Iran 2009
Tehran - Esfahan - Shiraz - Kerman - Bam - Yazd - Tehran
Start
1.05.09
"Bist du verrückt?" "Da würde ich mich nicht hintrauen." "Immer gehst du Risiko ein." "Der will die Gefängnisse von innen sehen." lauteten die besorgten Reaktionen von Freunden und Verwandten, als ich von meinem Vorhaben in den Iran zu fliegen erzählte. Einer meiner Onkels meinte nur: "Mir bleibt der Knödel im Hals stecken."
Trotz all dieser warnenden Stimmen sitze ich jetzt im fast vollbesetzten Flieger nach Teheran und habe überhaupt keine Angst und auch kein mulmiges Gefühl, nichts, ich bin nur gespannt, was mich in diesem frem- den, interessanten Land, was mich schon seit Jahren in seinen Bann zieht, erwarten wird. Immer wieder hatte man mir den Iran erfolgreich ausgeredet und jedes Mal bin ich in einem anderen orientalischen Land gestrandet. Aus Berichten von anderen Iranreisenden las ich allerdings nur von der Freundlichkeit und der Offenheit der Menschen im Iran und selbst die so "verhaftungslustige" Polizei, die laut westlichen Meinungen in jedem Fremden mit Fotoapparat einen möglichen Spion sieht, meinte es gut mit den Touristen.
"Sind Sie Deutscher oder Perser?" fragt mich der Herr neben mir, "Ich war mir nur nicht sicher." Er will wissen, was ich im Iran mache und wo ich überall hin gehe. Dass ich auch seine Heimatstadt Isfahan besuche freut ihn sehr, und er will mir am Flughafen unbedingt mit dem Taxi helfen. "Du musst ein gelbes Taxi von der Stadt nehmen, die haben einen festen Preis und schummeln nicht. Es gibt aber auch Privattaxis und die können viel- leicht mehr verlangen, wenn sie merken, dass ihr Fahrgast keine Ahnung hat. Aber keine Angst, ich helfe Dir." Mehr Sorgen macht mir, dass ich noch kein Visum für den Iran habe. Ich wollte zwar vorher eines über die Botschaft in Frankfurt besorgen, da wir aber wegen der Wirtschaftskrise vier Wochen auf Minusstunden Zwangsurlaub machen müssen, zog ich die Reise kurzerhand um drei Wochen vor. In diesem kurzen Zeitraum war an ein Visum über die Botschaft nicht zu denken, da die bürokratischen Müh- len bekanntlich langsam mahlen. Von einem Perser, der für ein Reisebüro Iranreisen ausarbeitet, weiß ich, dass ein Visum am Flughafen kein Problem ist, auch wenn im Internet davon abgeraten wird, weil es oft zu Schwierigkeiten bis hin zur Nichterteilung gekommen sei. Aber auch hier will mir der Iraner helfen. Er geht sogar zwei mal durch das Flugzeug, um die Adresse meines Hotels zu erfragen, aber niemand kennt das Hotel Persia, indem ich für heute Nacht ein Zimmer reserviert habe.
Das Hellblau in den kleinen Fenstern ist der Finsternis der Nacht ge- wichen. Im Gespräch über Deutschland und den Iran sind die fünf Stunden Flugzeit recht schnell vergangen. Die Maschine verliert steil an Höhe und unter uns kündigt ein nicht enden wollendes Lichtermeer, was schier bis zum Horizont zu reichen scheint, die zeitnahe Ankunft in Teheran an. Die Lichter kommen immer näher, werden größer und größer, nehmen langsam Gestalt an und sind bald als Straßenlaternen oder erleuchtete Fensterscheiben, hinter denen vielleicht eine Familie beim Fernsehen oder um mit allen möglichen Leckereien der persischen Küche gedeckten Sofres beim Abendessen sitzt, auszumachen. Die Maschine setzt sanft auf der Landebahn auf und kaum hat der Pilot das Flugzeug abgebremst, lerne ich die Hilfsbereitschaft der Iraner kennen. "Ich glaube Sie haben Glück!" sagt das junge Mädchen, was schräg hinter mir gessen hatte. Ein lässig übergeworfener Tschador verleiht ihr zusammen mit ihren dunkel- blauen Augen und ihrer ganzen Schönheit ein madonnenhaftes Aussehen. Eine Frau, zwei Reihen hinter uns, hatte sofort nach der Landung ein Handy aus ihrer braunen Lederhandtasche gefischt und eine Bekannte angerufen, um die Adresse meines Hotels zu erfragen. "Khiyaban-e Hafez" sagt sie, zentrumsnah. Wer in Deutschland hätte das gemacht, nur um eine Adresse für irgendeinen Ausländer zu erfragen? Wahrscheinlich eher niemand.
