Einhandsegeln zum Weichseldelta und zurück
Flugs entlang der pommerschen Küste
Zwei Tage vor dem erneuten Start eine böse Überraschung: Mein Mitsegler muß ganz absagen. So schnell finde ich keinen neuen, also werde ich allein lossegeln, mir dabei aber den Umweg über Bornholm und Schweden sparen.
Nun ist defensives Alleinsegeln nötig, Petrus hat zwar den Ostwind abgestellt, aber was nun mit westlichen Winden im Wetterbericht angesagt wird, beunruhigt mich doch: Auf dem Weg von Kühlingsborn nach Darßer Ort, wo ich abends ankern will, höre ich von einem Sturmtief, das von Cornwall kommend morgen früh schon in Jütland sein soll. Noch ist Flaute, aber morgen soll es bis zu 9 Beaufort aus Nordwest geben. Da bleibt nichts anderes übrig als schleunigst zu flüchten. Nach 56 Meilen bin ich abends in Barhöft in Sicherheit, bekomme aber schon beim Ankern einen Vorgeschmack auf das, was kommen soll.
Am nächsten Morgen hat sich der Wetterbreicht bestätigt: Wolkenfetzen jagen über den Himmel, eine Schauerböe zerrt an der Ankerkette. Von Sonne keine Spur mehr.
Doch im Landschatten wage ich es, nur mit der Arbeitsfock, bis Stralsund weiterzusegeln. Das geht sogar besser als erwartet, so dass ich noch durch die Ziegelgrabenbrücke gehe und mir im Strelasund, möglichst hinter einem Waldstück, einen halbwegs ruhigen Ankerplatz suchen will. Mit der Seekarte auf dem Knie und der Hand fest an der Pinne glaube ich, gut vorbereitet zu sein, da muß doch ausgerechnet 100 Meter vor meinem Ankerplatz eine Schauerböe mit voller Wucht hereinhauen. Ich luve zum Ankerwerfen an, setze den Autohelm auf die Pinne zum Kurshalten und krieche nach vorn zum Ankerwerfen. Alles klappt wie vorgesehen, aber als ich den Autohelm wieder von der Pinne nehme, spielt das gute Stück verrückt, die Elektronik ist am Ende.
Das ist zum Beginn des Urlaubs eine üble Panne, aber ich habe ja noch einen Reseveautohelm, dann wird es wohl auch einhand noch weiter gehen. Dennoch schmeckt mir heute abend das Abendessen nicht so gut wie sonst, ich wirke angeschlagen, obwohl es nur die Ausrüstung ist.....
Trotz Abdeckung wird es eine unruhige Nacht, und am nächsten Vormittag, es ist Dienstag, der 24.6. ist die Hölle los. Was bin ich froh, dass mein Anker hält, es bläst in den Böen mit satten 10 Windstärken, da bleibt nur, Stilliegen und Abwarten.
Mittags sieht es schon besser aus, immer noch Windstärke 6 bis 7, aber Sonne satt und ein Wetterbericht, dem ich vertraue:langsam nachlassend 4 bis 5. Da kann man doch lossegeln!
Man kann, sogar ausgezeichnet, denn durch die Boddengewässer Ost bläst es schön von hinten und hinter Ruden wird die See glatt und ich kann mit einer herrlichen Backstagsbrise im Landschatten von Usedom entlanggleiten. Bis Swinemünde würde es zu spät werden und auch zu anstrengend, weil ich dem Autohelm das Steuern noch nicht überlassen kann, also lege ich mich bei Koserow zwischen Uferbefefestigung und Kurstrand auf 3,20 m Wassertiefe vor Anker. Ich bin selbst erstaunt, wie gut man hier liegt und erlebe einen ersten Höhepunkt dieser Reise bei einem goldenen Sonnenuntergang.
Wie schnell ein Sturmtief doch verschwinden kann. Heute ist Flaute, und die ist auch angesagt. Da ist es das Beste, nach Swinemünde zu motoren. Vielleicht kann man dort den Autohelm reparieren lassen. Erstaunt bin ich über das schöne neue Waschhaus in der Marina aber auch über die Liegegebühren, die kräftig angezogen haben.
Ich decke mich mit frischem Proviant vom Markt ein, kaufe noch etwas Werkzeug und lausche dem Wetterbreicht für morgen: Südwest um 5, Schauerböen. Man kann nicht alles haben, aber fast alles, mir kommt's gelegen, denn ich will weiter nach Dievenow, dem östlichen Mündungsarm des Oderhaffs zur Ostsee.
170 Meilen entlang der Küste liegen vor mir. Die Küste wird sich nicht viel ändern, allenfalls das Wasser davor, wenn der Wind zunimmt......
