Fünf auf einen Streich

Reisezeit: Juli / August 2011  |  von Andrea Wechsler

Staub-Tour im Antlitz von 118 Vulkanen

Frauenpower am Flughafen El Hierro - Patricia fliegt uns mit einer Zwischenlandung in Teneriffa übers Meer nach La Palma, die Insel, die nach ihrer Form ein Zahn ist, allerdings im wahrsten Sinne des Wortes: ein steiler Zahn. Die steilste Insel der Welt ist sie allemal.
Ein Bus fährt uns vom Flughafen hinein in die ca. 8km entfernte Inselhauptstadt Santa Cruz - eine sehenswerte Stadt voller belebter, verwinkelter, langer Gassen. Eingebettet in den schmalen Küstenstreifen, der sich an die waldreichen Berghänge der Cumbre schmiegt. Ein Ort, der Entdeckerlust weckt: Entdeckerlust auf typisch kanarische Häuser, das Rathaus im Renaissancestil in der Calle o'daly, und auf ein ungewöhnliches Großstadtambiente inmitten einer Kleinstadt mit 14000 Einwohnern.
Und dann finden wir endlich unsere Pension "La Cubana" - Geheimtipp für alle, die eine Unterkunft mit einem besonderen Innenleben erleben möchten. Schiefgetretene, knarrende Holztreppen führen nach oben. Hellblaue Doppeltüren öffnen sich, hinter denen sich unser Zimmer mit hohen Wänden und einem Metallbett befindet. Innenhöfe mit überdimensional großen Blumentöpfen schmücken die Luftschächte.
In der Touristeninformation erkundigen wir uns nach dem Weg unserer zweitägigen Vulkan-Route. Was Teil 1 angeht, rät man uns vom Reventon-Pass ab: Er wäre viel zu steil. Reventon hieße so viel wie: Zerplatzen oder große Herausforderung. Wir lassen uns jedoch nicht vom Wege abbringen. Am nächsten Morgen geht es mit Reiswaffeln, Käse, Wurst und Kakao im Gepäck los. Auf dem sogenannten Rastplatz "Refugio Pilar", wo wir zelten wollen, wird es keine Verpflegungsmöglichkeiten geben. Mit dem Zelt auf dem Rücken geht es zur Bushaltestelle der Linie 1. Ein belgischer Urlauber, mit dem wir uns kurz unterhalten haben, meint: "Viel Spaß bei eurem Spaziergang". Das Wort "Spaziergang" wird uns noch lange fast hämisch in den Ohren klingen. Linie 1 bringt uns über die Breña Alta durch einen Tunnel bis hinauf zum Besucherzentrum bei El Paso. Schon sehen wir den Reventon-Pass, einen furchigen, felsigen Buckel, inmitten bewaldeter Hänge. Unsere Einschätzung: "Ist zu packen." Noch einmal fragen wir am Besucherzentrum nach dem Weg. "Oh, muy duro", sagt ein junger Mann, als er unsere Rucksäcke sieht. Heute sollen bis 30 Grad werden und es sei ja schon so spät. Er zeigt zu der kleinen Kapelle am Waldrand- da die "Ermita de la Virgen de Pino" und dann aufwärts. 840 Höhenmeter stehen uns bevor und das mit voller Ladung. Also los, ein kurzes Stoßgebet in der Kapelle, und dann hinein in den Pinienwald. Serpentinen über Piniennadeln. Den Weg empfinden wir weniger anstrengend als gedacht. Und uns belustigt, dass er sogar gepflastert ist- ein "camino real", ein königlicher Weg also, der früher Ortschaften miteinander verband. Nach zwei Stunden sind wir oben. Rechts thront der Roque de los Muchachos und unten dehnt sich die große Ebene von Los Llanos, die Teil eines abgerutschten Vulkans ist. Der endende Reventonpass stößt hier auf den GR 131. Quellwasser gibt unseren Wasserflaschen frischen Nachschub. Nach unserem erneuten Aufbruch wird der Weg zunehmend staubiger. Waldarbeiter kommen in einem offenen Auto mit verschmierten Körpern vorbei, ihre braunen Gesichter sind vom Staub eingehüllt und sie wirbeln alles auf. Lorbeerblätter rascheln in Unmengen unter den Füßen. "Uns auf unseren Lorbeeren ausruhen", das können wir leider auch nicht all zu lange. Denn wir wollen endlich ankommen. Unsere Waden haben Staubstrümpfe, die Ursprungsfarbe unserer Wanderschuhe ist kaum zu erkennen. Der kegelförmige Birigoyo ist schon längst in Sichtweite. Endlich taucht eine Straße auf und vor uns der Grillplatz mit unzähligen Pinien und grillenden Familien. Der Zeltplatz-Guide akzeptiert unsere "provisorische" Zeltplatzgenehmigung, die ich per Email eingeholt hatte. "Platz für die Tiere des Waldes" steht auf einem Schild, das die Fläche unter den hohen Pinien, wo wir zelten bezeichnet. So kommen wir uns auch vor. Das einzige Nachbarzelt scheint verwaist zu sein Von Ferne dringt das Lachen von Kindern, die hier mit ihren Familien grillen. Allmählich verstummt es. Die Autos verlassen den Grillplatz. Es wird dunkel und bald sind wir die Einzigen weit und breit. Ein wilder Hund streunt jaulend vorbei. Ein seltsames an Holzhacken erinnerndes Geräusch mitten in der Nacht. Etwas später hören wir nur noch das sanfte beruhigende Rieseln der Piniennadeln.

