Canal du Midi und Provence

Mittwoch 26. Mai 2010
Heute hat es Schleierwölkchen am Himmel und ist ein wenig diesig, aber warm. Wir finden das nach den letzten sehr sonnigen Tagen völlig in Ordnung.

Nach dem Frühstück starten wir gegen halb zehn. Eine Strecke mit unzähligen Schleusen liegt vor uns: Sieben einzelne Schleusen und eine Dreifachschleuse schaffen wir bis halb eins. Irgendwann, in einer der Schleusen, geht das Alarmsignal wieder los, so dass wir hinter der Schleuse anlegen, wo Wolfgang Kühlwasser nachfüllt. So kleinere Wartungsarbeiten erledigen wir inzwischen doch glatt selbst.
Nach der Schleusenwärtermittagspause liegen noch zwei Schleusen vor uns, die Doppelschleuse "Gay" und die Vierfachschleuse "St. Roc", über die man in das Hafenbecken von Castelnaudary geschleust wird.

In Castelnaudary legen wir an der Station an. Wolfgang besorgt einen neuen Fender (einer fiel einem Anlegemanöver zum Opfer) und Nachschub vom Hydraulik-Öl, das wir zwischenzeitlich nochmal nachfüllen mussten.

Anke radelt zum Supermarkt, um Crevetten zu besorgen und die Zurückgebliebenen duschen in den geräumigen Hafenduschen der Station.
Danach verlassen wir das Hafenbecken durch eine malerische Brücke in Richtung Toulouse. Nachdem es über Mittag wieder aufgeklart hatte, ziehen nun neue Wolken auf. Wir fahren aus der Stadt hinaus, passieren die beiden Schleusen "Laplanque" und "La Domergue" und legen vor der Dreierschleuse "Laurens" an, weil wir zuvor keinen schönen Platz gesehen hatten.

Nach den vielen Schleusen heute hat keiner mehr Lust auf die Dreierschleuse. So sind wir mal ziemlich früh dran, trinken einen Aperitif und bereiten das Abendessen vor. Zuerst gibt es Crevetten, danach Spaghetti mit Thunfisch und dazu einen gemischten Salat. Es ist der bisher kühlste Abend und gegen 10 Uhr treibt uns ein Regenschauer unter Deck.

Bis auf Wolfgang gehen alle früh zu Bett. Durch die Dachluke schaue ich beim Lesen den Blitzen zu und lausche dem Prasseln des Regens auf das Deck.

Donnerstag 27. Mai 2010
Ein kühler und bedeckter Morgen - aber es ist trocken. Wir frühstücken draußen auf Deck, in warme Fleece-Pullis gehüllt.

Kurz nach halb zehn fahren wir in die Dreierschleuse "Laurens" ein.
Der Schleusenwärter spricht uns gleich an und erzählt uns etwas von "greve", was wir nicht kapieren. Wir holen Wolfgang, der noch am besten Französisch kann. Der nette Schleusenwärter zeigt uns im Wörterbuch, dass "greve" Streik bedeutet. Jetzt kapieren wir - die nächste Schleuse ist geschlossen - eine Stunde? Einen Tag?
Das weiß Monsieur Schleusenwärter nicht. Seine Schleuse sei offen, vielleicht fahre er zur nächsten, um auch sie zu bedienen. Aber auch das weiß er noch nicht. Wann wir zurück wollen? Morgen! Er hofft, dass man dann wieder schleusen kann. Na prima! Während wir hochschleusen, verschwindet der Schleusenwärter in seinem Häuschen und kommt mit einem großen runden Blech mit einem Apfelkuchen zurück. Dies sei eine Spezialität dieser Gegend mit "Miel" und "Beurre" und für 10 € wechselt der duftende Apfelkuchen den Besitzer. Wenn wir schon festhängen, dann können wir wenigstens gemütlich Kaffee trinken. Wir fahren weiter bis zur Doppelschleuse "Roc", wo die Tore geschlossen sind.

Wir legen an und Anke und Peter radeln los bis zur übernächsten Schleuse, wo ein Schild hängt, dass die "Ecluse Roc" den ganzen Tag geschlossen sei. Na, Mahlzeit, was machen wir denn jetzt? Wir wollten doch bis zum Scheitelpunkt des Canal du Midi fahren!