Der Weg "außen herum" über die Ostsee ist näher, auch wenn der Wind zwischen 2 und 6 wechselt. Ich muß häufig das Ein - und wieder Ausreffen üben und nach jedem Schauer bestätige ich mir, das das Einreffen doch verdammt notwendig war. Die 19 Meilen bis Dievenow segle ich in 6 Stunden, nicht gerade eine Glanzleistung, aber dafür durfte auch der Autohelm häufig das Ruder übernehmen.
In Dievenow kann man noch frische Schollen direkt beim Fischer kaufen, das nutze ich aus und gönne mir eine große Fischmahlzeit. Morgen soll das Wetter etwas ungemütlicher werden.
27.6.08 Ostnordostwärts 33 Meilen soll es bis Kolberg gehen. Jetzt stünde kein Binnenweg als Alternative zur Verfügung, also muß ich durch. Die Schauer sind heute seltener, dafür aber heftiger und sehen bedrohlich aus, wenn sie heranjagen. Mitten in den stärksten Böen wechselt mitunter der Wind, so dass ich halsen muß und ausgerechnet bei der Ansteuerung der Mole von Kolberg muß es so gießen, dass ich nur wenige Meter weit sehen kann. Gut, dass mir mein GPS und die Funkuhr genau anzeigen, welchen Kurs ich steuern muß und wie lange ich noch brauche, um anzukommen.
Das Ausklinken des Spinnakerbaums der Genua vor dem Kurswechsel in den Hafen wird ein kniffliges Manöver, bei dem mir auch noch das Regenwasser vom Ölzeug in die Stiefel laufen muß. Bei der Ankunft im Yachthafen schüttet es von neuem, so dass ich auf einen Landgang ganz verzichte.
Der Wetterbericht für morgen sieht ähnlich aus, also geht's gleich weiter, wieder 33 Meilen nach Darlowo.
28.6.08 Heute kann ich dem Autohelm nichts mehr überlassen, denn es hat sich eine hohe See aufgebaut. Ich surfe auf den Wellen, was zunächst ein sportliches Vernügen ist, beim "Schmetterlingsegeln" aber manchmal recht mulmig wird, wenn eine Patenthalse droht. Dafür ist dass Tempo berauschend: 5,6 Knoten im Durchschnitt. Das Wegnehmen des Spinnakerbaums vor der Mole von Darlowo kann ich Gott sei Dank im Wind- und Wellenschatten eines großen holländischen Baggers machen. Als ich anschließend aufs Echolot sehe, sträuben sich mir die Haare: Nur noch 2,20 m Wasser unter dem Schiff, bei Wellen von 1,50 m Höhe! Doch ich komme heil in den Hafen und erwische sogar punkt 17 Uhr noch die Brückenöffnung zum Binnenfleet, in das dann endlich kaum noch Schwell hineinkommt.
Rund um die Uhr alle volle Stunde wird die Brücke zum Binnenfleet in Darlowo geöffnet. Dahinter ist eine kleine Marina mit sehr sauberen Duschen.
Der Landgang zwischen zwei Schauern dient dazu, von der Mole aus meine morgige Route auszuspähen. Es bläst kräftig, mindestens mit 6 Bft, wenn auch ablandig etwas mehr aus Süden. Das könnte morgen unfreiwillig ein Hafentag werden....
29.6.2008, 6.40 h Seewetterbericht im Deutschlandradio auf 177 KHZ. So schlecht siehts heute doch nicht aus. Nachts ist ein Regengebiet durchgezogen, es ist wärmer geworden, sogar Sonne kommt vor, nur die Windwarnung ist noch nicht zurückgenommen. Aber das kann eigentlich ja nur eine Frage der Zeit sein. Ich segle trotzdem los, das Reff von gestern ist noch im Großsegel und bleibt auch drin. Es wird wieder ein toller Ritt auf den Wellen, und bei Raumschotskurs hat man das Boot auch besser im Griff. Der nächste Hafen, Ustka, ist nur 22 Meilen weiter, das ist mir für heute zu wenig, ich setze gleich den Kurs auf den übernächsten Hafen, Leba, ab. Das werden dann aber 48 Meilen und wieder platt vorm Laken, Schmetterlingskurs also. Der Wind legt auf satte 5 Bft zu, Segeln pur, aber anstrengend, besonders mittags in der prallen Sonne und erst recht, wenn die Blase drückt und man nicht von der Pinne wegkommen kann.
8 drei viertel Stunden muß ich aushalten, dann kommt wieder das gewagte Manöver zum Einholen des Spinnakerbaums. Dieses Mal mogle ich mich haarscharf um die Mole von Leba herum, um in deren Windschatten nach vorn zu preschen. Gott sei dank kein Gegenverkehr, auch dieses Manöver gelingt wieder. Dann kommt das Einlaufen in einen der schönsten Yachthäfen, die ich kenne: Von Kiefernwald umgeben, es duftet nach Harz und von ferne hört man das Rauschen der Brandung, im Hafen selbst dagegen liege ich absolut ruhig, und das schon um 17 Uhr. Selten hat mir das Festmach- oder Ankerbier so gut geschmeckt wie heute.
