Fünf auf einen Streich

Reisezeit: Juli / August 2011  |  von Andrea Wechsler

Wolkenspiele, die selbst Wegweiser bemoosen

Sätze aus der Reisewerbung wie: "Auf den Kanaren scheint an 300 Tagen im Jahr die Sonne" lassen in Touristenköpfen ein Bild entstehen lassen, das gefährlich beschönigend ist. Auch wir erwarten eine durchgehende Backofenhitze. Und dann ist doch alles ganz anders....Besser gesagt, es ist fast an jedem Quadratkilometer jeder Insel ganz anders. Das Klima der Kanaren muss man kennen, verstehen und lieben lernen. Jenes Spiel der uns überrollenden Passatwolken, die einen Deckel über Regionen bilden und unter dem ein hauseigenes Klima "kocht", hat seine spezifischen Spielregeln und lässt sich in seinen Kapriolen nicht beeinflussen, schon gar nicht von Erwartungen. Wolken wird man hier in -uns auswendig kennen lernen. Kann sein- der eigene Kopf steckt dabei über den Wolken, der restliche Körper jedoch unter ihnen.
Unsere erste Tour führt uns von Masca über den Cumbre Bolico nach Santiago de Teide.
In Masca, dem Ort mit dem v-förmigen Tal, einem verführerischen Landschafts-Dekolleté mit Meerblick, entdecken wir immer wieder verkohlte Palmenstämme - Überreste des Brandes von 2007, als Masca sogar evakuiert werden musste. Hier entfaltet sich vor dem Einstieg in die karge Schlucht eine ganz eigenwillige, fast verträumte Idylle. Immer wieder kommt es vor, dass mitten auf der Straße oder auch in Mauern und Felsspalten ein dickfleischiges Röschen die Härte des Gesteins durchbricht. Das Aenonium lugt hervor - ein Dickblattgewächs, eben mit einem "Dickkopf."Große Kakteenblätter hingegen erinnern an Mickey-Maus-Ohren.
Während die Touristen-Massen in den Barranco de Masca einsteigen, wollen wir hoch hinaus Richtung Santiago de Teide. Auf unserem Weg über den Cumbre Bolico streifen uns warme Luftströmungen. Der "große Sprüher" der Passatwolken ist wieder über uns. Immer wieder tauchen Schilder auf, die vor freilaufenden Hunden warnen. Und tatsächlich: Eine wilde, völlig abgemagerte Hündin kommt uns teilnahmslos entgegen.

Nach Santiago de Teide gelangen wir an diesem Tag nicht mehr. Es verschlägt uns dagegen eher zufällig auf den "Pico verde". Von dort erblicken wir sie - die "Maschinerie" des Mikroklimas: Eine aufgeplusterte riesige Wolkenwalze rollt über den Berg, zirkuliert wie ein Endlos-Ballen, weiß und dampfend, über die Hänge. Zerstäubt und zerfranst an ihren Enden, jagt sie in Schleierfetzen elfenartig weiter durch die Landschaft. Eben noch herrschte eine geschlossene Nebeldecke, doch dann wirbelt der Vorhang plötzlich vorbei, verdünnt sich zunehmend - und "Zack"- steht der Teide vor uns. Nur ein "Hä?" entrinnt uns, und wir denken, wir spinnen. Eben noch eingehüllt, eben noch "blinde Kuh-Spiel, jetzt scharf gestochene Bilder. Doch da drüben wälzt sich schon wieder der Wolkenballen bedrohlich heran. Unter dem Wolkenwahn potenziert sich die Feuchtigkeit in Form von explodierendem Grün. Das Ergebnis: eine Chlorophyll-Orgie erster Klasse. Es wuchert, es gedeiht und es duftet nach Liebesperlen oder auch nach irgendeinem Hustensaft aus der Kindheit. Diese grün gewordene Feuchtigkeit, lässt solche Phänomene wie bartähnliche Flechten an Zweigen oder eben bemooste Wegweiser entstehen, die wir auch am zweiten Tag bei unserer großen Teno-Rundtour mit großartigen Ausblicken vom Tabaibapass aus auf Gomera und die Küste erleben dürfen.

© Andrea Wechsler, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fast gleichmäßig verstreut liegen die sieben Kanarischen Inseln im Atlantik. Fünf von ihnen wollten wir innerhalb von drei Wochen mit dem Rucksack erkunden. Dies sollte wahrhaftig eine logistische Herausforderung werden. Da sich Teneriffa als Drehkreuz des Flug- und Fährverkehrs herausstellte, strickten wir nach langem Überlegen unser Erkundungsmuster: Dresden - Teneriffa - Gomera - El Hierro - La Palma - Gran Canaria - Dresden.
Details:
Aufbruch: 16.07.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 06.08.2011
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Andrea Wechsler berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.