Es ist etwa halb zwölf, als wir gerade beschlossen haben, dass zwei zum Scheitelpunkt radeln, zwei laufen (und für den Rückweg tauschen) und zwei beim Boot bleiben - als das Schleusentor der "Roc" plötzlich öffnet. Der Schleusenwärter von der "Ecluse Mediterranee" ist gekommen, um uns durchzuschleusen. Zusammen mit einem Holländer, der ganz allein in seinem Boot ist, schleusen wir durch die Doppelschleuse und der Schleusenwärter fährt dann mit uns im Boot wieder zurück, um uns im Doppelpack durch die "Mediterranee" zu schleusen. Wolfgang hatte übrigens an der Basis angerufen (vermutlich zucken die schon zusammen, wenn sie unsere Handynummer im Display sehen) und die wussten noch gar nichts von dem Streik.

Nun liegen ca. 5 Kilometer ohne Schleusen vor uns. Wir passieren den kleinen Hafen "Le Sègala", wo die Wohnmobile am Kai stehen und fahren kanalaufwärts, bis wir an der "Ecluse Océan" anlegen. Ein Teil der Besatzung geht, bzw. radelt los, um die Scheitelhaltung von Monsieur Riquets großartigem Bauwerk zu besichtigen, der Rest kocht Kaffee, um Monsieur Schleusenwärters Apfelkuchen zu kosten.

Anschließend fahren wir weiter zur "Ecluse Océan", wo wir nach Passieren des Scheitelpunkts plötzlich kanalabwärts schleusen.
Wir fahren weiter zum "Port Lauragais", der in einem Becken liegt, wo auf einer Halbinsel das "Centre Pierre-Paul Riquet" liegt, ein mit einer Autobahnraststätte kombiniertes Museum. Die Autobahn quert hier den Canal du Midi und heißt deshalb "Autoroute des deux Mers". Das Museum ist nicht Weltbewegendes, aber im Hafen können wir nochmals Wasser nachtanken. Anschließend treten wir den Rückweg an, schleusen über die "Eglise Océan" aufwärts und über die "Ecluse Mediterranee" wieder abwärts.

Das Wetter ist heute ein "Jacke an-Jacke-aus-Wetter". Langsam halten wir nach einem netten Plätzchen für den Abend Ausschau. Direkt vor der Doppelschleuse "Roc" wäre es nett und auch sonnig. Weil der Monsieur von der "Mediterranee" aber ins Auto gesprungen ist, um uns über die "Roc" abwärts zu schleusen, fühlen wir uns verpflichtet, nun auch weiter abwärts zu schleusen.

Nach der Schleuse gibt es aber nur schattige Uferplätze und als uns aus der nächsten Dreierschleuse ein Boot entgegenkommt und kanalaufwärts zu schleusen, beschließt die Mehrheit, zusammen mit diesem Boot wieder hoch zu schleusen und am Sonnenplätzchen vor der Doppelschleuse anzulegen. Ich war dagegen - der Schleusenwärter wird uns für behämmert halten, weil wir jetzt das dritte Mal in einem halben Tag durch seine Schleuse kommen. Wolfgang ruft ihm dann zu, das sei einfach unsere Lieblingsschleuse auf dem Canal. Beim Anlegen hinter der Schleuse fahren wir uns beinahe fest, können uns aber befreien. Als wir schließlich anlegen, ist die Sonne endgültig hinter den Wolken verschwunden und kommt auch nicht wieder. Wir hätten jeden beliebigen Platz am ganzen Kanal nehmen können.

Nach dem Essen wird heftig politisiert und das Thema lautet: Ist unser Staat bankrott? Peter sagt, in fünf Jahren sei unser Staat bankrott, Klaus sagt, das stimme nicht und Wolfgang sagt, das könne er jetzt nicht voraussagen.
Und ich soll das hier nun festhalten, damit man in fünf Jahren schauen kann, wer Recht hatte.
Im Übrigen ist uns der Rosé ausgegangen und wir mussten auf Rotwein umsteigen.
Der Abend ist milder als der vorherige.