Marokko

Reisezeit: April 2008  |  von Udo Pagga

Die schöne Malika

In einer seiner Erzählungen aus Marokko beschreibt Paul Bowles die Geschichte der schönen Malika. Sie ist blutjung, hat die Augen einer Gazelle und den Hals einer Lilie. Alle Männer drehen sich nach ihr um und sie weiß, dass sie schön ist. Es gibt in der Tat schöne Frauen in Marokko, oftmals ist ihre Schönheit aber mehr zu ahnen als zu sehen, versteckt unter Kopftüchern und kittelschürzenartigen Gewändern, oftmals schwarz, manchmal auch richtig bonbonfarben. Ältere Frauen tragen nicht selten einen Schleier vor dem Gesicht. Fotografieren lassen sich die wenigsten Frauen. Schon wenn sie eine Kamera von weitem sehen, drehen sie sich ab. Einige schöne Malikas im Suk von Fes ließen sich jedoch willig fotografieren, die Kleider- und Schaufensterpuppen, die so ganz anders aussehen, als ihre geleckten und gestylten Schwestern bei uns. Sie sind orientalischer, exotischer und rührend kitschig. In den engen, verwinkelten Gassen des Suk-Labyrinths bewegen sich nur Fußgänger, Lastenträger, Esel und Maultiere, deren Treiber mit dem Ruf "ballak" oder "attention" sich freie Bahn verschaffen. Die Gassen sind immer auf ein bestimmtes Handwerk oder Gewerbe ausgerichtet. Die Schmiede haben ihre Verschläge neben den Tuchhändlern, die Tischler neben den Lampenherstellern. Es gibt Schmuckgeschäfte, Schneider und Hersteller maßgeschneiderter Lederjacken. Das Leder wird im Suk gegerbt und gefärbt. Man sieht die Arbeiter von einer Terrasse aus, vor der Nase ein paar Pfefferminzblätter gegen den Gestank. Sie stehen bis zu den Knien in Bottichen mit farbiger, ätzender Brühe und kneten und walken das Leder. Dieser Beruf ist unendlich mühsam und gefährlich und es erfordert die Konstitution eines Kamels, um ihn ein paar Jahre ausüben zu können. Als Tourist wird man anschließend unweigerlich in die Schauräume zwangsgeführt und man kann sein Geschick im Handeln und Feilschen erproben, eine Kunst, die wir zum Glück in unserem Alltag nicht benötigen. Aber im Urlaub macht es Spaß, wenn am Ende beide zufrieden sind, der Sukkie, weil er mal wieder einem Touri viel zu viel abgeknüpft hat und der Touri, weil er den Sukkie durch hinhaltenden Widerstand an die Schmerzgrenze getrieben hat. In der Gruppe kann man aber dieses Erfolgserlebnis kaum erreichen. Man wird regelrecht durch die engen Gassen getrieben. Die Angst der Führer, jemanden zu verlieren ist augenscheinlich groß. Voran als Schäfer der kleine Mohammed, ein älterer Herr mit weißem Kapuzenmantel und roter Marokkofahne in der Hand. Er muss ein bekannter, verehrter Mann sein, weil ihm ab und zu von einem Bekannten die Stirn geküsst wird. Am Ende sein Hütehund, ein etwas vierschrötig aussehender Geselle, der die Herde antreibt, zusammen hält und verlorene Schafe zurückbringt. Im Hof der wunderschönen Medrese, der alten Koranschule, standen dann Herr und Helfer und hielten sich lange, lange und sehr innig die Hand. Anstelle des Mittagessens mit der Gruppe in einem romantischen Exklusivrestaurant zog ich es vor mit einem Taxi zum Friedhof zu fahren. Der Taxifahrer war unzufrieden, weil der Weg recht kurz war. Er wollte mich gleich wieder weg bringen und warnte mich eindringlich davor, allein an diesem einsamen Ort zu bleiben. Ich habe es dennoch gewagt und bin durch einen schönen Blick auf die Altstadt und den Anblick vieler Gräber entschädigt worden. Statt eines Räubers kam ein Friedhofarbeiter auf mich zu und küsste mir, ehe ich mich versah, die Hand. Die Gruppe fand ich wieder auf den Champs Elysées von Fes, der Prachtstrasse die entweder Boulevard Hassan II oder Mohammed V heißt, wie alle Prachtstraßen in Marokko. Die Palmen sind schön und der Springbrunnen ist schön, aber die elyseischen Felder sind mir schon deshalb lieber, weil man dort problemlos ein überteuertes Bier trinken kann, anstelle des preiswerten süßen Pfefferminztees.

© Udo Pagga, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Rundreise Marokko
Details:
Aufbruch: 07.04.2008
Dauer: 12 Tage
Heimkehr: 18.04.2008
Reiseziele: Marokko
Der Autor
 
Udo Pagga berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.