Fünf auf einen Streich
Schluchten und Buchten - La Gomera
Von Los Christianos im Süden Teneriffas, bringt uns die voluminöse Fähre von "Armas" übers Meer. Die zweitkleinste und zugleich wildeste Insel, die von weitem an einen ungleichmäßig aufgegangenen Blechkuchen erinnert, ist nach etwa einer Stunde in Sicht. Ein Eiland mit einem Durchmesser von 25 km, im Inneren hochgebäumt bis zu 1500m.
Pastellfarbene Häuser von San Sebastian winken uns an der verkarsteten Küste entgegen. Schon Kolumbus machte hier Halt. Angeblich soll er in dieser Stadt Wasser getankt und damit schließlich Amerika getauft haben.
Unzählige steilwandige Schluchten winden sich sternförmig hinab zum Meer. Von weitem ein Kuchen, ist La Gomera von Nahem daher eher eine in Stücke geschnittene Torte.
Heraus gewitterte Felstürme von ehemaligen Vulkanschloten, wie dem Roque de Agando, stehen verzauberten Riesen gleich in der Inselmitte, wenn sie überhaupt zu sehen sind...! Denn auf La Gomera setzt sich das Spiel der Passat-Wolken fort.
Für 35 € bringt uns ein Taxifahrer zum Zeltplatz el Cedro. Der Campingplatz "La Vista" liegt idyllisch terrassenförmig angelegt, mitten im Grün. Ein Streichelzoomilieu mit Lämmchen, Enten, Pferden, Mulis, quakenden Fröschen und Tauben. Während wir das Zelt aufbauen, öffnet sich der Blick neben dem gewaltigen Bergklotz Montañeta. Der Vorhang reißt auf, im v-förmigen Tal einer steilabfallenden Küste erscheint vor uns Teneriffa.
Die etwas distanzierte Wirtin in der Zeltplatzbar nimmt uns 2 €/Nacht pro Person ab und serviert uns Kressesuppe in einem Holzpott. Schon schließt sich der Nebelvorhang wieder.
Das Laja-Tal - ein Highlight der Insel - zieht uns am ersten Tag hinunter auf 570m. Allmählich schält sich der keilförmige Agando aus dem Dunst heraus. Ein Weg, dessen Boden mit einem Teppich aus überlangen Piniennadeln komplett ausgekleidet ist, empfängt uns. Verkohlte Bäume, Steinmauern, völlig zerfallene steinerne Anwesen. La Gomera ist die Insel der Palmen. Und für wahr - eine superbe Kombination - Palmen mit lustig anmutenden pinselförmigen Blättern neben Kiefern warten im Tal von La Laja auf. Zwei Vegetationsstreifen, die sich anmutig überschneiden. Eine Symbiose der Schönheit. Ein paar Leute, die Mirabellen pflücken, stecken uns einige Hände voll der saftigen Früchte in die Außentaschen unserer Rucksäcke. Auf einer Rast saugen wir sie aus - köstlich!
"Wohin wollt ihr, zur Degollada de Peraza? " - Ohhh, sehr schwer"- ein Mann zeigt ungläubig nach oben. "Sehr hoch."
Da haben wir uns etwas vorgenommen, ohne so recht zu wissen, was. Eine Degollada ist immer oben. Und diese besonders, da wir von 500 auf 951m müssen. Da hilft kein Klagen, da gibt es nur Schwitzen und Steigen. Ein wundervoller Rundumblick und das Vorhandensein eines Gasthofes belohnen und beruhigen uns. Die Idee, unsere verschwitzten Wanderstiefel im Restaurant auszuziehen, ist wohl keine so gute. Vielmehr stößt sie sofort auf Protest der Kellnerin - viele Leute essen gerade zu Mittag- und wir transpirieren unsäglich aus allen Poren. Mangosaft, Eis, Kaffee und Kichererbsen bringen uns langsam wieder auf die Beine. So sehr, dass wir etwas später sogar dem Taxifahrer, der vorbeifahrend mit "best price" lockt, keine Chance geben, uns mitzunehmen.
