Die Geschichte mit der Russland - Reise

Reisezeit: Mai 2008  |  von Volker Xylander

Von Nord nach Süd durch Kasachstan

Teil 6 - Von Nord nach Süd durch Kasachstan

Also weiter in Kasachstan, jetzt kurz vor halb acht abends. Das Ziel war die Stadt Kostanay, wenn es nicht vorher ein passables Quartier gab. War natürlich nicht, nur ein Milizionär, der mich anhielt, damit ich seinen Kumpel mitnehme. Ansonsten recht ordentliche und vor allem leere Straßen zwischen Feldern und Wiesen.
In Kostanay runter von der Fernstraße und hinein in die Stadt. Weiterfahren machte keinen Sinn. Aber von einem Hotel oder einer anderen Schlafmöglichkeit war nichts zu sehen. Ein Taxi am Straßenrand waren dann das Ersatzziel. Nach einiger redseligen Preisverhandlung haben wir uns auf etwa die Hälfte seiner ursprünglichen Vorstellung geeinigt und er fuhr vor mir her. Vor dem Hotel tauchte ein junger Mann auf, der von dem Taxifahrer angesprochen wurde. Zimmer ist möglich, aber bitte keine Rechnung, und Frühstück gibt es auch nicht. Also Schwarzmarkt. Bei weniger als 30 € wollte ich dann nicht lange weiterhandeln und wir einigten uns, wenn er mich früh am nächsten Tag auf die Straße in Richtung Astana bringt und mein Auto über Nacht sicher untergestellt ist. Erst mit dem Auto in den Hof, dann über die Hintertreppe ins Haus und in ein annehmbares Zimmer.
Alles bestens, auch zwei Flaschen kühles Bier gab es und Verpflegung hatte ich noch von Demmigs aus Moskau. Etwas Brot und eingeschweißte Wurst sowie Zwieback für alle Fälle, es reichte. Noch ein kleiner Punkt zu der Normalität in diesen Ländern. Das Bad mit Dusche war hervorragend gefliest. An Öffnungen für alle Sanitärleitungen hatte man aber nicht gedacht. Diese wurden dann wild in die Fliesen gehämmert und blieben nach dem Verlegen der Leitungen auch offen.

Wer am Donnerstagmorgen zur vereinbarten Zeit nicht erschien, war der Herr Geldkassierer. Nur die Etagenfrau vom Vorabend war da. Sie musste aber am Geschäft beteiligt sein, sonst funktioniert das nicht. Also ließ ich sie wissen, wenn der Mensch nicht in zehn Minuten am Auto ist, muß ich zur Rezeption gehen, damit das elektrisch betriebene Hoftor geöffnet wird. Es hat keine zehn Minuten gedauert und alles war in Ordnung.

Ab dem Stadtrand Kostanay ging es dann auf weitgehend leeren, guten Straßen in Richtung Hauptstadt Astana. Unterwegs nur ein kurzer Verfahrer aus einem Kreisverkehr heraus, aber schon nach wenigen hundert Meter belehrte mich die Straße - falsch und zurück. Ab und zu tauchte auch einmal ein Wegweiser auf und gab wieder Sicherheit. Bis dann nach etwa dreihundert Kilometern die Straßenwelt unterging. Kurz vorher hatte ich noch mit einem kasachischen LKWfahrer gesprochen, der missmutig sein völlig verdrecktes Fahrzeug betrachtete. Jetzt war ich an der Reihe, trotz prasselndem Sonnenschein ganz schnell alle Luken zu schließen. Feiner roter Staub drang durch alle Ritzen und rieselt bei Gegenverkehr von der Frontscheibe. Tragen wollte ich das Auto aber auch nicht, da hatte ich durch den mehrere Zentimeter hohen Feinstaub waten müssen. An einem geschlossenen Bahnübergang unterhielt ich mich dann mit anderen Fahrern. Ja, die Chinesen sind dabei die neue Straße zu bauen. Etwa 50 km fehlen noch und früher war alles so. Jetzt ist man trotz des fehlenden Stückes zwei Stunden eher in der Hauptstadt. Na gut, budet, budet, es wird schon. Ich brauchte dort ja nur einmal entlang zu fahren und werde sicher nie wieder in diese Gegend kommen. Und wenn doch, dann ist diese Straße hoffentlich fertig.

