Iran 2009

Reisezeit: Mai 2009  |  von Thomas K.

Yazd

11.05.09

Beim Checkout gibt es Probleme. Der Herr an der Rezeption will 115000 Rial für ein angeblich noch nicht bezahltes Abendessen haben. Ich zeige die Quittungen und dabei stellt sich heraus, dass irgend so ein Trottel vom Restaurant das Kreuzchen an der falschen Stelle gemacht hat. Um halb acht will ich am Busbahnhof sein und nur mit viel Mühe gelingt es den Rezeptionisten davon zu überzeugen, dass alles bezahlt ist. Er greift zum Telefon wählt eine Nummer, ein paar Worte Farsi. Auflegen. Abnehmen, Nummer wählen, ein paar Worte Farsi, Auflegen. Das ganze wiederholt sich drei vier mal und kostet wertvolle Zeit. Zeit, die ich nicht habe. "Are you sure, that you have paid?" fragt er noch einmal eindringlich und schließlich gibt er nach.

Der Bus ist fort. Die hübsche, blauäugige Frau mit dem Blumenmuster- kopftuch ist wieder da und sagt, der nächste Bus fährt erst um halb eins. Das ist mir eindeutig zu spät. Was soll man auch vier Stunden an einem langweiligen Busbahnhof machen? Die letzte Chance mein Glück zu versuchen ist das Ticketbüro einer andren Gesellschaft auf der gegen- überliegenden Straßenseite. Dort gibt es tatsächlich einen Bus um zehn. Ich vertreibe mir die Zeit mit dem Minigolfspiel auf dem Handy. Der gleiche hinkende Bettler von gestern dreht auf der Suche nach Almosen wieder seine Runde. Nur die wenigsten kommen ihrer islamischen Pflicht , etwas zu geben nach, und wenn, dann auch nur mit Münzen von geringem Wert. Ich stecke ihm einen 5 000er zu. Er dankt und zieht zufrieden weiter. Auch die drei Afghaninnen kommen wieder und versuchen ihr Glück von Neuem, indem sie mit wildem Geschnatter auf die Wartenden einreden.

Wir sind nur wenige Kilometer gefahren, da ertönt ein pfeifendes Warnsignal vom Amaturenbrett. Es scheint ein technisches Problem zu geben, der Fahrer stopt den Bus am Straßenrand. Der Shagerd steigt aus, mit Gummihammer bewaffnet, und wenige Minuten später kehrt er mit kohlrabenschwarzen Händen zurück. Eine öde, staubige Wüste, mit vielen Steinbrocken durchsät, ist heute unser Begleiter. In Rafsandjan, einer kleinen Wüstenstadt, steigen Leute aus und neue Fahrgäste wieder zu. Der Tschador einer Frau schleift auf dem Boden, als sie die wenigen Stufen zur Straße herunter steigt. Vielleicht 50 Kilometer weiter, hält der Fahrer mitten im Nirgendwo an. Außer einer Raststätte, einer kleinen Polizeistation und kilometerweit Sand und Steine gibt es hier nichts. Nichteinmal eine kleine Erhebung, die die graue Eintönigkeit der Wüste unterbrechen würde kündigt sich am Horizont an. Wir können nicht mehr weiter fahren, das Problem scheint sich verschärft zu haben und es gibt wohl so schnell auch keine Möglichkeit es zu beheben. Der Busbegleiter fordert uns zum Aussteigen auf und gibt jedem seinen Koffer. Zum Glück ist zufällig ein leerer Bus mit Destination Yazd da, dessen Fahrer so freundlich ist, uns mitzunehmen, und wenige Minuten später geht es in dem neuen Bus weiter. Dicke Quellwolken haben sich am Himmel breit gemacht und verdrängen nach und nach das Blau.

