Erstes Kennenlernen der Slowakei nach der Wende
Erste Eindrücke in der Slowakei: Zum Flößen am Dunajec
Donnerstag, 7. September 2000
Auch heute nacht war wieder knackiger Frost, ohne Pullover kann ich mich nicht aufs Rad wagen, und von meinem Pullover finde ich keine Spur. Heute sind 35 km Bergabfahrt angesagt, immer am Hang der Tatra lang nach Osten. In der Boutique erstehe ich für 95 DM eine adidas- Trainingsjacke.
Meine Reiseroute ändere ich kurzfristig, um auch noch das Pieniny kennenzulernen, den Durchbruch des Dunajec-Flusses durch die nördlichen Ausläufer der Tatra.
Dazu jedoch muß man einmal über die Wasserscheide zwischen Donau und Weichsel über das Spisska Magura Gebirge.
Zunächst jedoch passiere ich einen schönen Tatra-Kurort nach dem anderen: Tatranska Polianka, Stary Smokovec, Tatranska Lomnica mit der Talstation der Seilbahn auf den höchsten Gipfel der Tatra, den Lomnicky stit mit 2682 Metern ü.M. Ich weiß, wie kalt es da oben heute sein dürfte und lasse meinen ursprünglichen Plan, dorthin raufzufahren, schnell fallen.
Man könnte überall absteigen und einen Spaziergang machen, aber bergab rollt es sich so schön und weiter unter ist die Gegend auch noch reizvoll.
Alle diese Orte hatten auch einmal deutsche Namen, die in meiner Shell-Karte auch in Klammem vermerkt sind. Zu Zeiten der Habsburger Monarchie war die Tatra wohl ein begehrtes Ausflugsziel von der Hauptstadt Wien aus. Die alten Hotels von damals hat man wieder hergerichtet und von außen jedenfalls sehen sie eindrucksvoll und pompös aus.
Im Zuges des Zweiten Weltkriegs ist die hier lebende deutsche Minderheit restlos aus dem Land vertreiben worden.
Dennoch bin ich bisher überall mit Deutsch besser durchgekommen als mit Englisch. Ältere Leute sprechen noch gut deutsch, jüngere verstehen die Sprache, können sie aber nicht sprechen. Vielen Ortsbezeichnungen kann man auch noch ansehen, dass es wohl eine deutsche und eine slowakische Ortschaft gegeben
hat. Weshalb sonst heißen viele Orte "Slovenska ..... "
Nach 1 1/2 Stunden bin ich ganz unten, in Tatranska Kotlina. Es geht rechts ab und nun ist wieder Kondition gefragt.
Aber das ist erst der Anfang. Hinter Lendak und Slovenska Ves geht es genau nach Norden und richtig steil hoch am Südhang, den die Sonne gegen Mittag ordentlich aufheizt.
Bis auf 956 Meter, dann beginnt wieder eine Abfahrt durch ein einsames Gebirgstal wie man es bei uns nicht mehr fmden kann. Schafherden weiden an saftigen Hängen und Schäfer und Hund bleiben Tag und Nacht auf der Alm bei ihren Tieren, rechts und links der Straße Apfelbäume, deren Früchte allerdings die EG-Normen noch nicht erfüllen.
Ich scheine weitaus tiefer herunter zu fahren als ich vorher je gewesen bin. Schon um 13 Uhr bin ich nach 68 km am Ufer des Dunajec-Flusses,wo man sich per Touristenfloß durch die Schlucht schippern lassen kann.
Aber die Saison ist vorbei, der Parkplatz ist leer und für mich allein rührt kein Flößer die Hand. Selbst das groß angekündigte Hotel in Cervensky Klastor ist geschlossen und in einer Jugendherberge am Ortsrand ist kein Platz für mich.
Da bietet mir ein an der Straße stehender Rentner an, bei ihm einzukehren. Stjepan bewohnt ganz allein ein großes Haus und pflegt dort die Erinnerung an seine Ahnen. Ich bekomme ein Bett im ausgedienten Familienschlafzimmer mit einem großen Bild des Papstes auf dem Nachttisch, Badbenutzung nach Vereinbarung (nur auf slowakisch) für 7,50 DM (150 SKK) pro Nacht.
Die Zeit langt noch für einen ausgedehnten Spaziergang in die Dunajec-Schlucht bis in die Abenddämmerung hinein. Das ist ein Kleinod, durch das ich morgen unbedingt in voller Länge von 16 km noch einmal mit dem Fahrrad fahren will, aufs Flößen verzichte ich dagegen.
Abends zeigt mir Stjepan noch Bilder von deutschen Freunden aus Berlin und Dessau, die ihn gelegentlich besuchen; die einzigen Kontakte; die er noch zu haben scheint. Trotz der sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten scheint er sich riesig zu freuen, mal einen Gast bei sich zu haben.
Freitag, 8.September 2000
Der Abschied bei Stjepan ist fast schon melancholisch. Vor seiner Haustür wird noch ein Abschiedsfoto geschossen und lange winkt er mir nach und wünscht gute Reise.
Durch den Pieniny Nationalpark lasse ich mich genüßlich rollen. Morgens um 8 Uhr ist von Tourismus noch nichts zu spüren, man hört nur das leise Rauschen des Flusses und den Wind in den Bäumen. 16 km geht es im Zickzack immer am Dunajec entlang, mit immer neuen Blicken auf steile Hänge, die entfernten Spitzen der Tatra oder steilen Kletterfeisen auf der gegenüberliegenden polnischen Seite. Auf dem letzten Abschnitt ist ein Fußgänger-Grenzübergang nach Polen, den ich, obwohl er eigentlich nur für Slowaken und Polen geöffnet ist, passieren kann.
Auf der polnischen Seite ist richtig was los. Um einen großen Busparkplatz scharen sich Andenkenbuden in Massen und von dem Busbahnhof im dahinter liegenden Ort kann man in alle Städte Polens fahren.
Szczawnica scheint das Eingangstor zu einem großen Erholungsgebiet zu sein. Hier kaufe und versende ich Ansichtskarten an alle die Bekannten, die nicht per email erreichbar sind.
Es sind viel zu viele und beim Schreiben wird es schon Mittag.
Aufbruch: | 28.08.2000 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 21.09.2000 |
Slowakei
Ungarn