Kanada für Anfänger, wie mich...

Reisezeit: August 2010  |  von Sabine H.

300 KM bis Ucluelet

19.08.2010

Früh stehe ich auf und für Frühstück habe ich keine Zeit. Ich hab´2 Bananen im Gepäck, Wasser und 1 Flasche Apfelsaft, für schlappe 300 KM muss das reichen. Ich hole den Nissan aus der Tiefgarage und bewege den zur nächsten Tankstelle. Da stehe ich dann erstmal ratlos vorm verschlossenen Tankdeckel. Hm, wie soll man den denn aufkriegen ? Mit langen Fingernägeln dahinterhaken und ziehen oder gleich die Zähne benutzen ? Nein, es muss einen anderen Weg geben, den hermetisch verschlossenen Tank zu öffnen. Ich hab´nur gerade leider keine Idee, wie. OK, es gibt ja Menschen um mich herum, also spaziere ich zum Tankwart und frage den. "Women and cars !" muss der gedacht haben. Aber so blöd bin ich denn auch nicht. Nachdem er im unteren Fahrerbereich nach irgendeinem Hebel zum Öffnen des Tanks herumsucht, finde ich den dann sogar noch schneller, als er. Ich brauchte ja nur ´ne Idee, wo ich anfangen zu suchen sollte ! Okay, 12 Liter kriege ich hineingepresst, das Auto ist übervoll. Gleich hier werfe ich das Navi an und es sagt: 140 KM geradeaus. Wie langweilig ! So langweilig wird´s aber gar nicht, denn der Highway ist kurvenreich und ich muss echt aufpassen. Es geht auch immer wieder durch Orte hindurch mit Kreuzungen und Ampeln. Bis Nanaimo ist es sehr einfach. In Nanaimo, der zweitgrössten Stadt Vancouver Islands, tanke ich auf Verdacht wieder auf. Zwar hat sich die Tankanzeige null bewegt, aber irgendetwas muss die Schüssel doch gebraucht haben ! Und ich kriege wieder 10 Liter rein. In Port Alberni sind die letzten Tankstellen für die restlichen 85 KM, aber die ignoriere ich, die Tankanzeige bewegt sich ja gar nicht, das Auto lebt von Luft und Liebe (zu mir)... Ab Port Alberni ist die Fahrt einfach nur noch kanadisch ! Wald und Wälder, Seen, Berge, Hügel, Nebel, manchmal sogar ein wenig Regen auf den Höhen. Eine kurvenreiche, bergige Strecke. Selten kann man schneller fahren als 60 KM/h. Keine Ortschaften mehr, nur noch Natur pur. Die Fahrzeuge werden immer weniger, die Landschaft immer beeindruckender. Ich fahre und staune ! Zwar muss ich den Blick dringend auf der Strasse haben, aber ich sage schon ein paar Mal zu mir selbst "wow" !!!

Mangels Beifahrer führe ich Selbstgespräche: "Boah, guckmal, der See da ! Ist das schön ! Uuui, der Pick-up da am Strassenrand, ob der nur einfach spazieren geht oder eine Panne hat ? Himmel, die Aussicht ist aber klasse, hier ! Scheisse, das mit der Baustelle hier. Hier hat´s doch soviele Kurven. Oh, wow, jetzt über 12 KM extrem kurvenreiche und bergige Strasse ? Noch mehr, als bisher ? Iiiiih, das ist ja echt eklig ! Ich fahr´Strich 30 KM/h, Ihr Idioten hinter mir dürft ja gerne rasen, wie bekloppt, aber ich kenne die Strasse nicht, ich bin Touriiii ! Überholt doch ! Bitteschön, ich mach´ja gerne Platz ! Ob´s hier Grizzly´s gibt ??? Wär ja extrem cool, wenn einfach einer am Strassenrand auftauchen würde. Okay Sabine, fantasierst Du ? Du hast heute noch nichts gegessen. und es ist 11.30 Uhr. Jaja, ich schnapp´mir ja schon ´ne Banane... ein wenig Fruchtzucker in meine Blutbahnen ist schon ganz hilfreich." Tja, ich werde schon etwas wunderlich, wenn ich so lange alleine Autofahren muss... Ich bin kurz vor Ucluelet. Hey, wow, da ist PetroCanada, ich muss bestimmt das Auto tanken (obwohl, Tankanzeige hat sich nicht bewegt) ! Erstaunlicherweise gehen wieder nur 10 Liter rein, was ist das für ein komisches Auto ? So, jetzt suche ich das Black Rock Resort. Navi bringt mich hin, nein, ist das schön ! Ab an die Rezeption, da blickt mich ein hellblonder Typ von höchstens 23 Jahren aus hellblauen Augen an und hört nicht auf, zu reden ! Ich will aus dringendem Grund in mein Zimmer, aber der Typ labert mich voll und er ist sooo schön, dass ich ihm einfach zuhören muss ! Er sieht aus, wie dieser amerikanische Schauspieler...ach, wie heisst er denn noch, Owen Wilson... Fast mache ich mir in die Hosen, aber ich höre dem Vortrag des "hellblau-äugigen Hellblonden" bis zum bitteren Ende zu.

Gott sei Dank, ich habe meinen Schlüssel und bin entlassen ! Ich betrete mein Zimmer und staune Bauklötzer ! Wow ! Ich bin in der Wildnis, aber sie haben mich mit einem Luxus-Hotelzimmer hier zurückgelassen. Gaskamin, Fussbodenheizung, freistehende Badewanne, Regenschauer-Dusche, Kitchenette, King-Size-Bed, Balkon und flatscreen. In meiner Proviant-Tasche ist die ganze Flasche Apfelsaft ausgelaufen, na was für eine herrliche Sauerei ! Mein Strassenatlas trieft jetzt vor Apfelsaft, den hänge ich auf dem Balkon zum Trocknen auf. Für morgen muss ich noch die Bären-Tour rückbestätigen und fahre gleich wieder zurück in den Ort zu Jamie´s Whaling Station, um das zu erledigen. Man erklärt mir, dass die Bär-Sichtungen von hier aus in den letzten Tagen nicht besonders gut waren, ob ich nicht lieber von Tofino aus starten wolle ? Die Touren beginnen um 06.15 Uhr morgens und dann vorher noch 30 KM Autofahren ? Nee, dazu habe ich keine Lust. Ich vertraue auf mein Glück und bleibe beim Tourstart in Ucluelet. Den Rest des Tages verbringe ich mit Streifzügen durch das winzige Ucluelet, kaufe Fressalien ein, wandere einen relativ kurzen trail in der Nähe des Hotels und lasse mich dann gemütlich vor dem flatscreen nieder.

Die Aussicht vom Black Rock Resort in Ucluelet

Die Aussicht vom Black Rock Resort in Ucluelet

© Sabine H., 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Kanada - zweitgrösstest Land der Welt und nur 14 Tage Zeit - wie üblich bei mir. Ich suche den Einstieg und mache eine sehr komprimierte "best-of"-Tour !
Details:
Aufbruch: 14.08.2010
Dauer: 16 Tage
Heimkehr: 29.08.2010
Reiseziele: Kanada
Der Autor
 
Sabine H. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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