Der Wahn geht los

Reisezeit: September 2010 - April 2011  |  von kathrin schmeling

Rotorua

Rotoruras Kulturschock
Ich bin heute in Rotoura angekommen und in dem schoensten Backpacker gelandet, den ich je gegesehen habe. Backpackers spa lounge. Die Raueme sind hell und freundlich und anstatt der ueblichen Doppelbetten stehen unsere frei im Raum - ungewoehnlich. Im kleinen, verwinkelten Garten stehen kleine Tischgruppen, an denen man sich zusammensetzen oder zurueckziehen kann. Das schoenste ist der Spapool, eine heisse Quelle erhitzt einen kleinen Whirlpool, in dem man halb unter freiem Himmel, hab geschuetzt im heissen Wasser haegen und Wein trinken kann. Es ist unglaublich schoen hier. Nach diesem Ankommen und Geniessen ging ich den Ort entdecken. Breite Strassen, gepflegte Haeuser mit kleinen Blumengaerten, ordentliche Parks, viele Geschaefte. Die meisten Laeden sind Giftshops. Von zehn Souvenirlaeden verkaufen zehn Jade, geschnitzte Masken, Wollsachen (Socken, Handschuhe, Schals und Pullover), Schafsfelle und Taschen. Viele haben noch allerlei Schnickschnack zum Verkauf, wie Porzellan, Bob Marley Poster und Windspiele. Sieht man einen Laden, kennt man sie eigentlich alle. Es ist in meinen Augen also nicht das Shoppingparadies, aber ich bin ja auch zu anderem Zwecke hier. Natuerlich gibt es auch Maerkte. Mittwochs, donnerstags, samstags und sonntags. Immer Farmersmarkt mit frischem Obst und Fisch und einem Flohmarkt. Es ist in Rotorua ein bisschen wie in Bad Lauertberg im Harz oder auf Hellgoland oder wie an einem sonntag Nachmittag in irgendeinem Ort auf dieser Welt: sehr ruhig mit viel Natur.
In Rotorua gibt es einen grossen Termalgarten in dem heisse Quellen aus dem Boden zischen, Dampf steigt auf, Schlamm kocht. In der Mitte der Stadt liegt ein grosser See, in dem alle moeglichen Voegel leben. Bei meinem Spaziergang wurde ich von nistenen Moewen angegriffen, die sturzflugartig auf mich herabstiessen, um mir klarzumachen, dass ich unerwuenscht bin. Ich kam mir vor wie im Film "Die Voegel". Mit meiner Tasche ueber dem Kopf rannte ich schnell weg, damit mir keine Moewe auf den Schaedel pickt. Ich schlenderte weiter und kam in einen Blumenpark und beobachtete eine mir nicht bekannte Vogelart. Sie sind gross, schwarz mit blauer Brust, koennen nicht fliegen und haben einen roten, gebogenen Schnabel. Haben wir zu Hause nicht, merkwuerdig.

Rotorua stinkt zwar ziemlich nach Schwefel, doch die Menschen dort machen selbst den faulsten Gestank wieder wett. Auch hier schlendern alle durch die Stadt, mit meinem deutschen Stechschlenderschritt bin ich die Schnellste vor Ort und ueberhole alle. Auf meinem Weg kam mir ein Paar entgegen und sprach mich mit den Worten: "Ist es nicht ein lieblicher Abend!" an. Mir wurde erzaehlt, dass sich die Flut in Australien von Brisbane bis nach Adalaine ausbreitet und sich beide Gedanken machen. Ich solle doch bitte unbedingt die Nachrichten schauen. Man macht sich hier Sorgen ueber den grossen Nachbarn Australien (aber nicht alle. Rugbyfans kennen da weniger Mitleid).

Auf einmal huepften drei Menschen auf mich zu und riefen: "Bitte gibt mir einen "free hug" (eine kostenlose Umarmung)". Wir nahmen uns in den Arm, dann huepften sie weiter. Weil ich so schlecht im Kartenlesen bin, fragte ich irgendwann eine Frau in einem Auto nach dem Weg. Sie erklaerte mir ausfuehrlich, wo ich mich befand und bot mir dann an, mich eben rumzufahren. Neben ihr stand in einem anderen Wagen ihr Mann. Auch er bot mir an, mich eben vorbei zu bringen. Beide stritten eine Weile um mich, bis die Frau gewann mit den Worten, sie sei eine Frau und das sei schliesslich fuer mich ein besseres Gefuehl (von wegen Sicherheit). Sie erzaehlte mir auf dem Weg, dass sie und ihr Mann Aerzte sind und dass sie ihre Heimatstadt trotz Gestank sehr liebe. Diese Hilfsbereitschaft hier toppt vielleicht sogar Australien und schon dort fand ich sie aussergewoehblich gross. Es ist wirklich anders als in Deutschland. Wir sind sture Stoffel und muessen immer erst miteinander vertraut oder befreundet sein, bevor wir etwas fuer einander tun. Hier ist es einfacher. Hier, wie in Australien zaehlt das "just do it!" machs, tus. Nicht "Geben und Nehmen", wie bei uns (und dabei wir meistens besonders aufs Nehmen geachtet, wenn man schon was gegeben hat...).

