Myanmar (Birma) 2009/10

Reisezeit: Dezember 2009 - Januar 2010  |  von Peter Kiefer

Schmalspurritt: Der Weg nach Süden

On the road.

On the road.

Eine schäbige Raststätte schon mitten in der Nacht, Karin steckt auf wer weiß was für einer Toilette, ich gieße in der Hoffnung, dass sie noch rechtzeitig erscheinen wird, zwei Schälchen mit dünnem grünen Tee voll, der überall kostenlos gereicht wird, und blicke wieder zur Uhr. Eine Minute noch und jetzt kommt sie zurück und wir können anstoßen. Auf ein glückliches Neues Jahr. Die Fahrt mit Überlandbussen ist jedes Mal anstrengend, nicht allzu unbequemer Sitze oder schlechter Straßen wegen, die gibt's freilich auch, sondern weil dauernd und in ordentlicher Lautstärke Videos abgespielt werden mit entweder billig produzierten Soaps oder endlosen Schnulzenkonzerten, häufig die ganze nächtliche Busfahrt über. Zwischendurch Straßenkontrollen: Man steigt aus, geht zehn Meter weiter zu einer Ausweiskontrolle, wo dann der halbe Pass abgeschrieben wird (wie oft taucht in bald schon verstaubten Akten allein der Name meiner Geburtsstadt auf!), dann sind es noch einmal zehn oder zwanzig Meter zu Fuß, um schließlich wieder in den angerollten Bus einzusteigen. Was sind das überhaupt für Kontrollen? Markieren sie irgendwelche Provinzgrenzen? Die Landkarte kann uns nirgends rechten Aufschluss darüber geben. Morgens dann um fünf nach dreizehn Stunden Fahrt steigen wir in Bago aus, früher einmal Hauptstadt, heute ein Irgendwas. Immerhin gibt es einen Zugbahnhof und es gibt nach Auskunft des hilfsbereiten Wirts eines Cafés, in dem wir frühstücken, an diesem Morgen auch eine Verbindung nach Mawlamyine, unserem nächsten Ziel. Am Bahnhof werden wir in ein Büro gelotst, dessen Zweck uns nicht sofort klar ist. Ein Haufen schiefer Schränke steht herum, auf denen sich Akten türmen, alles ist zentimeterdick mit Staub bedeckt, auf dem Boden huscht eine Maus herum und außer uns ist da noch ein Mann, der uns streng beäugt und bei jeder unpassenden Gelegenheit Danke! sagt. Er schreibt unsere Tickets aus und ich frage mich einen Moment, warum wir die nicht wie alle anderen am Fahrkartenschalter erhalten. Aber nur einen Moment, denn ich muss ja bedenken, dass wir Ausländer sind und die Fahrt in Dollars bezahlen müssen und das erfordert einen gewissen bürokratischen Aufwand. Dieses Mal dauert er freilich länger als sonst, eine geschlagene Viertelstunde, was uns nun doch überrascht. Aber dann wird klar, dass der Mann das Durchschlagpapier für die drei Kopien, die, keine Frage, gemacht werden müssen, falsch eingelegt hatte und nun noch einmal mit Pass- und Visanummern und Geburtsstadt usw. von Neuem gefordert war.

Reisbauer bei der Arbeit.

Reisbauer bei der Arbeit.

Einiger Betrieb herrscht draußen auf den zwei Bahnsteigen und jetzt haben wir sogar einen nummerierten Sitz in der Holzklasse, die aber Polstersitze hat. Eine alte Diesellok rattert voran, wir holpern über Schmalspurgleise und es kommt mir vor, als folgte der Zug einem Trampelpfad mitten durch die Landschaft, mitten durch kleine Dörfer, durch Felder und Wälder. Zumindest in den größeren Orten, etwa am Ausgang dieser Stadt Bago, siedelt am Gleisrand die Armut, ehrlicher gesagt, das Elend mit windschiefen Hütten, die nicht einmal mehr diesen Namen verdienen. Anderswo ist es dann die "gesunde" ländliche Armut, wo derzeit nach der Ernte auf zahlreichen Tennen kleine Wolken von Getreidespelz aufwirbeln, Kühe sich an schattigen Orten zusammendrängeln, Wasserbüffel sich in Tümpeln suhlen. Dazwischen Palmwälder, kleinere Dörfer, fettes, staubiges Grün. Im Zug fühlt man sich, als säße man auf einem Reitsattel, es ist ein gleitendes Auf und Ab. Unterwegs auf Nebengleisen andere entgegenkommende Züge mit oft nicht mehr als zwei Wagen und mit Holzbänken (wenn überhaupt) in deren Mitte. Erstaunlich ist die Einfahrt nach Mawlamyine, dort wo man Anlauf nimmt zur längsten Brücke des Landes, die über den Thanlyin-Fluss führt. Ein Stück weit von oben hat man einen Blick auf Palmenhaine, auf einen Teich mit Fischerbooten, geradezu auf eine Südseeidylle. Kommt man auf der anderen Seite der Brücke in der Stadt an, drängen sich wieder ärmliche Häuser ins Blickfeld. Auf dem Bahnhof heuern wir zwei Motorradtaxis an, mein Fahrer (noch so ein Allesorganisierer) überschüttet mich mit Angeboten für diesen und jenen Ausflug, den man unbedingt machen sollte. Dabei ist uns nach mittlerweile 27-stündigem Unterwegssein (rechnet man vom Start in Mandalay an) wirklich nur noch nach einem Bett zumute. Aber alle Hotels, die wir nun in einer Endlostour durch die Stadt ansteuern, sind entweder belegt oder ihre Zimmer sind fensterlose Zellen, und auf die haben wir bei allem Sinn fürs Simple heute keine Lust. Das, in dem wir schließlich Obdach finden, ist eins der teureren. Seine Qualitäten liegen nicht unbedingt in Reinlichkeit oder Funktionstüchtigkeit, dafür gibt's umso mehr Service und einen jetzt in der noch nicht hereingebrochenen Dunkelheit wunderschönen Blick hinaus auf den Fluss, der nach allen Seiten von Fischerbooten bevölkert ist. Zum ersten Mal geht es meinem Magen wieder besser, ich beiße in einen großen roten Apfel.

© Peter Kiefer, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mehr als zwanzig Jahre ist es her, dass Karin und ich in Südostasien gewesen sind. Wer freilich Myanmar, das ehemalige Birma, besucht, wird kaum bemerken, dass sich in all der Zeit etwas verändert hat. Es ist es ein Land, in dem es vermutlich mehr Buddhastatuen gibt als Einwohner.
Details:
Aufbruch: 19.12.2009
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 10.01.2010
Reiseziele: Myanmar
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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