Myanmar (Birma) 2009/10
Zugespitzt: Yangon
Ein Allesorganisierer (Schwarzmarkt, Ausflüge und das Hotel des Schwagers mit Seeblick zu Sonderpreisen) hat es geschafft uns am Flughafen von Yangon in ein Taxi zu lotsen. Er holt ein Schreibheft hervor, gefüllt mit Empfehlungsschreiben nach Sprachen geordnet und von Touristen stammend, die er hier- und dorthin vermittelt hat. Wir lassen uns zum Soma Hotel kutschieren (nicht in das des "Schwagers"), das ein paar höhere Serviceansprüche simuliert. So hat man, wenn man eintritt, praktisch keine Chance die Eingangstür selbst zu öffnen, immer reißt jemand sie vorher auf, Karin glaubt anfänglich noch an einen elektrischen Automatismus. Zwanzig Dollar kostet's die Nacht und die Klopapierrolle ist am Ende kunstvoll spitz gefaltet. Das Stadtzentrum, nun ja, viele schwärzlich angelaufene Fassaden, häufig Mosaike aus vergitterten Waben, hinter jeder lebt eine Familie und von jeder hängt eine bunte Nylonkordel herab, sie ist Hausklingel und Lastenaufzug in einem. Die Bürgersteige liegen meistenteils in Trümmern, nicht zu stolpern ist eine gewisse Herausforderung. Straßenabschnitte mit kleinen Ständen, immer auch diesen Essständen, wo man auf winzigen Stühlen oder Schemeln sitzt und von ebensolchen Tischchen Reis oder Nudeln mit diversen Soßen isst, Abschnitte also, wo ein wenig Trubel herrscht, wechseln unvermittelt ab mit anderen, die eine Straßenseite weiter wie vergessen liegen. Wir treiben uns herum, kommen an einer kleinen, ärmlichen Markthalle vorbei. Karin kauft ein buntes Tuch, trägt es um den Hals. Vor allem Longyis werden angeboten, Frauen wie Männer tragen sie, ihr Gang darin wirkt geschmeidig, leise. Jungs spielen das allgegenwärtige Spiel mit dem geflochtenen Ball, der nur mit Fuß oder Kopf entweder wie beim Volleyball über ein Seil gebracht werden muss oder einfach im Kreis hin und her gekickt wird, Chinlon heißt es, und dabei stecken sie ihre Longyis an der Hüfte fest, dass diese aussehen wie antiquierte Badehosen. Wenn es dunkel geworden ist, kann man beobachten, dass den Chinlon-Spielern sogar die breiten, weniger befahrenen Straßen der Innenstadt als Spielfläche dienen. Obwohl weniger als eine Flugstunde entfernt, beträgt der Abstand zwischen Yangon und Bangkok, wie es scheint, Jahrzehnte.
Buchbinder am Straßenrand. Es wird viel gelesen in Myanmar, die Alphabetisierungsrate liegt bei über 90%, Fernseher hingegen sind noch Luxusartikel.
Ein Gang zur deutschen Botschaft. Wir brauchen eine Kontaktadresse zu jenem Reiseveranstalter, dessentwegen wir in Peking in die Bredouille geraten waren, Terminal A heißt er und er hat seinen Sitz in Spanien. Bei dem haben wir nämlich auch einen Rückflug gebucht. Ein groß gewachsener Mann mit norddeutschem Akzent versucht uns behilflich zu sein, wird im Internet auch mit einer Telefonnummer fündig, mehr kann er nicht für uns tun. Freundlicher Smalltalk, er wohnt im selben Berliner Bezirk wie Karin und ich, und er gibt uns noch die Information, dass die Fluggesellschaft, diesmal China Southern, ein Büro in der Stadt habe, auf dem wir uns erkundigen können, was die gebuchten Tickets nach Peking noch wert seien. Alles sei in bester Ordnung, verkünden uns wenig später drei Mädchen bei China Southern, sie geben es uns sogar schriftlich und wir trinken danach erst mal 'n Bier. Noch immer ein wenig am Jetlag laborierend, versuchen wir anschließend einen irgendwann verpassten Schlaf nachzuholen.
Am Abend der Weg zur Schwedagon-Pagode. Wenn man in der Stadt herumfährt oder -wandert, wird sie an zahlreichen Stellen in der Ferne plötzlich sichtbar, sie bekleidet die Spitze eines breiten, zentral gelegenen Hügels. Yangon hat Kirchen, indische Tempel, Moscheen, und natürlich Pagoden, aber Schwedagon ist ein einsames Prunkstrück. Durch ein von mächtigen Chimären aus Löwen und Drachen bewachtes Tor gelangen wir über eine lange Treppe vorbei an Reihen von Souvenirläden auf die eigentliche Plattform mit ihrer über und über vergoldeten Stupa, die wiederum von kleineren goldstrahlenden Tempeln, Schreinen und Pavillons umgeben ist, alle voll (und manchmal übervoll) mit Buddhastatuen. Ringsum die Betenden und Staunenden. Der untere Teil der großen Stupa - das ist so recht erst aus der Nähe zu erkennen - ist mit Bastmatten überzogen, vergoldeten natürlich, die, wie die angelegten Bambusgerüste vermuten lassen, ständiger Pflege und Erneuerung bedürfen. Als wir von einem Mönch angesprochen werden, der von uns das Eintrittsgeld von fünf Dollar kassieren will, ist klar, dass ausländische Besucher ihren gehörigen Beitrag dazu leisten. Auffällig ist, dass einige der Pavillons noch vergleichsweise neu sind, sogar die 60er-Jahre-Mode der Glasbausteine und der gekachelten Außenwände kann man hier entdecken. Den nebeneinander darin aufgereihten Buddhafiguren haftet gelegentlich das Flair von Massenware an. So alt und ehrwürdig andere dieser Buddhas sind, sie entgehen nicht dem Jahrmarktgeplänkel von elektrisch rotierenden, in allen Bonbonfarben um ihre Häupter gelegten Strahlenkränzen. Aber der Blick richtet sich eher auf die einheimischen Besucher, die all die schillernde Pracht aufsaugen, als hätten sie erst hier wieder Luft zum Atmen, die vor ihren Buddhas die Hände über dem Kopf falten, einzelne von ihnen schwärmerisch mit Wasser übergießen oder mit einem schweren Holzstück gegen Glück verheißende Glocken stoßen, die zeichenhaft im Hintergrund tönen. Schwedagon ist ein buddhistisches Mekka und die Menschen, die hierher kommen, bringen Blumengestecke (auch kunstvolle Gestecke aus Geldscheinen), bringen Kerzen und sie bringen noch etwas anderes mit: Es gibt keine Rufer, keine Vorbeter, keine uniformen Abläufe, es herrscht eine andere Auffassung von Bindung, also im wörtlichen Sinne von Religion, und so ist es nicht das Bauwerk, das einen aufsaugt, klein macht, es ist keine rauchgeschwängerte Meditation, sondern ein eigentümliches Maß an Stille, das die Besucher selbst mitbringen. Ich bin gerne hier, es hat ein bisschen was Ansteckendes.
Aufbruch: | 19.12.2009 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 10.01.2010 |