Die zweite Staub-Tour mit allein 17 km Wegstrecke steht uns am nächsten Tag bevor. Unser Tagesziel: Fuencaliente, (Los Canarios) - ein Ort an der Südspitze der Insel, der mit Feuer und Lava lebt. Auf dem ewigen Auf und Ab paniert Lavastaub zunehmend unsere Waden, Oberarme und Finger ein. Vorbei am Schwarzen Loch Hoyo Negro, geht es immer weiter auf der Kette der Vulkane. Echsen huschen in Schwärmen herum. Die Füße brennen, die Kraxen sind klatschnass. Wir hieven uns, im Sand immer wieder zurückrutschend, den Weg zur Deseada, dem höchsten Punkt auf der Vulkanroute, hoch. Am Vulkan San Martin erfolgt ein endloser Abstieg durch heißen Staub, Bims und Kienäppel. Heißer Sahara-Wind weht uns entgegen, lässt uns kaum atmen. Alles scheint vor Hitze zu knistern. Gesicht und Füße brennen, wir kommen uns vor wie in einem Feuersturm. Der Wald ist so heiß, als müsste er sich selbst entzünden und die Pinien mit ihren rußigen schwarzen Stämmen, bieten keinen Schatten, denn ihre langen Nadeln wachsen schließlich nach oben. Die Tour wird zur Tort(o)ur. Frustrierend: von Fuencaliente, dem Ort, wo zuletzt 1971 der Teneguia ausbrach, ist noch nichts zu sehen. Immer wieder machen wir Pausen, sind müde und aggressiv. Endlich erreichen wir total verschmutzt und abgekämpft Fuencaliente und die Pension "Los Volcanes".

© Andrea Wechsler, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fast gleichmäßig verstreut liegen die sieben Kanarischen Inseln im Atlantik. Fünf von ihnen wollten wir innerhalb von drei Wochen mit dem Rucksack erkunden. Dies sollte wahrhaftig eine logistische Herausforderung werden. Da sich Teneriffa als Drehkreuz des Flug- und Fährverkehrs herausstellte, strickten wir nach langem Überlegen unser Erkundungsmuster: Dresden - Teneriffa - Gomera - El Hierro - La Palma - Gran Canaria - Dresden.
Details:
Aufbruch: 16.07.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 06.08.2011
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Andrea Wechsler berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.