Indien 2004
Benares
Leider kann ich auch von Benares (jetzt Varanasi) nichts Besseres erzählen. Im Gegenteil, für mich war das die schlimmste Stadt. Gestank, extremst aufdringliche Bettler und Händler überall. Auf dem Ganges schwimmen die toten Kühe. Auch die verstorbenen Kinder (bis zu einem Alter von 5 Jahren) und die Priester werden komplett in das Wasser geworfen. Unser Führer erzählte, man habe 50.000 unterschiedliche Bakterienarten in einem ccm Wasser gezählt. Diese Brühe wird dann von den Leuten auch noch getrunken, wodurch sie allerdings erstaunlicherweise nur selten krank werden. Wir unternahmen eine kleine Bootsfahrt (sicherheitshalber mit Mundschutz) auf dem Ganges. Beim Aussteigen trat ich - wie üblich mit der Kamera am Auge - in einen von den überall herumliegenden Kuhfladen. Ich stellte mich daher mit einem Fuß auf die Treppe direkt am Flussufer. Den anderen Fuß tauchte ich in den Ganges und wusch die Sch... vom Schuh ab. Eine Frau, ca. 1m von mir entfernt, sah mir dabei zu. Sie betete dabei, tauchte unter, faltete die Hände und trank das Wasser von "Mutter Ganges". Inzwischen kam eine von uns zuvor im Boot überholte tote Kuh in ca. 3m Entfernung angeschwommen. Das Alles störte die Frau nicht im Geringsten und sie trank in tiefer Andacht weiter.
Auf dem Rückweg kamen wir durch Gassen, kaum 1,5 m breit. Der Kot auf dem Boden, die Kühe im Weg, die Gerüche aus den Häusern, das Geklingel der vielen Tempel, die Berührungen der Menschen uvm. All das ist unbeschreiblich und kann man eigentlich nur erleben. Wir haben so oft darüber gesprochen wie man das am Besten zuhause erzählt, waren uns aber alle einig, dass dies nicht möglich ist.
Das Hotel in Benares war nicht das Beste. Ausgeschrieben war es wie alle anderen Hotels auch, als 5 Sterne-Hotel. Die Realität war ein bisschen anders. An unseren Maßstäben gemessen, würde ich 3 Sterne vergeben. Das ist natürlich nicht so schrecklich schlimm, aber wenn man im Zimmer in die Ecken und Fenstersimse schaut, denkt man natürlich zwangsläufig an die Küche wie es dort wohl aussieht. Schließlich arbeiten in der Küche die Arbeitgeber unseres Magen-Darm-Traktes. Meine Eingeweide hatten mich bereits in Jaipur wissen lassen, dass sie mit dieser Reise nicht so recht einverstanden waren. Ich hatte dort zwei, nicht überaus schlimme Tage. Andere Reisegefährten wurden ganz entschieden intensiver auf die Viren- und Bakterienwelt Indiens getestet. Mein Verdacht richtete sich hauptsächlich auf das hier gebraute einheimische Bier, das im Übrigen sehr gut schmeckte. Ich bin eigentlich nur im Urlaub Biertrinker da ich immer im Glauben war, dass dies ein relativ steriles Getränk ist. In meiner Indienvorbereitungszeit las ich aber in einem Buch, dass manches Bier in Indien wohl doch nicht immer so keimfrei ist. Allerdings nahm ich an, dass dies wohl nur für kleinere Brauereien, deren Versorgungsgebiet regional begrenzt ist, Gültigkeit hat. Wie auch immer, ich hörte mit dem Biertrinken auf und hatte ab diesem Zeitpunkt wieder meine Ruhe. Andere Mitreisende machten dieselbe Erfahrung. Manche tranken später das Gebräu wieder und siehe da, die kleinen Biester waren sofort wieder am werkeln. Dies bestätigte natürlich meinen Verdacht.