Bei Familie Mitai
Heute war ich in einem Maoridorf in Rortorua, der Familie Matai. Familie bedeutet dort wohl eher so etwas wie Gruppe. Ich erlebte folgendes:
Zuerst sah ich den hangi, mein Essen. Der hangi wurde fuer uns schon 3,5 Stunden zuvor vergraben und unter der Erde gegart. Traditionell sind im hangi Huehnchen, Lamm, Kartoffeln und Suesskartoffeln, ich las auch von Fisch und Muscheln, doch die gabs bei mir nicht. Wir wurden aufgefordert, uns das Essen anzuschauen, dass wir nach der kulturellen Darbietung bekommen wuerden. Danach gingen wir in den Wald zu einem Fluss. Ein Waka, ein aus einem langen Baumstamm handgeschnitztes Kanu, lief ein und die Maorikrieger, die darin sassen, ruderten in einem Sprechrhythmus. Wir wurden zu einem Holzhaus gebracht, in dem die Willkommenszeremonie (Pohiri) statt fand. Der Haeuptling, der Gruppe hielt eine lange Rede auf Maori, ein bedrohlicher Tanz mit aufgerissenen Augen und rausgestreckter Zunge begann. Der Tanz bedeutet nichts anderes als: du bist lecker!, denn die Maori waren wie viele Kulturen, Kanibalen. Der von uns erwaehlte Chef der Gruppe unser "Sprecher" begruesste den Haeuptling und nachdem Blaetter audgetauscht wurden, war klar, dass wir in Frieden kamen. Klar gesprochen, dies war eine gebuchte Tour, ich war zur keiner Zeit in Gefahr, denn die Maori fuehrten ihre Kultur auf und sprachen englisch. Sie erklaerten uns zum Beispiel welche Bedeutung ihre Moko (die tatoowierungen im Gesicht) haben. Eine schoene Geschichte: "Ein Mann folgt seiner Frau in die Unterwelt, nachdem sie ihm weggelaufen ist, weil er sie geschlagen hat. Er findet sie, zeigt sich einsichtig und entschuldigt sich und rettet dadurch seine Ehe. Damit er seine Frau aus der Unterwelt wieder mitnehmen darf, muss der Mann vier Voegel der Unterwelt ueberegeben, welche seit dem als Gesichtsbemalung veerwendet werden. Ab jetzt schlaegt er sie nie mehr und ist devot. Der ganze Stamm folgt seinem Beispiel und macht sich von nun an zum Gesetz: Behandle alle Frauen gut!". Im Gesicht des Mannes findet man Die Fledermaus auf der Stirn (Weisheit), den Schnabel des Papageis auf der Nase (Redegewandheit), die Eule auf dem Kinn (Schutz) und den Kiwi auf beiden Seiten des Gesichts (Schutz der Mutter Natur). Uns wurden auch noch ein Liebestanz gezeigt und ein Kampftanz, fast nebenbei erklaerten sie, dass sie schon seit 2000 Jahren hier lebten, sich von der Natur ernaehrten, sie verdraengt worden waren, welche Waffen sie benutzten und wie sie kaempften. Danach ging es zum Essen. Um sicher zu gehen, dass die internationale Kultur auch satt wird, bekamen wir ausser dem hangi noch Tunfischpasta, Knoblauchbrot, verschiedene Salate, Gratin und Schoko- und Fruchtkuchen. Alles in allem sehr nett und wirklich empfehlenswert, wenn man ein bisschen Einblick in die Maorikulyur bekommen moechte, auch wenns naturlich verdammt touristisch ist.

Am naechsten Tag war ich in Wai-O-Tapu, eine Vulkan und Geisirlandschaft mit vielen Schwefelquellen, einem Geisir, der eine 20 Meter Wasserfontaine ausspuckt, wenn man ein Stueckchen Seife oder aehnliches (ich glaub alkalihaltiges) hineinwirft. Interessant zu sehen, wie diese Fontaine entstehet. Es beginnt mit weissem Schaum, so als ob der Geschirrspueler ueberlaufen wuerde und ne riesige Schweinerei macht. Und dann wird aus der Schaumsosse eine Fontaine. Auf dem termalgelaende gab es Seen in unterschiedlichsten Farben: neongruen, gelb und organge. Alles stinkt und kocht vor sich hin und hat Temperaturen von um die 100 - 200 Grad. Also definitiv nix zum Baden, aber schoen zum gucken. Nach drei Tagen Rotorua bin ich jetzt trotzdem geflohen. Ich brauch mal wieder frische Luft. gruesse kaddy

Die Reise
 
Worum geht's?:
Noch drei Tage und dann geht es los. Nach Bali. Sechs Wochen habe ich dort Zeit, dann geht es weiter nach Australien, Neuseeland und Thailand. Mit fliegenden Händen packe ich meine Wohnung zusammen, telefoniere, suche, organisiere parallel zu allem. Bali. Als ich vor ein paar Tagen im Buchladen einen Reiseführer über Bali durchblätterte, bin ich fast umgefallen, weil es so schön ist. Unfassbar, dass ich bald in dieser Schönheit stehen soll.
Details:
Aufbruch: 22.09.2010
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 08.04.2011
Reiseziele: Indonesien
Australien
Neuseeland
Thailand
Kambodscha
Vietnam
Der Autor
 
kathrin schmeling berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.