Myanmar (Birma) 2009/10

Reisezeit: Dezember 2009 - Januar 2010  |  von Peter Kiefer

Krumme Sektgläser: Yangon 2

Blick in den Rachen eines Nilpferds im Zoo von Yangon.

Blick in den Rachen eines Nilpferds im Zoo von Yangon.

Der Gedanke uns ein russisches Visum zu besorgen liegt nahe, denn auf dem Heimflug werden wir sieben Stunden Aufenthalt in Moskau haben. Die Botschaft hier in Yangon gleicht einer Festung aus dicken Mauern und Stacheldraht und sie verstärkt sich sogar mit metallenen Prellböcken zur Straße hin. Es ist fast unmöglich auch nur einen Blick auf die Gebäude im Inneren des Grundstücks zu werfen, vermutlich alles Betonbunker. Wir müssen ohnehin draußen bleiben, denn die Botschaft hat ihren Betrieb bis zum 11. Januar komplett eingestellt. Kein Visum also. Dafür zum Frühstück ein indisches Thali und es folgt ein entspannter, wenig ereignisreicher Tag in dieser Stadt, die mir jetzt beim zweiten Anlauf ein merkliches Stück näher gerückt ist. Unter anderem besuchen wir eine Glasbrennerei. Sie ist nicht mehr in Betrieb, die Preise für die Rohstoffe seien zu hoch. Ein älterer, unendlich auskunftsfreudiger Mann führt uns auf dem Weg zur halb zerstörten Halle mit den Brennöfen durch einen Garten, der so übersät ist mit einem gewachsenen Ausschuss an Glasgefäßen, dass man glauben könnte, sie wüchsen hier wie Blumen. Wir kaufen zwei Sektgläser, die man fraglos als die krummsten aller Sektgläser bezeichnen kann. Im Hauptgebäude, als gehörte er zum Mobiliar, ein mindestens fünfzig Jahre alter, zugestaubter und verbeulter Vauxhall. Ja, sagt der Mann, den hab ich noch gefahren und wieder erzählt er eine Geschichte und man hätte auch gerne mal dringesessen. Später lassen wir uns zum Ufer des Kandawgyi-Sees kutschieren, wo man einen nicht weiter nennenswerten Vergnügungspark eingerichtet hat, der allerdings über ein Riesenrad verfügt. Nähert man sich der höchsten Stelle, leuchtet wie eine späte Sonne das Gold der Schwedagon-Pagode über den Häusern auf.

Am Morgen darauf noch mehr Yangon, fast ein wenig zu viel, denn wir geraten in den Dunstkreis der burmesischen Bürokratie. Eine von unserem Guide bezeichnete zweistündige Fähre in die kleine Stadt Twante, die speziell an diesem Tag ablegen soll, scheint nicht mehr zu existieren, jedenfalls kann niemand an den Docks uns eine Auskunft geben. Aber es gibt noch eine weitere Fähre, die lediglich den Fluss überquert, vom anderen Ufer fährt man dann auf der Landstraße weiter. Nur: Für diese Fähre brauchen Ausländer eine spezielle Erlaubnis, für eine Fahrzeit von fünf Minuten! Das zuständige Büro ist auf der Karte im Guide falsch eingezeichnet, wir finden es nicht und fragen uns durch. Kaum jemand spricht halbwegs verständliches Englisch, trotzdem wissen alle etwas, nur jeder etwas anderes, so dass wir uns nach einer Weile entschließen die Sache ohne Erlaubnis zu wagen, zwei Dollarscheine werden's richten. Auf dem Weg zurück zur Anlegestelle passieren wir das Gebäude der Schifffahrtsbehörde, fragen dort noch einmal nach, treffen auf einen leutseligen Herrn, der sagt: Kein Problem, ihr müsst nur zur Einwanderungsbehörde, die ist gleich da und da. Wir finden sie dann auch fast auf Anhieb, müssen allerdings noch eine halbe Stunde warten, bis sie öffnet. Bei einer Tasse Tee kommen wir mit einer Frau ins Gespräch, die uns weiterhilft und der Wirtin des kleinen Straßencafés Bescheid sagt, damit sie uns schließlich, nachdem geöffnet worden ist, zum zuständigen Büro im vierten Stockwerk bringt. Dort sitzen ein paar Frauen zwischen staubigen Aktenschränken und alten Spinnweben. Der Dienst habende Offizier dieser mit "Vorküsten-Abteilung" bezeichneten Stelle kann mit unserem Anliegen wenig anfangen, telefoniert und teilt uns dann mit, dass es generell Ausländern verboten sei die Fähre zu betreten. Wir wissen zwar, dass das nicht stimmt, aber was soll´s. Die Frau, mit der wir uns zuvor unterhalten hatten, ist noch immer da, sagt, es gäbe weiter nördlich auch eine Brücke, über die man mit dem Bus fahren könne und schon organisiert sie für uns ein Taxi zu einem bestimmten Busbahnhof. Der Fahrer wisse Bescheid, sagt sie und es beginnt eine schier endlose Tour durch alle möglichen Viertel der Stadt. Immer warte ich darauf, dass wir zu dem bewussten Busbahnhof gelangen, aber am Ende brausen wir - da sind wir schon eine volle Stunde unterwegs - sogar über die besagte Brücke und weiter eine Fernverkehrsstraße entlang über etliche Kreuzungen, ehe dann das Taxi plötzlich hält- genau neben einem Bus, wieder einem dieser Schrottwunder: Der ist es, der nach Twante fährt. Kaum sind wir eingestiegen, fährt er, als ob er nur auf uns gewartet hätte, los. Zwar ist er voll, aber die beiden Jungs (einer hat eine frappierende Ähnlichkeit mit Peter Falk), die sich um Passagiere und Gepäck kümmern, schaufeln uns sofort zwei Plätze frei. Zu sehen gibt es draußen nicht viel, wir fahren eine erst halb befestigte, noch im Bau befindliche Straße entlang. Als sie zu Ende ist, zweigen wir nach rechts ab und nun belebt sich die Landschaft ein wenig, Dörfer tauchen auf und schließlich Twante.

