Einhandsegeln zum Weichseldelta und zurück
Entdeckungen im Weichseldelta
Da gibt es drei Möglichkeiten: Entweder bei der Westerplatte in die Danziger Hafengebiete gehen, um zur Marina mitten in der City zu kommen, auf den "Weichseldurchstich" zuhalten, aus dem das meiste Weichselwasser strömt oder 3 Meilen weiter westlich zu den Danziger Sporthäfen in die tote Weichsel zu fahren. Dorthin ist es am kürzesten und zudem der optimale Wind, also Kurs zum polnischen Segelsportzentrum.
Dort sind schon Flaggen aufgezogen und eine Marinekapelle spielt, nicht zu meiner Begrüßung, sondern zur Eröffnung einer Europameisterschaft bestimmter Bootsklassen, von denen 11 genau baugleiche Boote am Steg liegen. Der polnische Innenminister eröffnet die Meisterschaft festlich, es gibt Freibier und Erbsensuppe. Nur auf den Wind wird man morgen warten müssen.
Über eine Woche früher als vorgesehen bin ich nun schon hier, die Zeit will ich nutzen, um wenigstens einen meiner Autohelme reparieren zu lassen. Das wird wohl nur in der City möglich sein, also werde ich erst einmal dorthin fahren. Eine schöne Strecke, die an Holland erinnert: Kanäle, breite Gewässer der toten Weichsel, kleine Werften, Wassersportvereine. Nur die Durchfahrthöhe der großen Hängebrücke zu den Danziger Hafengebieten ist dürftig: 9 m, und davon steht noch nicht einmal etwas in der Seekarte.
Ich komme da nicht durch, und das 3 Meilen vor meinem Ziel! Entweder muß ich den Mast legen oder hier anlegen und mit der Straßenbahn in die Stadt fahren. Also steuere ich auf die Steganlage des nächsten Vereins zu, um dort festzumachen.
Man fragt mich, ob ich ein Problem hätte und ich schildere mein Mißgeschick mit zwei kaputten Autohelmen. Da würde ich in dem Seglershop in der City sicher kein Glück haben, meint man, aber es gäbe neuerdings in Danzig eine Spezialfirma für Bootselektronik, aber die würde ich wohl kaum finden. Nur wenige Minuten später werde ich gebeten, mitzukommen und meine kaputten Geräte mitzubringen. Ich nehme im Privatwagen eines Vereinsmitglieds Platz und werde mehrere Kilometer weit bis vor die Haustür der Firma Eljacht gefahren, mehr noch, dort hilft man mir bei Spachschwierigkeiten und wir verlassen den Laden erst, als sichergestellt ist, dass beide Geräte binnen einer Woche repariert sein werden. Ein höchstes Lob für so viel Hilfsbereitschaft!
Nun kann ein sorgloser Binnenurlaub beginnen. Ich studiere meine Seekarten und beschließe, binnen Kurs auf Elbing zu nehmen. Der Ostwind stört zwar, aber man darf hier auch gegenan kreuzen und meinen Motor habe ich bisher ja kaum genutzt, das kann auch mal anders werden. Im übrigen spielt Zeit jetzt keine Rolle mehr! Mit unendlicher Geduld kreuze ich den Rest des Tages in der toten Weichsel nach Osten.
Dabei muß ich eine Pontonbrücke bei Sobieszewo passieren, die genau zu meiner Ankunft öffnet und am späten Abend
endet mein Törn an der Schleuse zur großen Weichsel in Przegalina. Überall bin ich das einzige Boot, selbst am Liegeplatz in einem Nebenarm der Schleusenzufahrt. Zeit für ein paar malerische Fotos.
3.7.2008 Neun Meter Durchfahrtshöhe, sagt der Schleusenmeister. Erst jetzt sehe ich, dass die Brücke hinter der Scheuse sich nicht öffnen läßt. Da muß ich den Mast legen, aber das dauert eine halbe Stunde an Vorbereitung. Macht nichts, man hat ja Zeit, der Schleusenmeister wartet. Nach fast einer Stunde bin ich durch, die große Weichsel erwartet mich.