Wieder auf guter Straße musste ich erst einmal etwas schneller fahren, damit der Dreck abgeblasen wird.

Wieder auf guter Straße musste ich erst einmal etwas schneller fahren, damit der Dreck abgeblasen wird.

Vor Astana das übliche Spiel. Rücksprache mit einem Milizposten zur Klärung der weiteren Fahrtroute. Alles klar,
die Hauptstadt kann ich auf einem im Bau befindlichen neuen autobahnartigen Straßenring umgehen. Er ist zwar noch nicht fertig, aber auf meinem Teilstück frei. Nur fehlte eben am Ende noch der Wegweiser und welche Ortsunkundigen fahren dort schon.
Ein Stück weiter in der Baustelle wurde alles erklärt und mein Auto und ich hoppelten auf der Gegenseite über eine im Bau befindliche Ausfahrt zur richtigen Straße.

Das Karaganda - Becken war mir noch aus dem Erdkundeunterricht in grauer Vorzeit in Erinnerung geblieben. In der Sowjetunion gab es an Rohstoffen alles und wo, natürlich unter anderem auch im Bereich Karaganda. So präsentierte sich die Stadt auch schon aus der Höhe von etwa 900 m in größerer Entfernung. Ein Monster unter einer dunklen Dunstglocke. Je näher ich kam, umso mehr Gruben und Industrieanlagen wurden sichtbar. Hier gab es keine Umgehung, also mitten durch die Stadt von Ampel zu Ampel hangeln. Stickig warm und auch bergauf, da der Ort am Südrand des Beckens liegt. Am Ortsausgang musste ich den inneren Schweinehund bekämpfen. Links der Straße lag ein schmuckes Motel, aber es war gerade erst sechs Uhr abends. Das war noch zu zeitig und lieber für den nächsten Tag etwas Luft schaffen. Es bestand doch Hoffnung, am Folgetag Kirgistan zu erreichen. Weiter!

Unterwegs hatte ich erfragt, in etwa 150 km soll es eine Gostiniza geben, eben eine Übernachtungsstätte. Die habe ich auch gefunden, die zuständige gute Frau hatte schon Feierabend gemacht. Also nicht lange gesucht, sonder lieber die Miliz gefragt. Ja, in etwa achtzig Kilometern besteht die Möglichkeit zum Schlafen. Fahrzeit meinten sie knapp zwei Stunden, es geht schließlich richtig bergig zu, bis in über eintausendzweihundert Meter. Es war aber schon nach Acht. Ich wollte aber keinesfalls bei Dunkelheit unterwegs sein. Also war richtig Druck angesagt und ich nach 50 Minuten auf einem Bergplateau, wo die angekündigten vielen Cafes und sonstige Imbisse standen. Erst einmal angehalten, Luft geholt und umgeschaut. Ein Gebäude war etwas größer und dieses steuerte ich an. Ja, Essen und Übernachten (12 €) ist möglich, waschen und Toilette schon deutlich schwieriger. Aber was half es. Ein Zimmer belegt, es gab sogar einen Schlüssel. Zu essen gab es gut gewürztes Rindfleisch mit Brot, sogar auf meinen Wunsch nur Kanten. Ich wollte etwas Richtiges kauen, nach diesem Zwiebacktag. Die Hälfte vom Fleisch ließ ich mir zum Frühstück kalt stellen, in diesem Familienbetrieb alles kein Problem. Anschließend zeigte mir der Herr des Hauses die heiße Banja. Das Kaltwasserbecken sei ganz neu, aber es war beim Hinschauen noch leer. Hauptsache es ist, alles andere wird schon, nur für mich zu spät. Aber er machte mir zwei große Plastschüsseln sauber. Da konnte ich in früherer Studentenmanier wieder einmal Pferdeschwemme machen. Das war mir doch die Sache wert, vor allem als er mir sagte, auch am Morgen kann ich das nutzen. Also noch einmal meinen Obulus entrichtet, eine Flasche Bier für danach gekauft und ab in das Schüsselbad und die Hitze. Nach meiner zweiten Runde erschienen drei ortsansässige Badepartner, die sich über mein Begießen mit kaltem Wasser sehr wunderten. Sie wollten es lieber halbwarm. Noch ein gemeinsames Schwitzen, bei dem mir auch das Fell mit dem Birkenbusch gegerbt wurde und mir reichte es. Ab in das Zimmer, Bett herrichten und Probeliegen. Der Stahlfederboden hatte sicher mein Alter und war schon sehr gebeugt, also nur noch Mulde. Aber ich lag. Einige Stunden Schlaf würden es schon werden.

