Canal du Midi und Provence
Bram - Carcassonne
Pfingstmontag, 24. Mai 2010
Für Wolfgangs Geburtstagsfrühstück tragen wir den Tisch in die herrliche Morgensonne. Das Geburtstagskind radelt los, um Baguette zu kaufen, während wir das Frühstück vorbereiten.
Gegen zehn legen wir ab und fahren in die Schleuse ein. An seinem Geburtstag darf mein Mann steuern. Bei der Ausfahrt aus der Schleuse gibt Wolfgang ordentlich Gas und sein Fleece-Pulli, der auf dem Bug liegt, fliegt davon und versinkt in den Fluten des Kanals.
Das Alarmsignal schweigt, doch als wir vor der Doppelschleuse "Lalande" Fahrt wegnehmen, ertönt es wieder. Wir schleusen und legen dann zwischen den Schleusen "Lalande" und "Herminis" an und rufen den Service an.
Den hatten wir schon am Vortag angerufen, weil in einer der drei Toiletten die elektronische Pumpe streikte. Im Schatten einer Platane warten wir auf den Servicewagen, der dann eine halbe Stunde später den Treidelpfad entlang kommt.
Der Mechaniker schaut kurz in den Motor und füllt dann Kühlwasser nach, ganz gewöhnliches Leitungswasser. Okay - das Alarmsignal schweigt jetzt. Bei der Toilettenpumpe ist die Elektronik kaputt, für die der Monsieur ein Ersatzteil besorgen muss.
Er verspricht, es am Abend nach Carcassonne zu bringen und dort einzubauen. Nun ist es halb eins - Schleusenwärtermittagspause - und so machen wir zwangsweise auch eine.
Es ist ziemlich windig, aber die Sonne brennt vom wolkenlosen, tiefblauen Himmel, so dass wir alle im Schatten ruhen.
Nach der Mittagspause schleusen wir durch die "Ecluse Herminis".
Eigentlich hätte ich jetzt gerne geschrieben, dass die weitere Fahrt ohne Zwischenfälle verlief.
Dem war aber leider nicht so und bei der Sektpause in Carcassonne habe ich unser Boot dann feierlich auf den klangvollen Namen "Titanic" getauft.
Nun aber der Reihe nach:
Wir fahren also gemächlich auf dem Kanal dahin und Peter will ein paar tiefhängenden Platanenästen ausweichen, als die Steuerung plötzlich nicht mehr reagiert. Die Platanenäste fegen über das Deck und wir bringen mit einem Hechtsprung unsere Köpfe in Sicherheit.
Leider kostete uns dieses Manöver aber die SAT-Anlage unseres schnieken Flachbildfernsehers - na ja, wir wollten ja sowieso nicht mehr fernsehen.
Fortan gestaltete es sich als Glücksspiel, ob die Steuerung reagierte oder nicht.
Die Männer sind fast am Verzweifeln und jedes entgegenkommende Schiff oder eine zu durchfahrende Brücke ist der blanke Horror. So schlingern wir weitgehend manövrierunfähig in Richtung Carcassonne. Anlegen ging auch nicht mehr, weil es hier kurz vor Carcassonne nur steile Böschungen und keinen Treidelpfad mehr gab, an dem das Serviceauto hätte zu uns gelangen können.
Mit viel Glück gelangen wir schließlich in den Hafen von Carcassonne, wo wir, als die Steuerung wieder kurzzeitig funktioniert, sogar backbord am Kai anlegen können.
Aber den Männern ist der Platz nicht recht, weil unser Schlauch nicht zur Zapfstelle reicht und wir Wasser tanken müssen. Sie wollten noch einmal ablegen und etwas weiter vorne an einem freien Platz anlegen.
Wir drei Frauen weigern uns, nochmal auf dieses Katastrophenboot zu gehen und bleiben störrisch auf der Kaimauer sitzen.
Klaus und Wolfgang legten ab und Peter geht dann mit uns Frauen voraus zum neuen Platz.
Aber dort kommt unser Boot nie an. Das war jetzt nun wirklich das Schicksal herausgefordert, denn nun reagierte die Steuerung unserer "Titanic" gar nicht mehr - auch nicht mehr kurzzeitig.
Mit Hilfe des Rückwärtsganges schaffen es Klaus und Wolfgang irgendwie, sich in Richtung gegenüberliegendes Ufer treiben zu lassen, wo ein paar hilfsbereite Hände einer schwäbischen Hausbootcrew die geworfenen Taue auffangen und beim Anlegen helfen.
Wir Zurückgebliebenen umrunden zu Fuß das Hafenbecken, mit Gläsern und Sprudelflaschen in den Händen.
Wolfgang radelt dann zurück zum Hafengebäude, um von dort aus erneut den Service anzurufen und zu erklären, warum wir dort an diesem reservierten Platz angelegt haben.
Immerhin gibt es an unserem Plätzchen einen Wasseranschluss und so tanken wir zuerst mal Wasser und setzen uns dann in den Schatten, um Champignons für das Abendessen zu putzen.
Nach einer halben Stunde sehen wir das Serviceauto und es kommt wieder unser Mechaniker vom Nachmittag.
Er holt nach dem Testen der Lenkung eine ausgediente Spüli-Flasche gefüllt mit Hydraulik-Öl aus seinem Wagen, kippt diese bei der Lenkung rein und das Ding funktioniert wieder.
Wolfgang verlangt sofort für den Notfall eine Reserve von diesem Hydraulik-Öl und wir bekommen dann auch etwas davon in eine leere Wasserflasche gefüllt.
Anschließend repariert Monsieur noch die defekte WC-Spülung und montiert noch die Reste der SAT-Anlage ab.
Inzwischen haben wir unseren Monsieur Jean schon richtig liebgewonnen. Er grinst, als wir fragen, ob er nicht lieber mitfahren wolle. Das angebotene, frischgezapfte Geburtstagsbierchen nimmt er kurz vor Feierabend dankend entgegen und lacht, als wir ihn mit "A demain" verabschieden. Wir hoffen natürlich, dass wir ihn morgen nicht schon wiedersehen müssen.
Wir verabschieden uns auch von Carcassonne, ohne die "Cité" zu besuchen, haben wir sie alle doch schon mehrmals gesehen.
Nach dem Einkauf einiger Kleinigkeiten in Carcassonne fahren wir weiter, um ein schönes Plätzchen für den Abend und die Nacht zu suchen.
Gleich hinter dem Hafenbecken von Carcassonne passieren wir die erste Schleuse, danach eine Dreifachschleuse und noch eine einzelne - alles funktioniert tadellos - bevor wir an einem schönen Sonnenplätzchen in der Nähe eines einsamen Gehöfts anlegen. Wolfgang hat während der Fahrt das am Vortag in Burgunderwein eingelegte Lammfleisch geschmort, das wir nun im Abendsonnenschein verzehren.
Heute sind wir alle rechtschaffen müde und ziemlich geschafft vom aufregenden Tag mit unserem Katstrophenschiff. Uns beschleicht der Verdacht, dass die schlichtweg vergessen haben, unseren Katastrophenkahn zu warten. An diesen Geburtstag wird Wolfgang wohl noch länger denken.
Aufbruch: | 22.05.2010 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 05.06.2010 |