Gegen halb vier erreichen wir Yazd. Der Taxifahrer macht mich auf dem Weg ins Hotel auf den zarathustrischen Feuertempel rechts der Straße aufmerksam: "Ateshkadeh." sagt er und deutet mit der rechten Hand nach draußen. Aber außer einer hohen Mauer ist nichts zu erkennen. Ein mächtiger Uhrturm steht in einem Kreisverkehr. Es ist nicht gerade der schönste und in seiner eckigen, grauen Schlichtheit könnte er genausogut der einer mittelalterlichen deutschen Kleinstadt sein.

Das Dad-Hotel ist typisch für Yazd. Um einen großzügigen, zweistöckigen Innenhof mit Wasserspielen, Pflanztrögen und Bänken zum sitzen ziehen sich Lehmwände mit orientalischen Ornamenten. Die rundbogigen Fenster und Arkaden sind mit weißen Umrandungen verziert. Sogar einen Wind- turm gibt es. Hübsche Iranerinnen sitzen an der Rezeption und auch die Zimmer sind ihre vier Sterne wert.

Das Wahrzeichen der Stadt ist der große Portalbau mit Doppelminarett am Meydan-e Mir Chaqmaq. Die zwei schlanken hohen Minarette schei- nen nach oben hin etwas krumm zu sein. Während die Außenwände mit helltürkisen Kacheln versehen sind, wurden die Gewölbe in den Arkaden in natürlicher Lehmfarbe belassen. Früher standen die Würdenträger unter den Arkaden und schauten den Veranstaltungen am Platz zu. Heute kann man selber bis ins zweite Obergeschoß hinauf. Ein kleiner Junge steht am Ticketschalter und nimmt den grünen 10000 Rial-Schein entgegen, den ich ihm reiche. "Gib 7 000!" befiehlt ein älterer Mann, der sich vor dem Kas- senhäuschen unterhält und gehorsam reicht mir der Junge das Rückgeld. Von oben bietet sich ein herrlicher Blick über die Kuppeln und Windtürme der Stadt. Die Luft ist leicht schwül geworden und dicke Wolken sorgen für eine etwas trübe Athmosphäre, die nicht gerade für die schönsten Fotos beiträgt.

Ich schlendere ziellos durch die Stadt, vorbei einem anderen Uhrturm, in dessen Untergeschoß eine kleine Polizeidienststelle untergebracht ist, weiter zur Freitagsmoschee und durch den Bazar. Der Tag neigt sich und langsam werden die Straßen voller. Die Sonne hat sich wieder etwas durchgesetzt und ihre Strahlen fallen schrägwinkelig durch das Lichtloch in einer Kuppel im Bazargewölbe. Hier steht ein großer Naql, den die Schiiten einmal im Jahr, im Trauermonat Muharrem, mit schwarzen Tüchern schmücken und durch die Straßen der Stadt tragen. Das große Holzgerüst ist so schwer, dass es viele Männer zum Tragen braucht, die sich ständig abwechseln müssen. Sie wollen damit an die Leiden, die Imam Hossein in Kerbela durchgemacht hat, erinnern.

Auch im Dad Hotel gibt es ein beachtliches Buffet. Eine große Deutsche Reisegruppe sitzt an einer langen Tafel. Ich komme aber nicht mit ihnen ins Gespräch, weil sie weit vor mir fertig sind und sich bald auf ihre Zimmer verabschieden.

12.05.09

Beim Frühstück passiert den zwei Kellnern ein Missgeschick. Bei dem Versuch einen mit Geschirr beladenen Wagen die steile Rampe zum Buffet hinauf zu fahren kommt ein Großteil der zerbrechlichen Ladung ins Rutschen und landet mit furchtbarem Geschepper in tausend Scherben auf dem Boden. Mit sauertöpfischem Gesicht machen sie sich an die Arbeit alles wieder weg zu räumen. Hoffentlich reißt ihnen der Chef nicht gleich die Köpfe herunter.

Zum Frühstück wird eigentlich in allen Hotels das gleiche geboten. Weiß- und Fladenrot, Oliven, Käse, Gemüse, Ei, warme Gerichte, aber auch für Süßfrühstücker ist mit Honig und Marmelade gesorgt. Zum Trinken Tee, Kaffe, Milch oder frische Säfte.