Keinerlei Schiffsverkehr, nur ein paar Angler am Ufer und ein wenig Strom, gegen den ich anmotoren muß. Zwei Meilen flußaufwärts an Backbord die nächste Schleuse, die in die Königsberger Weichsel führt, die jetzt Skarpawa heißt.
Dahinter ein schmales Gewässer, auf dem ich nicht mehr segeln kann. Nun wird motort, was eigentlich die Stille dieser herrlichen Landschaft stört. Eine Klappbrücke wird pünktlich für mich geöffnet, Reiher begleiten mich.
Pferde weiden auf Augenhöhe mit mir. Mein Echolot zeigt 2,20 m Wassertiefe. Ab und zu habe ich halben Wind, der sofort zum Segeln genutzt wird. Die Verkrautung auf beiden Seiten sieht manchmal bedrohlich aus, aber ich komme locker überall durch.
Bei einer weiteren Brücke verzweigt sich der Kanal, die Königsberger Weichsel, die früher einmal das Hauptfahrwasser der Weichsel nach Königsberg war, zweigt ab und führt ins Frische Haff. Ein Blick von der Brücke, die mit Zuschüssen der EU wieder fein restauriert ist, läßt mich an der Schiffbarkeit dieser Wasserstraße zweifeln, ich muß da ja auch nicht entlang!
Den Brückenwärter muß ich erst suchen. Ich störe ihn zu Haus im Mittagschlaf, aber schon 3 Minuten später kann ich passieren.
Wäre da nicht die Betonnung, könnte man sich bei den vielen Abzweigungen verirren. Aber mitunter liegen auch die Tonnen schon weit im Kraut.
Einmal muß ich durch eine regelrechte Krautbarriere. Als ich durch bin, bringt der Motor nicht mehr dieselbe Geschwindigkeit wie vorher. Ein Blick hinters Ruder. Da schleppe ich ja eine schwimmende Insel! Sie hängt nicht nur am Ruder und am Kiel, sondern hakt auch noch fest am Propeller - es hilft nichts, ich muß ins Wasser! Dort finde ich schnell die Ursache: Eine Angelschnur hat sich um die Schilfmassen gelegt und mein Propeller hat sie aufgewickelt! Nur mit dem Messer bekomme ich alles wieder frei.
Ich bin jetzt nur eine Meile vom Frischen Haff entfent, leider bläst es von dort mir mit 5 Windstärken auf die Nase, das Wasser wird breiter, aber außerhalb der Tonnen extrem flach. Meine Seekarte hat ausgerechnet da den unteren Rand, wo die Nogat einmündet, ein Deltaarm der Weichsel. Aber von der Nogat habe ich keine Seekarte und es gibt auch keine. Eigentlich müßte man doch auch über die Nogat nach Elbing kommen, dann würde man sich fast 12 Meilen Umweg über das Frische Haff sparen.
Ich mache erst einmal in der Einmündung eine Mittagspause, um alle meine Karten zu studieren, aber ohne neue Erkenntnisse. Kann ich mit meinem Tiefgang in die Nogat einlaufen ?
Zufällig kommt ein Segler aus dem Frischen Haff entgegen, macht aber einen weiten Bogen um mich, so dass Rufen und Fragen zwecklos wäre. Aber zu meinem Erstaunen steuert er mit vollen Segeln in die Nogat. Heimathafen Tczew (Dirschau an der Weichsel). Ich vertraue darauf, dass er mindestens so viel Tiefgang hat wie ich und segle hinterher.
