Einhandsegeln zum Weichseldelta und zurück

Reisezeit: Juni / Juli 2008  |  von Manfred Sürig

Zu zweit nach Elbing und Danzig

In Danzig sind inzwischen meine Autohelme fertig und abholbereit, das gibt Anlaß für einen Reisetag nach Danzig mit Stadtbummel.

Freitag, den 12.Juli 2008 trifft dann Horst, mein erster Mitsegler für die Rückreise ein. Dass wir nicht über den Binnenweg würden fahren können, kann ich ihm überzeugend von der Weichselbrücke in Tczew klarmachen, als ihm erstaunt die Bemerkung "das bißchen Weichsel ?" entfährt.
Statt dessen erkunden wir Historisches per Boot. Nach einer ausgiebigen Besichtigung der Marienburg geht es wieder nach Elbing, und wenn wir schon nicht mit dem eigenen Kiel den oberländischen Kanal befahren können, dann machen wir es wenigstens mit dem Ausflugsschiff.
Eine Wasserstraße, die keine Schleusen hat. Statt dessen werden die Schiffe auf Schrägaufzügen über beträchtliche Höhenunterschiede gezogen.

Die Räder sind große Umlenkrollen für das unter Wasser laufende Seil, mit dem gleichzeitig jeweils ein Schiff bergauf und ein anderes bergab gezogen werden kann.

Die Räder sind große Umlenkrollen für das unter Wasser laufende Seil, mit dem gleichzeitig jeweils ein Schiff bergauf und ein anderes bergab gezogen werden kann.

So wurde vor fast 300 Jahren eine Verbindung zwischen der Ostsee und den masurischen Seen hergestellt. Heute steht sie unter Denkmalschutz und ist sogar ins Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen. Hier kann man ausgetüftelte Mechanik bewundern, und die Kommunikation des Personals erfolgt per Hammerschlalg auf einen gußeisernen Gong.
Auch Sportboote können hier fahren, aber meine ETAP 22 ist schon zu groß, wegen des Tiefgangs von 1,30 m. Für alle Touristen ist der Kanal ein Muß. Er ist seit kurzem liebevoll restauriert worden und zu einem Vorzeigestück des polnischen Ostpreußen geworden.

Auf Gongschlag wird gestartet, früher mit Pferden, heute mit Dieselantrieb

Auf Gongschlag wird gestartet, früher mit Pferden, heute mit Dieselantrieb

Die Wasserwege im westlichen Ostpreußen: Links oben die Weichselmündung mit 3 Öffnungen zur See, rechts oben das Frische Haff, in das man entweder von der unteren Weichsel durch die Skarpawa/Königsberger Weichsel kommt oder von Südwesten über die Nogat. Von der unteren Nogat über Elbing nach Süden führt der Oberländische Kanal zu den Seen Masurens mit zahlreichen Verzweigungen.

Die Wasserwege im westlichen Ostpreußen: Links oben die Weichselmündung mit 3 Öffnungen zur See, rechts oben das Frische Haff, in das man entweder von der unteren Weichsel durch die Skarpawa/Königsberger Weichsel kommt oder von Südwesten über die Nogat. Von der unteren Nogat über Elbing nach Süden führt der Oberländische Kanal zu den Seen Masurens mit zahlreichen Verzweigungen.

Zurück geht es nun auf demselben Weg, den ich zuvor allein gefahren bin, dieses Mal spiele ich den Fremdenführer und Horst vertraut sich meiner inzwischen profunden Ortskenntnis an. Nur die Schleuse Przegalina wollen wir uns ersparen,um nicht ein letztes Mal den Mast legen zu müssen.
Statt dessen nehmen wir uns den Weichseldurchstich vor, sicher eine navigatorische Delikatesse, steht doch in der Seekarte, dass die Weichseleinfahrt nur mit guter aktueller Ortskenntnis befahren werden sollte. Die müssen wir uns erst noch verschaffen.

Hier hat die Seilfähre Vorfahrt

Hier hat die Seilfähre Vorfahrt

So laufen wir abends einen kleinen Hafen in Swibno an. Dort führt die letzte Fähre über den Fluß, an einem Seil hängend und von einem Schlepper längsseit über den Fluß geschoben. Am Anleger ein Denkmal von 1995 "100 Jahre Weichseldurchstich".

Von dort aus gehen wir zu Fuß weiter nach Norden, kommen ab und zu wieder an die Weichsel, aber bis zur Mündung, die sich jedes Jahr ein paar Meter weiter in die Ostsee schiebt, kommen wir vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr. Der Bau dieses Durchstichs muß vor 113 Jahren eine ebenso große Aktion wie der Bau des Nord-Ostsee-Kanals gewesen sein.

Blick vom Westufer des Weichseldurchstichs nach Norden auf die Ostsee

Blick vom Westufer des Weichseldurchstichs nach Norden auf die Ostsee

Schiffahrt findet hier überhaupt nicht statt, die Fischer jedenfalls vertrauen darauf und haben Stellnetze quer duch den Fluß gezogen, im Hafen hat uns ein Segler davor schon gewarnt.
Mit gutem Ausguck vom Vordeck kommen wir aber ohne Kollisionen durch alle Netze bis zur eigentlichen Mündung, an deren Ostufer sich Brandung auf schneeweißen Sandbänken bricht. Am GPS lese ich ab, dass wir einen kräftigen Schub mit der Strömung bekommen und weil das Wasser 3,20 m tief bleibt, scheint es richtig zu sein,am Westufer zu bleiben und auf die weit draußen liegende Ansteuerungstonne zuzuhalten.
Kurz davor endlich wird es tief und wir können endlich wieder Segel setzen. In umgekehrter Richtung stelle ich mir das Einlaufen aber komplizierter vor, aber will man ohne Mastlegen nach Elbing kommen, ohne durch russisches Gebiet durchs frische Haff zu fahren, dann muß man diesen Weg wählen.
Ich frage mich nur, was da der frisch gebaute Roll-on-Roll-off-Terminal in Elbing soll.
Nun kann ich Horst auch noch das Segelsportzentrum zeigen, die Pontonbrücke bei Sobieszewo und den Yacht Klub Polnocny, wo mir so entscheidend geholfen wurde.

Dann geht's nach Danzig, wo wir zu zweit tagelang die Sehenswürdigkeiten erkunden: das Krantor, zu dessen Füßen wir in der Marina liegen, das Solidarnosc-Denkmal, das Kloster in Oliva, die Brigittenkirche und die Altstadt. Als Horst am Samstagabend seinen Bus nach Dortmund besteigt, hat er in kürzester Zeit sehr viel gesehen, ist aber kaum gesegelt.

Deutschspachige Inschrift auf dem Solidarnoscdenkmal

Deutschspachige Inschrift auf dem Solidarnoscdenkmal

© Manfred Sürig, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit einem kleinen Boot den Westwind ausnutzen und bis Elbing und zur Marienburg segeln, den Rückweg aber binnen über Flüsse und Kanäle zu nehmen, so hatte ich mir meine große Sommersegeltour 2008 vorgestellt, mit wechselnden Mitseglern, teils auch allein. Es kam ein wenig anders, aber nicht minder großartig....
Details:
Aufbruch: 04.06.2008
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 31.07.2008
Reiseziele: Dänemark
Polen
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.