Marokko
Von Schlucht total zu total schlecht
In Tenhire leben Tuaregs. Man erkennt sie als Tourist üblicherweise nicht, weil sie weder die typischen indigoblauen Gewänder tragen noch die Gesichtshaut zum Schutz gegen Sonne und Mücken blau gefärbt haben. Und sie treiben auch keine Kamele mehr durch die Wüste, sondern treiben eifrig Handel und benutzen dauernd ihre Laptops und die Handys. Die heutigen Tuareg sind Großhändler, die von den Berbern Schmuck und Teppiche billig einkaufen und an die Geschäftsleute in Marrakesch und Casablanca weiter verkaufen. Logisch, dass bei den Tuareg billiger und besser eingekauft werden kann, als in den fernen Großstädten. Logisch dass die Gruppe ihren Bedarf an Teppichen hier deckte.
Allerdings unlogisch für mich, ich brauche keinen Teppich und gehe stattdessen durch den Ort, zu den Metzgern, die Rinderköpfe und Schafsfüße auf den Tresen oder den Fußboden gelegt haben, umrahmt von Ziegenköpfen, Gedärmen, Mägen, Hoden und anderen leckeren Dingen, zu den Tischlern, die Holzberge vor ihren Geschäften liegen haben und zu den Schlossern, die auf der Straße Türrahmen schweißen. Einer der Schlosser bittet mich um ein Foto und schreibt mir etwas mühsam seine Adresse auf. Zur vereinbarten Abfahrtszeit gehe ich der Gruppe entgegen, die immer noch im Teppichladen herumfeilscht. Ich gehe hinein - und zusammen mit den anderen und mit einem schönen rot-weißen, professionell zusammengerollten Berberteppich wieder hinaus.
Der Bus bringt uns zur Todraschlucht. Hohe Berge links und rechts, in der Mitte der Fluss, der das ganze Jahr über Wasser aus dem Atlasgebirge in die Wüste bringt. Es ist Sonntag und viele Einheimische vergnügen und entspannen sich im angenehmen Dauerschatten der Schlucht. Eine Musikgruppe zieht durch das Tal, im Fluss werden Teppiche gewaschen und mindestens fünf Schulklassen haben sich in Reihe aufgestellt und warten auf den Abmarsch. Als ich ein Bild von dieser Szene mache, hebt ein Mädchen demonstrativ einen Stein auf, ohne ihn jedoch zu werfen. Das Fotografieren von Frauen ist eine Sache für sich, in diesem Land.
Als wir diese "Schlucht total" verlassen, verändert sich unsere Situation nach einigen Kilometern in "total schlecht", weil der Motor des Busses zu stottern anfängt und schlileßlich stehen bleibt. Alle Versuche des Fahrers ihn zur Weiterfahrt zu bewegen scheitern und auch der Mechaniker, der sehr rasch eintrifft, ist machtlos. Redouan hat per Handy Taxis geordert. Fünf alte Mercedes Diesel, die Standardtaxis für den mittelweiten Reiseverkehr in Marokko, bringen uns die restlichen 120 Kilometer nach Ouarzazate zurück. Eine schöne Fahrt in eine friedliche Abendstimmung, eine Wüstenlandschaft im warmen Licht, herrliche Wolken und der Beginn einer orientalischen Nacht. Es war schön und richtig, den Blick auf dieses Szenarium zu richten, weil der Blick zum Fahrer, einen grausen ließ. Einige waren total übermüdet und drohten einzuschlafen, der kleine Konvoi schlich am Ende der Reise nur noch lahm dahin, statt zügig zu fahren. Zum Glück kamen aber alle wohl behalten im Hotel an. Insofern hat der Ausflug zur Schlucht total dann doch nicht total schlecht geendet.
Aufbruch: | 07.04.2008 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 18.04.2008 |