Mein erstes Ziel heute ist nochmal Amir Chaqmaq. Zwei geistliche mit schwarzen Turbans stehen oben auf dem mittleren Balkon. Ein Bild wie aus 1001 Nacht tut sich von oben auf. Yazd scheint mit seinen zahlreichen Minaretten und Kuppeln, dem ockerbraunen Meer aus Lehmhäusern und den vielen Windtürmen, die die Skyline der Stadt prägen, schlichtweg Sinnbild für eine iranische Stadt zu sein und wirkt von hier oben iranischer als Isfahan, Shiraz oder Kerman. Die Wolken von gestern haben der Sonne wieder Platz gemacht, doch obwohl der Himmel strahlend blau ist, ist die Luft noch immer nicht so klar, dass man die nahen Berge, die im Sommer so plastisch hinter der Stadt stehen, dass man danach greifen möchte, sehen könnte. Eine große Menschentraube erscheint auf dem Meydan und steuert langsam auf die Sehenswürdigkeit zu. An der Art, wie die Frauen ihre Kopftücher tragen, lässt sich sofort erkennen, dass es Touristen sein müssen. Bevor die ganze Reisegruppe den engen steilen Treppenaufgang blockiert, und hier oben für Unruhe sorgt, suche ich lieber vorher das Weite.

Das schmale, hohe, von zwei Minaretten flankierte Eingangsportal zur Freitagsmoschee ist mit seinen reichen Farbnuancen von verschiedenen Blautönen über Türkis bis hin zu Ocker, eines der schönsten im ganzen Iran. Das Innere ist wie bei fast allen Moscheen das gleiche. Die Wände sind mit reichverzierten farbigen Kacheln versehen. Der Innenhof ist von Iwanen und Arkaden umzogen. Auch hier gibt es Wintergebetssäle, die gegen die Kälte komplett abschließbar sind.

Den glühend heißen Sommern und den kalten Wintern hat die über 2500 Jahre alte Stadt ihre einzigartige Architektur zu verdanken. Nichts wurde zufällig so gebaut, alles hat seinen Sinn. Hohe Mauern schützen vor den erbarmungslos vom Himmel brennenden Strahlen der Sonne. Die Gassen baute man bewusst sehr eng, um angreifenden Soldaten keine Chance zu lassen. Sie heißen auch Straßen des Vertragens, weil sie Streithähne auf ihrem Weg durch die Stadt immer wieder nah aneinander vorbeiführen. Die Bögen über den Gassen halten die Lehmmauern auseinander, stabilisieren somit die Häuser und bringen zusätzlichen Schatten. Gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen die Sabate über den Gassen, sie dienen den Bewohnern der Häuser als Vorratskammern, sorgen für Stabilität und spenden ebenfalls kühlen Schatten. Jugendliche jagen knatternd ihre Mopeds durch die engen Gassen und versetzen dabei so manchen Fußgänger in Angst und Schrecken. Zwei Tschadors stehen unter einem Sabat und halten einen Tratsch. Ein Anwohner manövriert in Millimeterarbeit seinen Paykan so nah wie möglich zu seinem Haus und ein paar kleine Kinder spielen ungestört von der heißen Sonne Ball.

Ein weiteres Highlight der Yazder Architektur sind die Badgire, die Windtürme. Sie fangen an den heißen Sommertagen einen Windhauch ein, bringen ihn in einem ihrer zahlreichen Kamine nach unten in die Wohnung, wo ein Wasserbecken für Abkühlung sorgt. Der Luftzug wirbelt im ganzen Haus umher und zieht durch einen anderen Kamin im Badgir wieder ab.

Der höchste Windturm befindet sich im Baq-e Doulatabad, eine kleine Parkanlage zwei Kilometer westlich des Zentrums. Hinter dunkelgrünen Pinien ragt der Badgir in den Himmel. Sogar Weinstöcke gibt es hier. Im Gartenpalast kann man einen Blick in die langen, finsteren Kamine des Windturms werfen.