Am Morgen war dann gegen fünf Schluss mit lustig. Liegen ging nicht mehr. Also fertig machen und immer lauschen, ob sich im Haus schon etwas regt. Nichts! Noch im Schlafanzug der Toilettenbesuch mit geschlossener Nase. Durch das Abwurfloch im Bodenbrett erhielt jeder alles aus erster Hand oder so. Dann noch einmal in die Pferdeschwemme und es war schon kurz vor halb sieben als ich in den Gastraum trat und die dort schlafenden Hausbewohner weckte. Mein Fleisch wurde mir aber trotzdem warm gereicht.
Gegen sieben fuhr ich los und wurde schon nach vielleicht einhundert Metern von einem Milizionär gestoppt. Seine Frage, kommen sie aus Karaganda. Ich verneinte und erklärte meine Übernachtung. Da konnte ich sofort weiter. Vorher sagte er mir aber noch, dass seit Stunden schon kein Fahrzeug aus dieser Richtung gekommen sei. - Gut, gestern noch weitergefahren zu sein.
Nach wenigen Minuten sah ich rechts in der steinigen Hochsteppe einen etwas zertrümmerten Kombi stehen. Etwas näher gekommen, lagen am Straßenrand zwei tote Pferde, eines davon regelrecht zerrissen. Da hatte ich die nächste gute Entscheidung, eben nicht bei Dunkelheit zu fahren.
Auf diesen mehr als zweihundert Kilometern durch die Hochsteppe bekam ich ein wenig Gefühl für Weite und Einsamkeit. Der von mir durchquerte Teil Russland war im Prinzip immer belebt und wenn auch in Abständen, bewohnt. Hier gab es aber nur Sand, Steine, Felsgruppen und ein wenig dürres Gras. Auch Tiere sah ich nicht, zumindest keine lebenden. Nur die Jagdbeute der Fahrzeuge, zwei Kühe, zwei Kamele und eine tote Stute, deren Fohlen traurig daneben stand. Nicht einmal bei den Kadavern waren die sonst allgegenwärtigen Krähen zu sehen. Gegenverkehr gab es um diese Zeit soweit vom nächsten Ort auch noch nichts und von hinten war sowieso leer. Nur Reifenfetzen sorgten in ihrer Menge für die Erkenntnis, dass eigentlich häufig Autos unterwegs sein müssen.

Dann ging es wieder hinab auf dreihundertfünfzig Höhenmeter zur Stadt Balchasch und zum gleichnamigen See. Viele Tagebaue, Bergwerke und Industriekomplexe, an denen ich aber weiträumig vorbeifuhr. Dort habe ich auch mit Oksana, unserer Dolmetscherin, telefoniert. Sie hat mir bestätigt, dass ich den Grenzübergang Kordai mit dem deutschen Auto benutzen darf und das rund um die Uhr. Kurz die Zeit überschlagen und zum See abbiegen war dann keine Frage. Den Badestrand hatte ich schnell gefunden, aber mit mir kam auch Konkurrenz.

Nachdem ich mich mit den Rindviechern geeinigt hatte, nutzten beide Seiten das Wasser. In russischen Landen Mitte Mai im kühlen Seewasser zu baden ist für menschliche Wesen zumindest ungewöhnlich. Aber wenn ich schon einmal da bin ...

Bild 14 080516 Balchasch - See ... Badekumpel

Auf dem nächsten Bild ist der Badestrand eines Bungalowhotels. Es wird wohl noch ein Stück dauern, bis hier internationales Publikum einzieht. Aber für die örtlichen Verhältnisse ist es eben schon eine gute Sache. Man muß eben wollen und bereit sein. Aber das können wir uns glücklicherweise als eigene Entscheidung leisten. Wer den Osten nicht will,sollte in die Karibik fliegen oder sich sonstwo beurlauben lassen.

