Trailer Homes gar nicht, wie es vielleicht von außen aussehen mag.

Übernachtung: Trailer Home hinter dem Apache Motel - Moab, UT
Bewertung: sehr gut

© Markus Keune, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Für viele ist das Größte am Südwesten der USA der Grand Canyon, das Monument Valley oder die aufregende Stadt Las Vegas. All das haben wir auf unserer diesjährigen Tour mehr oder weniger links liegen gelassen. Wir wollten die kleineren Sehenswürdigkeiten erforschen, die unbekannten Highlights. Der Weg dorthin war nicht immer einfach und so kam zum Entdeckergeist auch eine gehörige Portion Abenteuer hinzu. Täglich waren wir auch abseits der Straßen unterwegs.
Details:
Aufbruch: 24.04.2006
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 11.05.2006
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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