Iran 2009
Teheran
2.05.09
Teheran ist nicht gerade die interessanteste Stadt im Iran und ich habe vor, gleich heute weiter nach Isfahan zu fahren. Trotzdem mache ich erst einen kleinen Rundgang durch die Straßen der näheren Umgebung, um einen Eindruck von der Stadt und dem Iran zu bekommen.
Die größte Herausforderung in Teheran ist es wohl, ähnlich wie in Cairo, eine Straße heil zu überqueren. Todesmutig spaziert ein erfahrener Einheimischer in das Wirrwarr vorbeifahrender PKWs meist der Marke Peykan und alten Renaults, bleibt mitten auf der Fahrbahn, die so breit ist, dass mindestens sechs Autos nebeneinander in einer Richtung Platz haben, stehen, während die PKW-Kolonnen hupend um ihn herumfahren, um dann im nächsten Moment weiter zum schmalen, rettenden Mittelstreifen zu eilen. Trotz der bekannten Gefahr dezimiert zu werden, finden rote Fußgängerampeln genauso wenig Beachtung, wie die Donationsboxen, die an jeder Straßenecke aufgestellt sind und vergebens darauf warten, dass jemand einen Schein in den breiten Einwurfschlitz steckt.
Ich komme an dem Gelände der ehemaligen US-Botschaft vorbei. Kunstvolle Wandmalereien auf den grauen Mauern zeugen in eindrucksvollen Darstellungen us-feindlicher Propaganda von der feindseeligen Einstellung zu den Amerikanern. Das eine Bild zeigt die Freiheitsstatue mit hämisch grinsendem Totenkopfgesicht, das andere eine Pistole in den Farben der US-Flagge, die auf den Iran gerichtet ist, die USA als gieriger Greifvogel, der die Weltkugel fest in seinen Krallen hält, oder der eiskalte Schriftzug: "Down with USA!" und darunter die Persische Übersetzung "Marg bar Amrika". An der nächsten Kreuzung gibt es sogar eine kleine orthodoxe Kirche. Griechische Buchstaben prangen über den Säulen, die das stumpfwinklige Vordach stützen. Wie eine Wand erhebt sich steil das fast 4000 Meter hohe Tochalmassiv nördlich der Stadt. Strahlendweiße Schneehauben glänzen im vormittäglichen Sonnenlicht und lassen hier unten ein Paradies für Wintersportler erahnen. Eine Seilbahn führt bis fast zum Gipfel hinauf. An meinem letzten Tag im Iran bin ich wieder in Teheran und will auf jeden Fall hinauffahren und den Gipfel stürmen. Hoffentlich spielt das Wetter dann auch mit.
Auf dem Rückweg zum Hotel habe ich ersten Kontakt mit einem Einheimischen. Ein Mann spricht mich auf Persisch an. Als ich sage, dass ich aus Deutschland komme, fragt er nach Fußball und Michael Ballack. Die Perser sind begeistert vom Deutschen Fussball und irgendwo im Iran soll es sogar eine Jürgen-Kliensmann-Straße geben.
Ein Hoteltaxi bringt mich zum Busterminal im Süden der Stadt. Der Verkehr in Teheran ist chaotisch. Die Autos fahren in sechser oder achter Reihen und jeder bahnt sich ohne Rücksicht auf den andern seinen Weg, wie bei einem Rennen um fahrende Slalomhindernisse. Manchmal bleiben dabei nur wenige Millimeter zwischen den Außenspiegeln frei. Besonders interessant ist das Linksabbiegen. Ist keine hohe Insel in der Fahrbahn- mitte, so fährt man schon vor der Kreuzung möglichst auf die linke Seite, hupen nicht vergessen, nimmt dem Gegenverkehr die Vorfahrt oder drängt sich gegebenenfalls links daran vorbei, ebenso scheucht man die an der roten Ampel wartenden Autos in der Straße, in die du einbiegst, bei Seite und mogelt sich dann wieder auf die rechte Spur zurück. Große Porträts von Khomeini oder Khamenei zieren fensterlose Hauswände und hellen das triste Bild der Teheraner Vorstadt auf. Andere sind mit Parolen bschrieben, die ich nicht lesen kann . Je weiter wir nach Süden kommen, desto ärmer und ungastlicher wird die Gegend. Hier wohnen die, die sich keine teuren Mieten leisten können.
Vor dem Busterminal sagt ein Mann etwas zu mir und als hätte ich seine Worte verstanden antworte ich: "Esfahan." Er bringt mich in das Gebäude zu einem Schalter, an dem ich ein Ticket kaufe. 55000 Rial. Der nächste Bus fährt in einer halben Stunde. Reges Treiben herrscht am Terminal. Frauen sitzen auf den Bänken oder eilen geschäftig mit wehendem Tschador umher. Männer in Stoffhosen und aufgekrempelten Hemden lesen zum Zeitvertreib Zeitung, in schöner geschwungener arabischer Schrift geschrieben, oder bringen ihr Gepäck hinaus zu den Bahnsteigen. Schreiende Kinder rennen umher. In der Mitte der kreisrund gebauten Halle befinden sich Läden, in denen man Getränke, Süßigkeiten, Snacks Zeitungen oder anderen Schnickschnack kaufen kann. Außen herum sind zwischen Läden die Schalter der "Tavuni", wie die Busgesellschaften hier heißen, untergebracht.