Bild 15 080516 Balchasch - See "Hotel"

Weiter fuhr ich rund vier Stunden häufig mit Aussicht nach links auf den See, aber leider ziemlich diesig. Jede Menge Leute standen am Straßenrand, die Fisch verkaufen wollten. Einmall habe ich bei einem nach meiner Meinung vertrauenswürdigen Mann angehalten und gekostet, eigentlich um ein Mittagsmahl zu erwerben. Es war das blanke Salz, kaum Fisch zu schmecken. Er meinte, bei der Hitze sei dies notwendig und zum Wodka wäre es gut. Den wollte ich aber nicht trinken, so kam kein Kauf zustande. Ich vertröstete mich auf den Fisch aus dem Issyk - Kul in Kirgistan.

Die Landschaft rechts der Straße war unverändert, kahl, karg und einsam. Nur links am See sah es ganz anders aus.
Am Ende des Gewässers teilte sich dann die Straße, links die gute nach Almaty und nach rechts die schlechte in meiner Richtung. Aber über Almaty wären es mehr als dreihundert Kilometer Umweg gewesen. Im Bereich des Abzweiges, also noch in der Nähe des Sees, liefen plötzlich Schildkröten auf der Straße herum, leider liefen auch einige nicht mehr. Ich beschaute mir die Sache, mitnehmen eines Tieres war zwar eine Überlegung, aber nur ganz kurz. Sie müssen in ihrem Lebensraum bleiben.

Noch zweihundert Kilometer waren einsam und schlecht, dann kam ich in das Gebiet des Flusses Tschui und damit wider unter Leute. Die letzten 2 bis 3 Stunden zur Grenze waren dann relativ leicht. Vor Kordai hielt ich an, um mich für die Behörden landfein zu machen. In meiner etwas unzivilisierten Fahrkleidung wollte ich weder bei den Grenzern noch beim Zoll aufkreuzen. Dieser Übergang war für mich auch günstig, da ich ihn schon mehrfach benutzt hatte und deshalb etwas mit der Örtlichkeit vertraut war.
An der Grenze lief es wieder nach dem gleichen Schema ab. Laufzettel, Passkontrolle und Zollprüfung. Alles auf der kasachischen Seite kein Problem. In Kirgistan noch weniger. Passkontrolle mit nur einem Reisepass, kostenlose Zollabfertigung und für sechs Wochen befristete Fahrgenehmigung. Nicht mehr als eine Stunde und ich fuhr wieder. Bis zum ersten Milizposten und das dann noch mehrfach. Immer wieder wollen sie wissen, DD - X 3, was ist das für ein Kennzeichen. Noch nie gesehen, diese Sorte. Dann heißt es eben erklären.
Noch eine Erfahrung aus Kasachstan: Die Miliz steht meist an sogenannten Unfallschwerpunkten und ist lange nicht so in dem Umfang präsent wie die russische. Vor allem aber verbreitet sie nicht so das Gefühl der totalen Abzocke.
Noch eines war anders. In Kasachstan strahlender Sonnenschein bei fast dreißig Grad im Schatten und in Kirgistan strömender Regen eines Gewitters bei nur der halben Temperatur.
Das war aber alles egal. Es war geschafft!! Unterwegs noch etwas eingekauft und weiter nach Tokmok.

Bild 16 080516 Tokmok - am Ziel in Kirgistan

Bild 14 080516  Balchasch - See ... Badekumpel

Bild 14 080516 Balchasch - See ... Badekumpel

Bild 15 080516  Balchasch - See  "Hotel"

Bild 15 080516 Balchasch - See "Hotel"

Bild 16 080516  Tokmok - am Ziel in Kirgistan

Bild 16 080516 Tokmok - am Ziel in Kirgistan

© Volker Xylander, 2009
Du bist hier : Startseite Asien Kasachstan Von Nord nach Süd durch Kasachstan
Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem PKW von Lübeck über die Ostsee nach St. Petersburg, nach Moskau und weiter bis quer durch den Ural; weiter durch Kasachstan nach Kirgistan,
Details:
Aufbruch: 03.05.2008
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 17.05.2008
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
Kasachstan
Kirgisistan
Der Autor
 
Volker Xylander berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.