Nun aber zu unserer abenteuerlichen Zugfahrt nach Kalkutta. Der Zeitpunkt unserer Abfahrt am Bahnhof war auf 5.30 Uhr festgelegt. Damit dies auch reibungslos klappte, ließen wir uns in der Nacht um 2.30 Uhr wecken. Frühstück gab es zu dieser Zeit natürlich nicht, dafür bekamen wir eine kleine Wegzehrung. Wir standen also noch müde und schlaftrunken in der Halle des Hotels und warteten auf unseren Bus, der uns zum Bahnhof bringen sollte. Dann kam die Nachricht, dass der Zug 3 Stunden Verspätung hat. Das Personal an der Rezeption hatte ein Herz und gab einen Teil unserer vormaligen Zimmer wieder frei. So konnten jeweils zwei Paare sich ein Zimmer teilen und noch ein bisschen die frühmorgendliche Ruhe genießen. Nach Ablauf der drei Stunden fuhren wir dann planmäßig zum Bahnhof. Schon der Zugang zum Bahnhofsgelände gestaltete sich abenteuerlich. Überall Kuhfladen, schöne frisch dampfende und auch etwas ältere, schon angetrocknete Exemplare. Jede Menge Leute mit "hilfreichen Händen" die uns Europäern das Kofferschleppen wohl nicht so recht zutrauten. Wir mussten massiv den Menschen klarmachen, dass auch ein Abendländler sehr wohl in der Lage ist, eine solche Arbeit zu verrichten. Natürlich war uns klar, dass diese Leute elendig arm sind und vom Kofferschleppen lebten. Im Bahnhofsgelände selbst waren wieder Lärm, Dreck, Gestank und viele Menschen, die zuerst ins Auge stechenden Merkmale. Unser, in Benares ausgewechselter Reiseleiter, steuerte unbeirrt über Treppen und Brücken durch dieses Chaos und führte uns sicher zu unserem Gleis. Leider war auch nach einer Stunde nichts von einem Zug - zumindest nicht von unserem - zu sehen. Inzwischen hatten die hier in elenden Zelten lebenden Anwohner uns als Quelle für Rupias, Dollars und Uros - die Inder sprechen am Wortanfang kein J - daher anstelle "Juro" (Euro) Uro, sowie evtl. hochwertigen, gut schmeckenden Nahrungsmitteln entdeckt. Hinzu kamen Bettler mit entstellten Gliedern. In ihren Klamotten hatte sich offensichtlich ein kleiner Zoo entwickelt, denn sie waren ständig am kratzen oder juckten sich. Auch halfen sie sich gegenseitig beim abernten dieser Tiere in den Haaren, die sie nach erfolgreicher Jagd verspeisten. Irgendwie erinnerte mich das Geschehen an den Frankfurter Zoo, den wir von Zeit zu Zeit ganz gerne besuchen. Nachdem wir den größten Teil unseres Ess-Paketes aus dem Hotel verschenkt hatten sahen wir, dass viele der eingepackten Lebensmittel zwischen den Schienen lagen und die herumstreunenden Hunde sich darüber machten. So verging einige Zeit - ich habe keine Ahnung mehr wie lange - und wir fuhren wieder zurück zum Hotel. Unser indischer Reiseleiter erklärte sich bereit, auf unser Gepäck aufzupassen. Mir tat der Mann richtig leid, stand er doch in der prallen Sonne und musste die Koffer von ca. 30 Personen gegen seine Landsleute verteidigen. Ob er etwas zu trinken hatte ist mir unbekannt. Wir lungerten dann einige Stunden in der Lobby und an einem Pool des Hotels herum, bis wir wieder zum Bahnhof gebracht wurden. Unserem Aufpasser zolle ich heute noch größten Respekt, da er alle Koffer wohlbehütet hatte und nichts abhanden kam. Beachtenswert ist dabei, dass der noch relativ junge Mann bereits einen Schlaganfall hinter sich hatte und er dadurch mit Lähmungen zu kämpfen hatte. Wir warteten also - jetzt schon mit etwas Erfahrung im Umgang mit den Einheimischen - mehr oder weniger geduldig auf unseren Zug, der dann endlich mit 13 - in Worten: dreizehn Stunden - Verspätung kam. So richtig vertrauenswürdig sah das Stahlross nicht aus, machte aber dann seine Arbeit doch recht gut. Wir erfuhren dann auch, dass wohl ein Wagon entgleist war und daher die große Verspätung zustande kam.
Aufbruch: | 06.02.2004 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 23.02.2004 |