Wassertiefe sogar 2,40 m, nach 300 Metern eine Fahrwassertonne, das gibt Vertrauen, nur bin ich bei dem achterlichen Wind viel zu schnell, falls ich aufbrummen sollte. Deshalb berge ich die Segel lieber und fahre vorsichtig unter Motor weiter nogataufwärts.
Hier ist Natur pur. Hinter einer Biegung liegt eine schwarze Barriere vor mir. Es sind Hunderte von Kormoranen auf dem Wasser, auf die ich direkt zufahre. Erst wenige Meter vor dem Bug des Bootes flattern sie zeternd auf.
Bootsliegeplätze gäbs hier in Massen, aber kaum Boote. Man fährt einfach mit Schwung ins Schilf am Ufer, bis man steht, bei uns wäre das ein Umweltfrevel.
Ich halte mich lieber mitten im Fluß, in dem das Wasser wegen des auflandigen Windes übrigens bergauf schiebt. Nach 8 Meilen zweigt an Backbord ein Kanal ab.
Es ist der Oberländische Kanal, und der große Kirchturm, den ich am Horizont sehe, ist der Dom von Elbing.
Ich muß nur wieder den Mast legen, um unter der nur 5 m hohen Brücke durchzukommen, noch drei Meilen motoren, um in Elbing zu sein. Nach 9 Stunden Motorfahrt mache ich bei einem kleinen Verein fest, wo man mich willkommen heißt und mir eigens die Duschen erklärt, die ich heute abend genießen kann.
Mit der Straßenbahn fahre ich noch am Abend in die Innenstadt, die ich von 1980 als leeres Trümmerfeld in Erinnerung habe. Nun bin ich erstaunt, wie schön die Stadt allmählich aus dem Nichts im alten Stil wiederaufgebaut wird.
Von nun an werde ich ständig mit gelegtem Mast weiterfahren müssen. Die Durchfahrthöhen der Brücken kenne ich zwar nicht, aber ihre Zahl, denn endlich ist es mir gelungen, wenigstens eine Straßenkarte der Weichselniederung zu kaufen. Darin sind 4 Schleusen auf der Nogat eingezeichnet bis man die Weichsel bei Biala Gora erreicht, also muß dort ja Schiffahrt möglich sein. Gleich die erste Brücke mit zwischen 3,30 und 3,90 m lichter Höhe wird zum Problem, selbst bei halbweg gelegtem Mast, weil ich ja nicht auch noch meinen Windgenerator abmontieren wollte. Es geht um Millimeter und auch nur, wenn ich das Boot etwas kränge.
Als ich durch bin, schaue ich nach meinem Verklicker - er ist noch dran! Das war aber auch die Feuerprobe, alle andern Brücken sind mit etwa 5 Metern oder mehr mühelos passierbar. Dazwischen gibt es lange Strecken zwischen den Deichen, auf denen ich wieder weit und breit allein bin, von weidenden Schafen und Rindern abgesehen. Bis 16 Uhr wird geschleust, also schaffe ich heute nur die erste Schleuse bei Myszewo, die mich etwa 1,40 m höher bringt.
Danach nervt mich das Motorgeräusch und ich mache an einer Fahrwassertonne Pause. Nach einem guten Mahl weite ich die Pause auf die ganze Nacht aus und schlafe ausgezeichnet.
Sonnabend, 5. Juli 2008 . Ob auch samstags ganztags geschleust wird ? Schon an der Schleuse Rakowiec kurz vor Marienburg, bei der es gute 3 Meter hinauf geht, bekomme ich Klarheit: täglich bis 16 Uhr an allen Schleusen. Da kann ich mir an der Marienburg eine Mittags- und Postkartenpause gönnen. Mein Boot zu Füßen der gewaltigen Ordensritterburg! Kaum zu glauben, dass man dorthin sogar auf eigenem Kiel hinkommen kann.
