Fünf auf einen Streich
El Hierro - wo der Wind die Bäume beugt
"Binter Canarias" bringt uns am nächsten Morgen auf El Hierro. Und wir erleben Teil 1 eines -entspannten und zugleich eleganten Inselflug-Hoppings. Auf dem Rollfeld des kleinen, mit edlen, braunen Holzbalkons verkleideten Flughafens von Gomera stehen sie schon: die grün-weißen Käfer - Maschinen der Flotte von Binter Canarias, die modern und vertrauenserweckend buchstäblich vom Rollfeld winken. Kurz und überschaubar ist der Transfer und so auch der Tätigkeitsablauf der auffallend hübschen, wie aus dem Ei gepellten Stewardessen. Dezente Musik beim Start. Beide Stewardessen bewegen sich wie auf dem Laufsteg und setzen sich - jeweils am Bug und am Heck- gegenüber. Etwas später bekommt jeder Passagier ein Tütchen mit Nüssen plus Karamelbonbon. Der Abfalleimer kommt vorbei und schon verspürt man den sanften Sinkflug, der abermals von dezenter Musik begleitet wird.
Kaum am Flughafen von El Hierro, einem hüttenartigen Gebäude mit rotem Dach angekommen, schon leuchtet uns das Schild der Autovermietung "Cicar" entgegen. Allein aufgrund der Reservierung verläuft alles ganz problemlos. Und so können wir nun mit dem Opel Corsa unserem gemieteten Landhaus El Llaníto entgegen fahren und bemerken: hier auf El Hierro, wo man mit Bussen nicht weit kommt, scheinen sich alle Autofahrer zu grüßen.
So er-fahren wir El Hierro - ein geologisches Kaleidoskop, das mit zwei Millionen Jahren wohl noch ein Inselküken ist. Oft als vergessene Insel bezeichnet, markierte sie einst das westliche Ende der Welt. Bis 1884 verlief an der Südwestküste der Nullmeridian. El Hierro ist eine spröde Insel mit rein dörflichem Charakter. Selbst Valverde mit 1500 Einwohnern zeigt sich rural. Nur die Durchgangsstraße vermittelt das Flair einer Hauptstadt.
Werden wir dieses Mal unter, in den oder über den Wolken wohnen? San Andres, wo das Landhaus "El Llanito" steht, ist mit 1045 m der höchstgelegene Ort El Hierros und befindet sich auf der Hochebene Meseta de Nisdafé. Also, wir sind knapp über den Wolken.
Die Vermieterin Maria Paz arbeitet in einem der drei Gasthäuser. Sie zeigt uns das urige Steinhaus auf dem Gelände eines ehemaligen Obstgutes mit seinen unverputzten Steinen, das etwas abseits in einer kleinen Siedlung steht. Maria Paz hat Milch, Wasser und Marmelade für uns als Startpaket eingekauft.
Am nächsten Tag erkunden wir das spektakuläre, anthrazitfarbene Dorf Pozo de las calcosas. Es scheint, als wäre der Ort aus der Lava entwachsen inmitten einer von Felswänden eingeschlossenen Bucht, die nur über einen steilen Fußweg zu erreichen ist. Natur und Wohnraum des Menschen miteinander verschränkt. Ein unglaubliche, fast dramatische Symbiose, furchterregend zugleich.
In wildromantischer Landschaft eingebettet, wo Hortensien wie um die Wette wachsen, erleben wir die Orte Erese und Guarazoca. Ortseingangsschilder wird man fast vergeblich suchen, und wenn, dann ähneln sie Wegweisern aus Holz, oder der Ortsname steht unauffällig an einer Häuserwand. Das Altersheim für ausgediente Esel mit dem Namen "Die glücklichen Esel von Guarazoca" hat leider schon geschlossen. An wohlgeformten Vulkankegel vorbei, erreichen wir den Mirador de la Peña - ein exzeptionelles Aussichtsrestaurant mit Blick auf El Golfo und die Roques de Salmor- verlassene Felsen im Wasser. Ein ungewöhnliches Straßenschild weist den Weg zum Gran Drago, dem größten Drachenbaum. Seine Verästelungen, an denen man sein Alter schätzt, erinnern mich an dickliche Puppenarme. Bei den Gomeras galt er, der eigentlich zu den Liliengewächsen gehört, als heilig, da seinem roten Harz heilende Wirkung nachgesagt wird.
Spektakulär sind die Spuren der vulkanischen Aktivitäten, so El Golfo - ein abgesackter, umgestülpter Vulkan. Darin: das Valle del Golfo - landwirtschaftliches Zentrum in einem sichelförmigen Bogen. Eine Ebene, über der sich gewaltige, über 1000m hohe Steilwände, erheben. Surrealistisch darin eingebettet: der Hauptort La Frontera mit der Pfarrkirche Nuestra Senora de la Candelaria . Wie auf einen Berg Pudding gesetzt steht der Glockenturm auf dem Lavakegel des Joapira.
Und auch die Dehesa lernen wir kennen- eine Hochweide voller Kühe Nebelschwaden und Lesesteinmauern. Knorrige Sabinas, vom Nordostwind geknechtete, gebeugte Wacholderbäume, die sich um 180 Grad krümmen, prägen auf skurrile Weise das Bild der Landschaft. Vor Ehrfurcht küsse ich eine dieser trockenen Bäume.
Immer wieder überrascht uns das Nebeneinander von immergrünen, beinahe irisch anmutenden Weidehochflächen und bizarren, vegetationslosen Lava-Landschaften mit riesigen Felsblöcken. Alles bröselt, bröckelt, knackt, als liefe man über Streusel oder Krümel. Steinschlaggefahr am laufenden Band.
Aufbruch: | 16.07.2011 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 06.08.2011 |