Der Regenwald, der Überreste subtropischer Lorbeerwälder aus dem Tertiär, meterhohe Farne und von Efeu bestrümpfte Bäume in sich birgt, hat seine ganz eigenen Geheimnisse und ist die grüne Lunge der Insel. Doch der urwüchsigste Nebelurwald der Kanaren ist nicht nur ein Wunder, sondern auch ein Fluch, eben wenn man jene Tage erwischt, an denen nichts mehr zu sehen ist. Völlig abgenabelt von der Umwelt, laufen wir am nächsten Tag stundenlang durch den glitschigen Hexenwald mit seinen glänzenden, triefenden Blättern, um den 1487 m hohen Garajonay zu erklimmen, den höchsten Berg der Insel. Alles, was wir wahrnehmen, ist der glucksende Boden und ein Meer von Lorbeerblättern unter uns. Über uns hingegen: ein Gemisch aus muffigen Farnen, ein Gespinst der Nässe, Spinnweben, tropfende Bäume. Ein Waschhaus der Wolkenküche, - das ist der Bosque del Cedro. Na klar, wer nur die kargen Ränder der Insel kennt, jene ausgedörrten, trockenen "Kuchenränder", der wird den saftigen Teil im Inselinneren schätzen und bewundern. Und es gibt auch ein Wunder im Einzelnen: Wasser, das auch einem Baum heraus fließt.
Die Beschilderung der Wege ist hervorragend dicht, aber auch bemerkenswert "kreativ". Aus dem Begriff "Ruta" hat man - und das auf so gut wie allen Wegweisern "Puta" gemacht. Man hat einfach das Bein vom "R" weggestrichen. Und nun heißt es aufgrund der Bedeutung von "puta" z. B. anstatt: "Route Nr. 18": "Nutte Nr. 18". Sieht unglaublich echt aus.
Am dritten Tag steigen wir mit vollem Gepäck hinunter nach Hermigua. Von 820 m hinunter auf 300m. Der Weg windet sich in engen Kehren und zahllosen Trittstufen hinab, am Salto de Agua, dem größten Wasserfall Gomeras vorbei, immer weiter bis zur Staumauer des Stausees Embalse de los Tiles und schon erblicken wir die märchenhaften spitzen Zwillingsfelsen von San Pedro - "Los Gemelos". Wir erreichen Monteforte, einen kleinen Weiher. Ab jetzt begleiten uns massive Wasserrohre, vorbei an Gartenterrassen und Bananenplantagen bis zum Ortsteil San Pedro, wo der Bus nach San Sebastian abfährt.
Wir flanieren nur kurz durch diese freundlich strahlende Hauptstadt, die sich weitgehend ruhig gibt. Kein Wunder, nicht mehr als 5000 Menschen leben hier. Als eines ihrer markantesten Merkmale bleibt der gute "Jamon Serrano" in einer urgemütlichen Kneipe in unserer Erinnerung.
Mit dem Bus Linie 3 fahren wir weiter. Hinter der Degollada de Peraza geht es auf der Carretera del Sur Richtung Süd-Küste.
Wenig später versinken wir im Strandort Playa de Santiago. Jetzt haben wir ihn - den türkisblauen Himmel über uns und den Strand in greifbarer Nähe - auch wenn's ein schwarzer Steinstrand ist, auf dem man nur herum eiert, aus Angst, sich die Füße zu verletzen. Eine kleine Promenade mit sauber-weißen Häusern schmiegt sich an die Bucht, darüber erhebt sich die bräunlich karge Steilküste, auf der sich villenartige Häuser fortsetzen. Schon wieder zieht "Fred Olsen" eine Schneise durch's Wasser, legt an und spuckt Touristen aus.
Ein Schritt hinaus auf den Balkon unserer Pension mit Meerblick zeigt uns: wir sind direkt auf der "Plaza del Carmen". Und hier ist mächtig etwas im Gange - denn auf der "avenida maritima" sammeln sich bereits kostümierte Tänzerinnen und Musiker. Eine Bühne wird unmittelbar vor unserem Balkon aufgebaut. Na dann, "gute Nacht"- aber -nein wer erlebt schon alle Tage eine Prozession der Schutzheiligen und das unter schier endlosen Böllerschüssen?
Aufbruch: | 16.07.2011 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 06.08.2011 |