Der ausgewiesene Liegeplatz hat aber Tücken. Mit dem Kiel liege ich zwischen zwei Trümmerstücken verkeilt, so verquer, dass ich nur mit einem Bad im jetzt 22 Grad warmen Wasser das Boot wieder freibekommen kann. Das verleidet mir den Besuch der Burg, die ich ja bereits kenne und ich motore weiter nogataufwärts. Hinter der nächsten Schleuse bin ich aus der Ebene heraus, ich komme in eine liebliche Flußlandschaft. Selbst am Wochenende treffe ich keine anderen Boote, nur Angler säumen das Ufer.
Und der Fluß gehört den Fischern. Hinter einer Kurve begegnen mir zwei Männer in einem halb abgesoffenen Schlauchboot und bedeuten mir wild gestikulierend, dass ich beidrehen soll. Doch es scheint schon zu spät zu sein, ich bin über deren Netz gefahren, das sie einfach quer durch die Fahrrinne gelegt hatten. Dabei hatten sie auch noch auf Auftriebskörper verzichtet, weil sie angeblich das Geld dafür nicht hatten. Nun ist das Netz weg und ich solle für den Schaden aufkommen. Zunächst einmal gehe ich über die Badeleiter ins Wasser, um mit den Zehenspitzen auf dem Grund nach dem Netz zu fühlen. Das bekomme ich auch sofort zu fassen, aber es hängt zwischen Ruder und Kiel. Die beiden stellen es so intelligent an, ihr Netz zu bergen, dass es ihnen noch einmal entgleitet und nun endgültig verschwunden ist. Es gibt ein langes Palaver mit der Androhung, die Polizei zu holen. Der Begegnung sehe ich gelassen entgegen. Es kommt auch nicht die Polizei, sondern ein Freund der Fischer, der deutsch kann. Wir kommen schnell zu einer Einigung, die mich 10 Euro kostet und anschließend schließen wir bei einer von ihnen spendierten Runde ZYWIEC Freundschaft. Sie wünschen mir gute Fahrt und geben noch ein paar Tipps für die Navigation auf der Weichsel, die ich aber nicht verstehe.
Zur Abenddämmerung treffe ich in Biala Gora ein. Hier kann man durch eine riesige Schleuse in die Weichsel kommen. Wie überall an den Schleusen der Nogat, gibt es vor und an der Schleuse keinerlei Liegemöglichkeiten, nur Verbotsschilder, wo man nicht liegen darf. Am Pfahl eines solchen Schildes mache ich fest, denn ich will unbedingt noch heute einen Blick auf die große Weichsel werfen. Unter der Schleusenausfahrtbrücke käme ich ja locker mit stehendem Mast durch !
Bei näherem Hinsehen aber hauptsächlich deswegen, weil der Wasserstand so extrem niedrig ist. In der Schleuse ginge es etwa 1,60 m abwärts zur Weichsel, obwohl bei anderen Wasserständen es auch schon mal 8,79 m aufwärts gegangen sein muß! Zum Lesen der Hochwassermarken früherer Jahrzehnte muß ich meinen Hals weit nach oben recken. Und nun so etwas! Von der Weichsel sehe ich zunächst nur eine große Sandbank, die mitten im Fluß bis fast an beide Ufer reicht.
Blick weichselaufwärts, die Fahrrinne verläuft ganz links am Ufer! Mitten drin eine trocken gefallene Sandbank !
Die Erkundung zu Fuß weicht einer immer größeren Ernüchterung.
Trotz des Niedrigwassers ist die Strömung in den verbliebenen Rinnen recht heftig. Gegen so einen Strom 120 km bis Bydgoszcz anzumotoren dürfte kaum zu schaffen zu sein oder unkalkuierbare Zeit beanspruchen. Vorerst trotte ich zurück an Bord, darüber muß geschlafen werden.
Sonntag, der 6. Juli 2008. Der Schleusenmeiser will wissen, wann ich schleusen möchte.