Eine Gasse mit ausgetrocknetem Bach in der Mitte bringt mich zurück ins Zentrum. Ein Kinderspielplatz und parkende Autos im Bachbett zeugen davon, dass hier nur sehr selten Wasser fließt. Die Straßen sind wie leergefegt. Es hat gut und gerne 35 Grad und die Mittagshitze hält die Bewohner in ihren kühleren Häusern. Auch ich zieh mich für ein zwei Stunden auf mein Hotelzimmer zurück.

Am späten Nachmittag statte ich dem Atashkadeh, dem Feuertempel, auf den mich der Taxifahrer auf der Fahrt zum Hotel aufmerksam gemacht hat, einen Besuch ab. In seinem Inneren lodert hinter einer Glasscheibe das ewige Feuer. Im Jahr 470 n.Chr. wurde es angeblich vom Tempel Nahid-e Fars nach Ardekan und später weiter nach Yazd gebracht und brennt seitdem ununterbrochen. Rechts neben der Glasscheibe hängt ein Gemälde von Zarathustra selbst.

Noch heute leben 6000 Zoroastrier in Yazd. Die Araber haben die Stadt bei der Islamisierung verschont, da sie glaubten, sie sei strategisch nicht von Bedeutung. Viele Zoroastrier flohen nach Yazd und fanden dort eine neue Heimat. "Gute Gedanken, gute Worte und gute Taten" lautet ihr Grundsatz.

An diesem Nachmittag lande ich tatsächlich noch in einem persischen Knast. Durch enge verwinkelte Gassen geht es von der Freitagsmoschee aus, gut beschildert, sonst würde kein Fremder dort hin finden, zum Alexandergefängnis. Alexander der Große soll hier einer Legende nach einen achäminidischen Würdenträger gefangen gehalten haben. Eine steile Treppe führt tief hinab in eine Kellerraum, der nur durch ein Gitter in der Decke Licht bekommt. Ein Springbrunnen plätschert und ein kleiner Junge von vielleicht zehn Jahren scheint hier den Wachposten zu spielen.

Dunkle Wolken verfinstern den Himmel. Ein Gewitter ist aufgezogen. Eine steife Brise fegt durch die Gänge des Bazars und Händler bringen rasch einige Sachen, die nicht niet und nagelfest sind, in Sicherheit. Ein, zwei Mal grollt der Donner schaurig über der Stadt und hallt vielfach an den nahen Bergen wieder. Wenige Regentropfen fallen und der Spuk ist vorbei. Gegen solche Gewitter kann man nichts einwenden, wenn man überlegt, dass in einem deutschen Sommer gewöhnlich nach spätestens drei warmen Tagen, ein Gewitter eine mindestens einwöchige Schlechtwetterperiode mit sich bringt.

Die Straßen haben sich wieder gefüllt und geschäftig erledigen die Yazdis ihre abendlichen Besorgungen. Die Autos quetschen sich, wie immer, hupend durch die Straßen. Ich kaufe noch ein Paar anständige Schuhe für 270000Rial. Warum soll ich in Deutschland 60 Euro oder mehr bezahlen, wenn ich es hier für 20 bekomme.

Amir Chaqmaq Portal

Freitagsmoschee

Gassen und Windtürme

Windtürme mit Minaretten

Windtürme mit Minaretten

Baq-e Doulatabad

der höchste Windturm

der höchste Windturm

Atashkadeh, Feuertempel

"also" sprach Zarathustra

"also" sprach Zarathustra

ewiges Feuer

ewiges Feuer

Alexandergefängnis & Bazar

© Thomas K., 2009
Du bist hier : Startseite Asien Iran Yazd
Die Reise
 
Worum geht's?:
Tehran - Esfahan - Shiraz - Kerman - Bam - Yazd - Tehran
Details:
Aufbruch: 01.05.2009
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 15.05.2009
Reiseziele: Iran
Der Autor
 
Thomas K. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.