Lima, Peru und wer weiss, wo sonst noch...
Die Medizin in dem Dorf
Zur gleichen Zeit wie ich befand sich noch ein anderer Voluntario in San Martin, der ebenfalls aus Deutschland stammt. Ich war sehr froh darueber. Die Einwohner verstand ich meist erst nach zweimaligem Nachfragen. Haeufig merkte ich, dass sie ueber mich sprachen und sich wahrscheinlich darueber austauschten, wie seltsam ich dies oder jenes machte. Tlw. lachten die Frauen oder Kinder ueber mich. Ich fuehlte mich fremd und bekam Heimweh, ueberlegte sogar, den Ort frueher als geplant zu verlassen. Da war es eine wirkliche Erleichterung, zwischendurch einmal deutsch sprechen zu koennen und mich ueber meine ganzen Eindruecke zu unterhalten, ohne dass ich einem verstaendnislosem Blick begegnete. Mein Kollege war allerdings Gast eines anderen Vereins, der sich nicht mit meinem verstand. So schien meine Familie am Anfang, als sie ihn noch nicht persoenlich kannten, so einiges zu unternehmen, um mich davon abzuhalten, mit ihm zu kommunizieren. Darauf reagierte ich, Freiheit und Unabhaengigkeit liebend und gewohnt, recht allergisch. Wir fuehlten uns ein wenig wie Romeo und Julia, allerdings ohne Liebesbeziehung, obwohl alle, die uns kannten, darauf zu warten schienen.
Als der Praesident meiner Organisation und Familienvater meiner Gastfamilie nach einigen Tagen aus der Stadt Iquitos zurueckkehrte, hatte er einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Ich war gerade dabei, den Kindern einige Yoga-Uebungen zu zeigen. Sie fanden das sehr lustig, allerdings auch nicht seltsamer, als Englischunterricht zu bekommen.
Der Mann konnte kaum atmen und musste sich setzen. Er schrie vor Schmerzen. Die Behandlung seiner Frau, mit Hilfe einer Kerze und einem Glas "Luft" aus dem Koerper zu ziehen, schien nicht zu helfen. So fuhren wir abends als es schon dunkel, war mit dem Boot ans Ende des Dorfes zu einer Medizinfrau. Verschlafen holte sie eine Fluessigkeit. Diese behandelte sie mit dem Rauch einer Zigarette aus dem puren Tabak, der in dem Dorf waechst. Danach behandelte sie den Mann indem sie konzentriert Rauch auf verschiedene Koerperteile bliess. Dabei rieb sie ihn mit der Fluessigkeit ein.
Ich hatte meine Schuhe vergessen, so dass kein cm meiner Fuesse ohne Mueckenstiche blieb. Trotzdem verfolgte ich das Geschehen gespannt. Am Ende nahmen alle einen Schluck der bitteren Fluessigkeit ein.
Mit puren Pflanzen wird geheilt, versicherte mir der Patient stolz.
Sein Schmerz hielt trotzdem an. Er erzaehlte mir dass die Schamanin, nachdem wir zurueckgekehrt waren, die ganze Nacht weiterarbeitete und ihn nur so vor dem Sterben bewahrt habe.
Da sich sein Gesundheitszustand in den naechsten Tagen nicht zu verbessern schien, reiste ein anderer Schamane aus Iquitos an. Von da an gab es fast jeden Abend Heilungszeremonien, bei denen ich Zeugin wurde. Nach ein paar Tagen ging es dem Mann etwas besser, s. d. er nur hin und wieder vor Schmerzen zusammenzuckte. Nach einer weiteren Woche ging es ihm so gut, dass er wieder an dem normalen Familienleben teilnahm und seine Rolle als Familienoberhaupt erfuellte. Zum Fischen war er allerdings noch nicht fit genug.
Die "Diagnose" des Schamanes war ein Fluch eines dicken schwarzen Mann, den eine andere Frau, eine Bekannte von ihm in Auftrag gegeben hatte. Dies habe er waehrend einer Zeremonie gesehen.
Ich weiss wie so haeufig hier in der Selva nicht, was ich glauben soll. Was ist wahr? Was ist Aberglaube? Wenn es Aberglaube ist, wo ist der Unterschied zwischen Glaube und Aberglaube? Und was ist der Unterschied zwischen Glaube und unserer Wissenschaft? Was waere die klinische Diagnose gewesen? Waere der Mann vielleicht auch ohne den Schamanen wieder auf die Beine gekommen? Oder vielleicht wirklich gestorben?
Irgendwann werd ichs hoffendlich rausfinden...
Aufbruch: | 11.01.2005 |
Dauer: | 10 Wochen |
Heimkehr: | 23.03.2005 |