Die Jalousien des Visabüros sind heruntergelassen und der unnatürliche Schein einer Neonröhre dringt durch die Ritzen zwischen den hellgrauen Lamellen. Eine große Gruppe Franzosen ist in der Maschine vor uns gelandet und wartet nun geduldig auf ihre Visa. Außer mir finden sich noch ein älteres Pärchen aus Deutschland, welches erst ein paar Tage in Teheran verbringen will, bevor es weiter Richtung Kaspisches Meer fährt, ein Herr aus Südtirol, der geschäftlich zu einem Kongress nach Hamadan muß, und einige andere Touristen ein. Endlich öffnet sich die Jalousie und ein breitschultriger, glatzköpfiger Beamter reicht einem der Franzosen einen ganzen Stapel Pässe heraus und schon ist das Fenster wieder zu. Diese Prozedur wiederholt sich einige Male, bis die Gruppe Franzosen nach und nach, wie der Vorrat einer Tüte Gummibärchen immer kleiner wird und bald ganz verschwunden ist. Der Iraner aus dem Flugzeug ist schon nach draußen gegangen, um sich um das Gepäck zu kümmern. "Ich warte hinterm dem Zoll auf dich. Ich hab Zeit." Wieder öffnet sich die Jalousie und endlich können wir unsere Pässe gegen ein dinafünfblät- triges Antragsformular tauschen. Hier gibt es nur wenige Felder auszu- füllen: Voller Name, Geburtsdatum und -ort, Grund der Reise und eine Adresse im Iran, wo man theoretisch auch eine Phantasienummer eintra- gen kann. Nichteinmal nach Passfotos wird gefragt. An dem Bankschalter neben dem Visabüro müssen wir 50 Euro einzahlen. Wenig später hört man, wie ein Stempel nach dem anderen knallt und kurz darauf können wir unsere Pässe, die nun wieder um ein Visum reicher sind, gegen Antrags- formular und Bankquittung zurücktauschen.
Der Beamte an der Passkontrolle schaut mich freundlich an und sagt: "You are like Irani, Welcome!" einen Schritt weiter bin ich im Iran. Ein Flughafen- arbeiter hat die restlichen Gepäckstücke vom Laufband genommen und sorgsam an den Rand gestellt. Ich nehme meinen Koffer und gehe nach draußen, am Zoll steht niemand mehr. Inzwischen hat der Iraner aus dem Flugzeug in Erfahrung gebracht, dass es heute für einen Euro 13 200 Rial gibt. Die größte iranische Banknote ist 50000 Rial, also etwa 4 Euro. Das führt dazu, dass man immer bündelweise Geldscheine mit sich herumtra- gen muß. Zum Glück gibt es die violetten Checks im Wert von 500 000 Rial, sie sehen aus wie Geldscheine, nur dass Iranchek darauf steht. Man kann damit bezahlen wie mit einer normalen Banknote.
Der Iraner aus dem Flugzeug nennt vor dem Flughafen einem Taxifahrer unsere Ziele und fragt jeweils nach dem Preis. Das Pärchen aus Deutschland war froh, dass ich sie mit zu einem netten Helfer genommen habe und hat ebenfalls ein zentrumsnahes Hotel gebucht, sodass wir zusammen ein Taxi nehmen und uns den Preis von 270 000 Rial teilen können. Ich bedanke mich und verabschiede mich von dem freundlichen, hilfsbereiten Iraner. "Vielleicht sehen wir uns in Isfahan wieder, Inshallah!"
Der Imam Khomeini Flughafen liegt weit außerhalb des Stadtzentrums, etwa 35 Kilometer, aber es ist bereits nach Mitternacht und die sonst verstopften Straßen von Teheran sind weitgehend frei. Bunte Strahler zaubern ein frohes Farbenspiel in rot, blau und grün an die dunklen Betonwände der Unterführungen. Gähnende Leere herrscht auf den Bürgersteigen, als führen wir durch ein verschlafenes Nest, weit draußen auf dem Land. Discos, Bars und Nachtclubs gibt es im Iran nicht, die Restaurants haben längst geschlossen und sonst wäre da nichts, was einen um diese Zeit auf die Straße locken würde, zumal dies sicher die Aufmerksamkeit der Sittenpolizei auf sich lenken und unangenehme Fragen nach wohin und woher, wieso und weswegen mit sich bringen würde.
Mit 14°C sind die Nächte für iranische Verhältnisse noch recht kühl und im Foyer des Hotels lodert hinter der Glasscheibe eines Kaminofens ein wärmendes Feuer. Das Zimmer ist gut und sauber, aber 60 Euro, über die Agentur gebucht, ist es trotzdem nicht wert, auch wenn es Mitten in der 14 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt liegt. Ein roter Pfeil an der Decke zeigt die Gebetsrichtung an und auf dem Nachtkästchen liegen ein Koran und ein Gebetsteppich.
Aufbruch: | 01.05.2009 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 15.05.2009 |