Probieren kann man es ja mal, sage ich mir, und wenn es aufwärts nicht geht, dann fahre ich eben flußabwärts über Tczew (Dirschau) bis zur Weichselmündung zurück. Es herrscht absolute Windstille und strahlende Sonne, kurz, das beste Sonntagswetter, das zu Unternehmungen lockt.
Im Schleusenvorhafen zeigt das Echolot 1,20 m. Eigentlich müßte ich da schon festsitzen, aber ich komme gut in den Strom mit 4,20 m Tiefe. Zeit, den Motor abzustellen und sich erst einmal treiben zu lassen.
3,6 Knoten zeigt das GPS, aber das Echolot spielt wohl verrückt, es klettert in wenigen Sekunden von 4 Metern auf 90 cm und schon stoße ich auf Grund, das Boot dreht sich und legt sich auf die Seite, das Ruder entfährt meiner Hand. Stabile Seitenlage, Entfernung zu jedem Ufer gut 200 Meter, was tun ? Das Echolot zeigt langsam immer weniger an, jetzt nur noch 80 cm.
Ich muß sofort etwas tun.
Mir fällt nichts anderes ein, als den Motor anzuwerfen, hart Ruder und Vollgas zu geben um zu versuchen, schräg gegen den Strom wieder freizukommen. Zu meiner Erleichterung reagiert das Boot noch auf das Ruder, unendlich langsam stellt sich der Steven gegen den Strom, das Boot richtet sich auf und nur erst am Echolot kann ich erkennen, dass ich wieder freikomme.
Nun gibt es für mich nur noch einen Weg: zurück in die Schleuse. Achselzuckend schleust mich der Schleusenmeister wieder in die Nogat als wollte er sagen - bite sehr, wenn Sie nicht wollen, dann eben in Gegenrichtung.
Ich fahre nun wieder nogatabwärts und beruhige mich, dass ich ausreichend Zeitreserve habe für die Rückfahrt, die nun aber wohl zwingend über die Ostsee wird erfolgen müssen. Und wenn da dann ständig Westwind Stärke 6 weht ? Ich denke daran lieber noch nicht, sondern fahre einfach erst einmal. Schließlich wollten für die Rückfahrt sowieso Mitfahrer anheuern, und vielleicht segeln die sogar lieber gegenan als tagelang auf dem Kanal oder der Weichsel zu motoren.
Immerhin muß der Schock bei mir doch recht tief sitzen, denn als ich an einer Schleuse dem Schleusenmeister meinen Namen, Bootsname und Nationalität auf einen Zettel schreiben soll, zittert meine Hand so, dass der Kugelschreiber in den Bach fällt.
In Marienburg zurück, mache ich bei der Badeanstalt hinter einem englischen Motorboot fest, den ersten Wassersportlern nach langer Zeit. Geoffrey und seine Frau lassen mich von meinem Abenteuer erzählen, dann berichten sie. Mit ihrem schweren Motorboot wollten sie auch nach Bydgoszcz und nach Thorn und sie hatten sogar einen revierkundigen Begleiter, der mit seinem Motorboot vorausfuhr. Aber bei Graudenz hatte Geoffrey wohl etwas zu früh das Fahrwasser wechseln wollen und war mit voller Fahrt auf eine Sandbank unter Wasser gefahren. Das hatte ihnen gereicht und nun seien sie hier, um ihren Urlaub völlig neu zu planen- bis hin zu einer Überwinterung in Leba.
Den oberländischen Kanal hatten sie befahren wollen, um in die masurischen Seen zu kommen, das ging nicht wegen der Breite ihres Bootes. Zugleich höre ich, dass ich mit meinem Boot dorthin nicht wegen meines Tiefgang kommen würde, 1,20 m ist die Grenze, bis zu der Boote auf die Schrägaufzüge genommen werden. Zeit zum Nachdenken, was ich nun machen werde.
