Marokko
Die Augen von Marrakesch
Nicht nur die Stimmen von Marrakesch, die Elias Canetti verewigt hat, auch die Augen von Marrakesch sind erwähnenswert. Auf dem berühmten Platz der Getöteten, dem Jamaa al Fna, bieten Märchenerzähler, Wahrsagerinnen, Hennamalerinnen, Orangenauspresser, Dattelverkäufer, Schneckensuppenköche, professionelle Glücksspieler und zahlreiche Gaukler ihre Dienste an. Schlangenbeschwörer wollen einem unbedingt eine Schlange um den Hals legen und feuern ihre hoch aufgerichteten, zischenden Kobras an. Affenbesitzer meinen, dass sich jeder freut, der einen Affen auf die Schulte gesetzt bekommt und die malerischen Wasserverkäufer aus dem Rif-Gebirge wollen den Touristen garantiert kein Wasser verkaufen. Aber alle wollen für ihre strapaziösen Dienstleistungen adäquat entlohnt werden, möglichst in Euro.
Das gilt auch für die weiß gekleidete Trommlergruppe, die voll Inbrunst ihre Instrumente malträtieren und wild tanzen. Sie werden zur Gaudi des Publikums von ihrem Anführer, einem älteren Mann, mit einem Lederriemen heftig auf den Rücken und den Hintern geschlagen. Daneben schlagen andere Akrobaten pausenlos Saltos und bilden lebende Türme. In einer Bauchtanzgruppe werben drei Suleikas in malerischen Wüstentrachten um Aufmerksamkeit, indem sie verführerisch mit den Hüften und dem Po wackeln und mit ihren tiefen Blicken alle sinnlichen Freuden des Orients verheißen. Nur ihre schön bemalten Augen sind zu sehen, der Kopf ist von einem farbenfrohen Kopftuch mit Goldmünzen, der Rest des Gesichtes von einem schwarzen Schleier bedeckt. Wie alle Gaukler sehen diese Augen aber vor allem, ob man seinen Obolus entrichtet hat, besonders wenn man die Kamera zückt. Die eine Suleika machte mir mit ihrer angenehmen Stimme klar, dass das Recht am Bild immer wieder erneuert werden muss. Nur das wichtigste beim Bauchtanz, den schön geformten, nicht zu mageren Bauch, die üppigen Hüften und die noch üppigeren, wogenden Brüste sah man nicht. Bei Allah - Suleika, Fatima, Aischa, wie schön eure Augen auch sind, mit diesen Attributen könnt ihr nicht protzen, weil ihr in Wahrheit Mohammed, Ali und Achmed heißt.
Es sind aber nicht nur die sinnlichen Augen, die einen in Marrakesch ständig anschauen. Fast überall, nicht nur auf dem Jamaa al Fna, wird man beobachtet. Mir kam es vor, als ob ganz Marrakesch nur mich im Visier hatte und wissen wollte, ob ich mich anschickte ein Foto zu machen, um mir dann entweder klar zu machen, dass ich Dirhams an das Objekt meiner Gier zu entrichtet habe oder um mir zu bedeuten, dass dieses spezielle Motiv absolut nicht aufgenommen werden darf. Verbotene Objekte sind Friedhöfe und Innenräume von Moscheen, die man ohnehin nicht betreten darf. Mal verboten, mal zahlungspflichtig sind generell Menschen, vor allem Frauen. Aber trotz der tausend Augen ist Marrakesch eine schöne und interessante Stadt, nicht nur die Altstadt mit ihren Gassen und den Suks, nicht nur die langen Stadtmauern, die prächtigen Stadttore, die eindrucksvolle Medresa, die bedeutenden Moscheen, die wunderschönen, reich geschmückten Gräber der Saadierkönige oder der alte Königspalast, auch die Neustadt, die nicht von Touristen beherrscht wird, ist sehenswert. Ein besonderer Platz in der Neustadt ist allerdings fest in der Hand der Touristen, der Majorellegarten, ein Kleinod mit vielen Pflanzen und tiefblau gefärbten Mauern. Bänke im Schatten exotischer Bäume laden zum Verweilen und Entspannen ein, Brunnen plätschern leise und sanfte Musik im Äther schickt einen in die tausend und erste Nacht.
Aufbruch: | 07.04.2008 |
Dauer: | 12 Tage |
Heimkehr: | 18.04.2008 |