Science&Travel - Drei Monate Oz

Reisezeit: Februar - Juni 2008  |  von Veit Nottebaum

Arrival: Sheoak Orchard - Ein Exkurs

Ich bin's mal wieder...

Auch wenn's ungewoehnlich hochfrequentiert erscheint, melde ich mich noch mal , um ein bischen mehr von den Ereignissen auf "Der Farm" mit Namen Sheoak Orchard zu berichten. Um vielleicht die permanenten Bewohner mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und etwas abseits meiner Reiseberichte etwas ueber meine Erlebnisse hier zu erzaehlen.

Ja, wie schon erzaehlt leben hier Mutter Janet (schaetzungsweise Mitte 50), als quasi "Baeuerin", was negativer klingt als es ist. Sie ist sehr herzlich, schaut hinter die Kulissn von dem, was die Medien einem vorspielen wollen, schmeisst den Haushalt und hat jede Menge Ideen, was ich tun koennte, was ich - als pflichtbewusster "German" (Zitat von Janet: "The Germans are good workers!"- auch sehr ernst nehme. Insgesamt ist sie "Herr" im Haus und hat den Laden mehr oder weniger im Griff.

An ihrer Seite wohnt, arbeitet und relaxt Sohn Kym (40). Mit ihm geht die Arbeit leicht von der Hand, wenn er auch manchmal etwas sehr zoegerlich agiert, was einen dann verwundert in die Weltgeschichte blicken laesst, weil man in Gottes Namen versucht irgendeinen von den Gedanken zu entdecken, die er da scheinbar gerade verfolgt. Er hat ein paar Semester Geologie studiert und ist sehr interessiert, was mein Praktikum angeht oder auch einfach in die Deutsche Sprache, Geschichte und Kultur! Hier in der Gegend gibt es eine Menge Orte deutschen Ursprungs, wie die Doerfchen Hahndorf, Lobethal oder Beerenberg. Insgesamt ein sympathischer Geselle, mit einem feinen Sinn fuer bissigen Humor!

Und als letztes... Ja... Jason... Er ist drei Jahre alt. Nun denkt man: "Na und?!" Joa, nix und... Eigentlich erinnert er vom Erscheinungsbild dem kleinen Jonas Joerres. Allerdings moechte ich diesem ein wesentlich friedvolleres Wesen attestieren. Hier ist nun leider anzumerken, dass Jason vor 2 Wochen seine Mutter Rachael durch Selbstmord verlor. Ich habe scheinbar einen sehr unguenstigen Zeitpunkt erwischt, mit dieser Familie den Alltag zu teilen. Rachael war Janets's Tochter und Kym's Schwester. Janet erzaehlte mir davon am ersten Abend und damit war ich natuerlich im Bilde aber nicht minder geschockt, von der Situation, in die ich da geworfen wurde. Man merkt auch keinem der drei das wirklich an, dass sie gerade in einer tiefen Trauerphase stecken muessen. Es wird ganz normal ueber Rachael gesprochen, ihr Auto umgemeldet und der Verkauf ihres Hauses geplant. Was in dem kleinen Jason vorgeht ist einfach kaum vorstellbar und sicherlich niemandem zu wuenschen!

Jason und Kym beim Versuch Traktor zu fahren... was gelang...

Jason und Kym beim Versuch Traktor zu fahren... was gelang...

Ich weiss nicht, ob sich sein Charakter in den letzten Wochen dermassen veraendert hat, was ihm nicht zu verdenken waere... Dass er das ganzen tonig-matschige Erdreich, was ich in den morgendlichen und abendlich KUEHLEN 27 Grad aus den "Postholes" (= Pfostenloecher fuer ein Gatter) rausgebuddelt habe, mit seinen kleinen Fuesschen und Haendchen wieder hineinschaufelt, kann man noch als kleinen Jungenstreich abtun, keine Frage. Wenn man ihm dann in gebrochenem Englisch ein Versprechen abringt, dies nie wieder zu tun und er es trotzdem tut, koennte man einen leichten Anflug von Missmut empfinden. Kommt er hingegen auf die Idee, mit Erdklumpen und gar Steinen nach einem zu werfen wird selbst der genuegsame Veit schon mal was lauter... Den Vogel hingegen schoss er heute ab:

(Pause - um ein wenig Spannung aufzubauen... Und wie is das Wetter so? Och joa, watt mutt, datt mutt, nae?!)