30.6.2008. Der Wetterbericht gefällt mir immer besser, nur die Windwarnung bleibt bestehen. Trotz minimaler Luftdruckgegensätze, eigentlich nicht zu erklären, vielleicht macht's die Thermik bei soviel Sonne. Das sollte ich ausnutzen, also starte ich wieder morgens um 8.30 Uhr. Sogar den Autohelm- Reserve- kann ich nutzen, das Reff herausnehmen und hochrechnen, dass ich nach 33 Meilen heute gegen 17 Uhr in Wladyslawowo sein werde. Unterwegs kann ich meine Hochrechnung immer wieder nach unten korrigieren, der Wind schiebt kräftig genau von achtern, längst muß ich wieder selbst steuern. Schließlich sind alle Speedanzeigen unter 6 Knoten mir schon fast zu langsam, dumm nur, dass auch die Dünung immer höher wird.
Dann kommt der nördlichste Punkt der polnischen Küste, den ich runden und dann anluven muß. Wie jetzt den Spinnakerbaum einfangen ? Mehrere Versuche enden in Patenthalsen, weil der Autohelm überfordert ist und weil ich nicht die Kraft habe, den Schnapper am Spinnakerbaum aufzukriegen. Dazu ein schmerzhafter Druck auf der Blase - es bleibt nur eins, seewärts in den Wind zu gehen, nach vorn zu turnen, um es erneut zu versuchen, denn vorher kann ich die Genua nicht einrollen. Es gelingt mit einigen Blessuren, aber als ich dann raumschots nur mit Großsegel auf Wladislawowo zuhalten will, merke ich, dass ich noch weit mehr reffen muß. Das Boot fährt nur noch in eine Richtung, senkrecht aufs Land zu, also habe ich keine Chance, erst in den Landschatten zu segeln und dort zu reffen, nein, es muß sofort sein. Mit ein paar weiteren Blessuren gelingt auch das, und als ich die Pinne wieder selbst übernehme, stelle ich fest, dass die Schubstange des Autohelm von der Pinne eingedrückt worden ist. Nun ist also der zweite Autohelm am Ende - keine guten Aussichten für die Rückfahrt.
10 PS Motorkraft reichen am Ende nur knapp, um gegen den Wind in die Hafeneinfahrt von Wladyslawowo zu kommen, aber als ich dann bereits um 15 Uhr an der Pier liege, bin ich zwar geschafft, aber heilfroh. Morgen nehme ich mir einen Hafentag vor, egal wie günstig der Wind sein wird.
Abends kommen noch mehrere geschundene Segler herein, denen es auch nicht gut ergangen ist, zumal sie gegenan mußten, von Hel, Gdynia und eine Yacht von Ventspils. Wir veranstalten gemeinsames Wundenlecken, sie wollen zeitweise 8 Bft gemessen haben, in Böen noch mehr und sie stehen unter Zeitdruck. Ich merke, dass ich es eigentlich noch am besten hatte. Die andern haben 170 Meilen Westkurs vor sich und fragen mich, wann denn endlich wieder Ostwind kommt. Begierig sind alle auf den Wetterbericht um 21.05 h auf 177 KHZ im Deutschlandradio.
Und da wird das Wunder versprochen, allerdings nur in den weiteren Aussichten: östliche Winde um 3, zunehmend 4 bis 5. Ich werde zum Bier eingeladen, hole mir kaltgeräucherten Lachs vom Kiosk und fühle mich eigentlich wieder ganz wohl.
1.7.2008 Wenn wirklich Ostwind droht, dann kann ich mir keinen Hafentag leisten, also laufe ich auch heute wieder um 8.30 Uhr aus, der nachlassende Wind machts möglich. Aber im Schwell entlang der Halbinsel Hel auch bei leichten Wind die Pinne nicht verlassen zu können, das nervt. Und wieder drückt die Blase. Bei Lands End bleibt der Wind zeitweise ganz weg, dreht erst auf Nord, dann auf Ost. Keine Minute später hätte ich hier sein dürfen ! Um 14 Uhr ist mir Hel noch nicht weit genug, also halte ich mit halbem Wind gleich auf die Weichselmündung zu.
Wladyslawowo war einmal der größte Fischereihafen in Polen. Heute ist er auf die Fangquoten zusammengeschrumpft und bietet für Sportboote viel Platz.
Aufbruch: | 04.06.2008 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 31.07.2008 |
Polen