Draußen rufen die Busfahrer lauthals ihr Fahrtziel:" Esfahan, Shahr-e Kord, Esfahan, Shahr-e Kord, Esfahan, Shahr-e Kord!" wiederholt ein dunkelhaariger Mann mit weißem Hemd immer wieder. "Tabriz, Tabriz, Tabriz!" tönt es aus einer anderen Ecke. Ein alter, orangefarbener Mercedesbus rangiert vorsichtig aus seiner Parklücke. Eine dichte Schwarze Ruswolke steigt empor und verbreitet einen mächtigen Dieselgestank. Der Busbegleiter verstaut meinen Koffer im Gepäckabteil und gibt mir eine Marke mit einer Nummer, dass alle Gepäckstücke ihren Besitzer auch wieder finden. Nur wenige Plätze bleiben frei als wir losfahren. Frauen und Männer dürfen natürlich nur getrennt voneinander sitzen, es sei denn, es handelt sich um verheiratete Paare. Der Bus biegt auf die Autobahn, auf der wir auch schon vom Flughafen gekommen sind, nur natürlich in die andere Richtung. Bald erscheint linkerhand das Imam Khomeini Mausoleum, welches noch immer nicht ganz vollendet ist. Der Prachtbau ist auf Wunsch Ayatollah Khomeinis dort errichtet und angeblich nur durch Spenden vom Volk finanziert worden. Der Shagerd, wie der Busbegleiter auf Farsi heißt, schaltet den Fernseher ein und schiebt eine DVD in den Recorder. Sie zeigen den Film, indem fiese Killerinsekten in den Röhren der New Yorker U-Bahnen ihr Unwesen treiben und die Bewohner in Angst und Schrecken versetzen. Weite, wüstenähnliche Ebenen, in denen bestenfalls spärliche Grasbüscheln gedeihen, wechseln sich mit bergigen oder, in Nähe kleiner Dörfer, saftig grünen, landwirt- schaftlich geprägten Gegenden ab. Ein überholender Lastwagen vor uns zwingt uns zu bremsen. Mit höchstens zwei Metern Sicherheitsabstand und Lichthupe hängen wir dem LKW hinten drauf. Hinter Qom verlassen wir die Autobahn und fahren auf einer gut ausgebauten Landstraße weiter Richtung Süden. Irgendwo, an einem Rastplatz mit Restaurant, Klos und kleinen Geschäften, legt der Fahrer die obligatorische Ruhepause ein.
Gegen Abend erreichen wir Isfahan. Die Straßen sind naß, dunkle Wolken ziehen am Himmel langsam ab. Kurz vor meiner Ankunft muß wohl ein anständiger Schauer nieder gegangen sein. Das Setareh Hotel hat schöne saubere Zimmer, nur das Bad ist etwas mickrig. Das wird aber durch die unmittelbare Nähe zum Zentrum wieder wett gemacht. Der berühmte Imamsplatz ist nur wenige hundert Meter entfernt.
Aus "nefs-e jahan" die Hälfte der Welt, ist der heutige Name Esfahan entstanden und das nicht zu Unrecht. Der große Meydan ist beein- druckend. Er misst 524 Meter in der Länge und etwa 160 in der Breite. Rings um, unter doppelstöckigen Arkaden, verläuft ein Bazar, wo Hand- werker und Händler ihre Waren feilbieten. In der Mitte befindet sich eine Springbrunnenanlage sowie Grünflächen mit Bänken, auf denen sich bei ihrem Stadtbummel müde gewordene Isfahanis ausruhen können. Die vielen Pferdekutschen lassen fast ein "Wiengefühl" aufkommen und das, obwohl im Süden die Mesdjid-e Imam mit ihrem großen, blaugekachelten Eingangsportal, flankiert von zwei aufstrebenden Minaretten, den Platz begrenzen.
Der Ober im Hotelrestaurant ist sehr klein, fast wie ein Kind, aber mir scheint, als fühle er sich bei seiner Arbeit als Kellner richtig wohl. Es gibt Hackfleischspieße, ähnlich wie Adanakebap, mit gelbem Safranreis, dazu gegrillte Tomaten und eine scharfe Peproni. Noch habe ich keine Ahnung von den iranischen Getränken, Alkohol ist tabu, und entscheide mich für eine ordinäre Pepsi. Auf den Preis wird in der Regel noch 15% Service- gebühr erhoben, aber bei 65000 Rial macht das nicht viel aus.
Später auf dem Zimmer durchforste ich noch das iranische Fernseh- programm. Ist das nicht Semir, der Autobahncop? Tatsächlich, Alarm für Cobra 11 gibt es auch im Iran. Es ist schon ein bisschen komisch, wenn die bekannten Darsteller alle ein andere, ungewohnte Stimme haben und noch dazu Farsi sprechen.
Aufbruch: | 01.05.2009 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 15.05.2009 |