Was man nicht alles tolles machen kann, wenn man in nem Auto in bruetender Hitze auf den Fahrer wartet...

Was man nicht alles tolles machen kann, wenn man in nem Auto in bruetender Hitze auf den Fahrer wartet...

Ride Ride Ride - He's the Warlord of the Road...

Ride Ride Ride - He's the Warlord of the Road...

Schon mal nen elektrischen Rasierer in die Mikrowelle gesteckt? Jason duerfte jetzt ohne zu luegen, in seinem australischen Slang mit "YEA, I did..." antworten...

Und wem gehoerte dieser elektrische Rasierer der Marke Panasonic?

"YEA"... Mir!

Ich musste mir ja schon fast ein Lachen verkneifen... Janet und Kym versicherten mir gleich, dass ich den natuerlich wiederbekomme. Insofern ist mir, ausser einer eingeschraenkten Gesichtshygiene morgen frueh, kein wirklicher Schaden entstanden... Aber leck mich am Arsch dooo... Wie kann man nur?! und irgendwie kann man ihm das nicht 100%ig uebel nehmen, weil man einfach nicht weiss, was in ihm grade vorgehen muss...

Joa, vielleicht noch n bischen was zu mir? Heute wurde die Temperaturhoechstmarke von 37 Grad auch wieder ungefaehr erreicht, was dann ein Arbeiten von 8 bis halb 11 und ab 7 Uhr zulaesst. Da zwischen hat mich Kym nach Stirling mitgenommen (er war irgendwo anders zum Essen verabredet), dort hat er mich abgesetzt und ich hab mich im Supermarkt mit Erfrischungstrunk und Keksen versorgt, bin ein wenig rumgetigert und hab mich letztlich auf einer gemuetlichen Bank im Park nahe der Bibliothek von Stirling nierdegelassen. Dort verzehrte ich die letzten Kapitel des sehr zu empfehlnden Romans "Das Einstein-Projekt" (Nochmals Danke Jungs&Maedels, fuer eine wahrhaft grandiose Lektuere ueber Raum, Zeit, Raumzeit, Panik, und das tiefste Innere, was in uns allen schlummert!), sah bunten Papageien beim Starten, Landen und Radaumachen in den mich umgebenden Baeumen zu und genoss einfach so mal n bischen alles...

Kym rief mich dann irgendwann an und bot an, noch innen "Beergarden" zu kommen (worunter dasselbe zu verstehen ist, wie bei der offensichtlichen deutschen Uebersetzung!), was ich natuerlich dresiterweise dankend annahm. Gibts schoeneres als n Bier vor Vier? Es waren letztlich sogar zwei Bier vor Vier und die Rueckfahrt liess sich in dem diesmal klimatisierten kleinen Flitzer ueber die phaenomenale Landschaft auch blendend ertragen. Naja um 7 machte ich mich dann wieder an meine Postholes und als es dunkel wurde entschied ich mich fuers Aufhoeren, was letztlich ja das Schoenste am Arbeiten ist, nicht wahr?!

So, nun hab ich mal wieder schoen was ausgebreitet und habe Respekt, wenn ihr's soweit geschafft habt! Ich danke euch fuer euer Interesse und verbleibe, laechelnd aus der Ferne gruessend ein, sich auf die naechste Woche (dann auf dem Weg nach Melbourne) freuender, unrasierter aber frohgesinnter

Veit

© Veit Nottebaum, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am 28.2. Ankunft in Aidelaide, 4 Wochen Zeit um den Südosten (Melbourne, Canberra, Sydney und alles dazwischen :P) zu erkunden und ab dem 1.4. bei der "Australian Nuclear Science and Technology Organisation" (ANSTO) in Sydney ein wissenschaftlich-methodisches Praktikum zum Datieren von Gletscherablagerungen zu absolvieren und letztlich natürlich das (hoffentlich wirklich) einzigartige Flair Sydneys und des Südostens aufzusaugen!
Details:
Aufbruch: 26.02.2008
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 03.06.2008
Reiseziele: Australien
Der Autor
 
Veit Nottebaum berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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