Baumelndes Bein auf Boot.

Baumelndes Bein auf Boot.

Das Städtchen, direkt am Fluss gelegen, ist vom Wirbelsturm besonders hart getroffen worden, das ist auch jetzt noch unverkennbar. Andererseits ist vieles von dem, was auch zuvor nicht niet- und nagelfest gewesen ist, in der Eile längst wieder aufgebaut worden (und wird beim nächsten Sturm ebenso schnell wieder weggefegt werden). Wir sitzen in einem Restaurant, dessen hinterer Teil auf den Fluss hinaus geht. Boote sind mit allen möglichen Lasten unterwegs, werden be- und entladen, es ist eine kleine Bilderflut, die da vorüberzieht und die Tempelanlage auf dem gegenüber liegenden Ufer bildet eine zusätzliche Kulisse. Eine Kleinigkeit nur, dass wir aus den Säcken mit den verschiedenen Sorten eines Reishändlers ein paar Proben mit nach Hause nehmen möchten, aber erwähnenswert, denn: So wenig bloß? fragt der Händler und füllt uns drei Tüten ab. Sie kosten nichts, er schenkt sie uns als Souvenir.

Uferszene in Twante.

Uferszene in Twante.

Zwei Trischa-Fahrer haben sich die ganze Zeit über an unsere Fersen geheftet, jetzt sollen sie uns noch ein bisschen mehr von Twante zeigen. Der Tempel, zu dem sie uns bringen ist neu (die Sturmschäden werden noch repariert), jedoch kaum von Belang. Anders verhält es sich mit einer kleinen Weberei. So ein Webstuhl, wie die Frauen ihn bedienen, produziert vier von den größeren Umhängetaschen pro Tag, erzählt man uns. Selbst für unseren Trischa-Fahrer ist diese Information neu, er staunt und wir auch. Als Spinnrad dient übrigens ein umgebautes Fahrradgestell.

Da ist es, das Spinnrad.

Da ist es, das Spinnrad.

Zurück dann wieder mit dem Bus. Aber dieser fährt nicht über die Brücke, die wir passiert hatten, sondern fährt direkt zur Anlegestelle der "verbotenen" Fähre. Und nun? Jemand fragt uns nach den Tickets. Haben wir nicht. Dann müsst ihr sie da drinnen in dem Büro ... Ein Kollege winkt ab und sagt dem Mann, er soll einfach das Geld nehmen. So hätte es bestimmt auch auf der Hinfahrt geklappt, dafür wären wir um eine kleine Geschichte ärmer. Der darauf folgende Tag ist der letzte in Yangon, in Myanmar. Wir nutzen ihn noch zu ein paar kleinen Einkäufen; Karin lässt sich zum Beispiel eine Lesebrille anfertigen, ich kaufe eine burmesische Münze aus dem fünften Jahrhundert für meine Sammlung (das Angebot an alten Münzen ist sehr gering und die Ausfuhr natürlich verboten). Und wir gehen in den Zoo. Er ist anders, als wir ihn uns vorgestellt hatten, sehr großzügig angelegt und lässt auch den Tieren sehr viel Raum. Ein Nilpferd kommt an den Rand des Grabens, sperrt sein breites Maul auf und erwartet, dass wir Salat hineinschütten (den kann man an einem Stand nebenan kaufen). Als es nach dem dritten Versuch noch immer keinen Erfolg hat, tappt es diszipliniert zurück in sein Bassin. Eine Pythonschlange versucht über die Absperrmauer zu kriechen, ich bin neugierig, wann sie aufgibt. Das tut sie zwar nicht, aber Erfolg hat sie auch keinen. Das Wasser spritzt laut auf, als sie steif wie eine Dachlatte zurück in den Graben fällt.

Was sich laust, liebt sich sicher ein bisschen.

Was sich laust, liebt sich sicher ein bisschen.

Ein letztes burmesisches Abendmahl, wieder hervorragend, was mich angeht, später in der Nachbarschaft unseres Hotels ein letztes burmesisches Bier, das jedoch niemand vermissen kann. Nun endlich das Bad im Hotel, aber es kommt kein heißes Wasser. Nicht tragisch, wir erhalten den Schlüssel für ein anderes nicht belegtes Zimmer, da fließt es dann (und eine scheue Kakerlake sucht gleich das Weite). In der Frühe verabschieden wir uns von dem verängstigten Monstergoldfisch, der sich, immer wenn wir zu ihm kommen, irrigerweise versucht hinter dem Schläuchlein der Wasserpumpe zu verstecken, dem einzigen Utensil in seinem trostlosen Aquarium. Dann zum Flughafen.

© Peter Kiefer, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mehr als zwanzig Jahre ist es her, dass Karin und ich in Südostasien gewesen sind. Wer freilich Myanmar, das ehemalige Birma, besucht, wird kaum bemerken, dass sich in all der Zeit etwas verändert hat. Es ist es ein Land, in dem es vermutlich mehr Buddhastatuen gibt als Einwohner.
Details:
Aufbruch: 19.12.2009
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 10.01.2010
Reiseziele: Myanmar
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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