Ich werde mir ein Fahrrad mieten und die Umgebung eine Woche erkunden, bis Horst, mein erster Mitsegler für die Rückfahrt eintrifft. Die Weichselniederung hat viel zu bieten, hier hatten schon Holländer gesiedelt, die im Deichbau Erfahrung hatten, Mennoniten hatten sich hierhin zurückgezogen und die Historie der Weichselregulierug ist auch interessant.
Danzig und Elbing hatten schon zur Zeit der Hanse Probleme mit zu wenig Wasser in ihren Häfen. Da kam jedes Weichselhochwasser wie gerufen, brachte aber auch jedes Mal neuen Schlamm mit. Die Elbinger sollen den Gedanken gehabt haben, im 14.Jahrhundert die Weichsel bei Biala Gora anzuzapfen und Wasser aus der Weichsel in den parallel fließenden Fluß Nogat zu leiten, der das Frische Haff etwas höher füllen könnte. Dass man damit Danzig das Wasser abgraben würde, danach wurde nicht gefragt.
Der Coup der Elbinger erwies sich als zu erfolgreich, denn beim nächsten Hochwasser floß das meiste Wasser statt weichselabwärts in die Nogat, die die gesamte Niederung überschwemmte und dies von da an jedes Jahr wieder tat, weil sich nämlich bei Biala Gora eine tiefe Seitwärtsrinne gebildet hatte, die die Weichsel zu ihrem eigenen Nebenarm zu degradieren drohte. Dazu kam, dass der gesamte sandige Küstensaum (die Westverlängerung der Frischen Nehrung) wie ein Damm wirkte, der das Hochwasser nur nordwestlich von Danzig oder ostwärts ins frische Haff ablaufen ließ.
Ein alter Stich aus dem 15.Jahrhundert zeigt die Weichsel vor ihrer Regulierung. Damals reichte das Frische Haff viel weiter nach Westen als heute
Auch dieser Stich zeigt die Weichselmündung vor etwa 400 Jahren. Hier sieht man die damalige Ausdehnung des frischen Haffs noch deutlicher
Mit diesen Folgeschäden mußte Ende des 19. Jahrhunderts der preußische Staat fertigwerden, der ein wahres Jahrhundertwerk in Gang setzte: Den Bau des Hochwasserschutzes in der Weichselmündung. Kernstücke waren die Abdämmung der Abzweigrinne etwas unterhalb von Biala Gora und der Bau der großen Schleusen und der Weichseldurchstich im Jahr 1895, der die Weichsel auf ihrem Weg nach Norden schnurgeradeaus quer durch die Sandküste in die Ostsee leiten sollte. So entstanden die seit 1895 bedeutungslos gewordenen früheren Flußbette, deren Westteil heute "tote Weichsel" heißt und die mit Schleusen gegen die schwankenden Wasserstände auf der Weichsel auf schiffbarer Höhe gehalten werden, aber auch als Wasserabflußsiel nutzbar sind. Dies alles nach 113 Jahren anzusehen, dürfte ein lebendiges Geschichtserlebnis werden.
Leider wird aus der Fahrraderkundung nichts, weil ich in ganz Marienburg keinen Fahrradvermieter auftreiben kann. Also bleibt wohl nichts anderes übrig als es per Boot zu tun, dorthin, wo man mit dem Boot hingelangen kann.
Per Bahnfahrt komme ich wenigstens nach Tczew (Dirschau) an der Weichsel, wo ich mir am Ufer eine Markierung für den Wechsel der Fahrrinne einmal genau ansehen kann.
Man fährt also stets schräg im Flußbett auf die gelbe Markierung zu und die grüne Raute bedeutet, dass die nächste Markierung bei Talfahrt links am Ufer gesucht werden muß. Wenn keine Bäume davorstehen, würde Geoffrey hinzufügen..... Und ich bin völlig unbedarft auch so aufggebrummt, denke ich.
Aufbruch: | 04.06.2008 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 31.07.2008 |
Polen