2013 Tadschikistan
Eine Reise durch Tadschikistan führt uns von Doshanbe aus über Khorog entlang der afghanischen Grenzen in den Wakhan Korridor, jener entlegenen Gegend im Grenzgebiet zu Afghanistan und Pakistan in der Sich Marco Polo vor rund 1000 Jahren schon über die Gewalt der Natur und die Gastfreundschaft der an der Seidenstraße lebenden Menschen erfreut haben wird. Die Reise führt weiter bis an die chinesische-kirgisische Grenze am Karakul ehe wir den Rückweg nach Doshanbe antreten
Doshanbe - Khorog
Die Entscheidung, eine Reisedestination in Zentralasien zu suchen viel leicht, war ich doch noch von den Eindrücken meiner Reise nach Westchina, Pakistan, Kirgistan und Usbekistan positiv überzeugt, daß auch Tadschikistan viel Interessantes in sich birgen würde.
Somit stand es bereits im April fest, wo wir einen Teil des Sommers verbringen würden - Tadschikistan, der "Ort der Tadschiken", jenem ehemaligen Außenposten des Sovjetreichs, daß für Russen heutzutage das Armenhaus der zerfallenen Weltmacht darstellt und wohl bei einem nicht unbeträchtlichen Teil meiner deutschen Mitbürger die Frage aufwirft, ob man im Erdkunde- und Geografieunterricht immer aufmerksam und pflichtbewußt Länder, Hauptstädte und Gebirgszüge auswendig gelernt hat. Die interessanteste Reaktion eines Kollegen zum Thema Tadschikistan war:"Hahahha, ne jetzt sag mal im Ernst!" "Tadschikistan!" "Ach so, ans Meer halt!" Vielleicht kam der Kollege eben erst vom Skiurlaub aus der Sahara zurück.
Doshanbe erwartete uns mit feurigen 40 Grad trockener Hitze. Die vielen Opel Astra, die entlang der Rudaki auf und ab fuhren zeugen von der qualitativen Hochwertigkeit des deutschen Autobauers, wurde uns doch gesagt, daß BMW und Audi auf den holprigen Straßen des Landes allzuoft den Geist aufgäben, oder zumindest die vielen blinkenden Lampen und Leuchten auf den Amarturen dem Fahrer auf den Geist gingen. Die Rangerover, Porsche Cayenne und Mecedes spiegeln ein anderes Bild des Landes wieder, für das es nun seinen berüchtigten Ruf hat - dem Handel mit dem braunen Pulver Heroin. Als das Land 1992-1996 in einen blutigen Bürgerkrieg versank, der rund 60.000 Menschen das Leben kostetet wurde Heroin und Rohopium zum Finanzierungsmittel des Kampfes der unterschiedlichsten Volksgruppen. Aus der Unüberschaubarkeit des Krieges zwischen islamistischen Gruppierungen im Süden nahe der afghanischen Grenze, dem von Stalin erzeugten Flickenteppich aus Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sowie den Pamiris und Wakhis im Osten des Landes erwuchs im Kreml die Angst einer radikalen Islamisierung des Landes wie es bereits 1979 im Iran geschah und im beanchbarten Afghanistan bereits im Gange war. Das Risiko eines "fallens" von Tadschikistan barg für Rußland die Gefahr des Fallens Usbekistans und somit der Entstehung eines feindlich gesinnten Landes an den Grenzen der Republik, deren Ideen womoglich bis ins von Moskau nur rund 1000 km entfernte Kazan überschwappen konnten. Das Einschreiten russischer Truppen unter der Regierung Boris Jelzins beendeten schließlich den Bürgerkrieg, die Potentaten mit ihren Verbindungen zu afghanischen Drogenkartellen blieben jedoch weiterhin bestehen, ebenso wie die willkürliche staatliche Kontrollfunktion durch den korrupten Polizeiapparat. Die einstigen Kamelkaravanen, die Tuch und Kräuter von Ost nach West verbrachten wurden durch stinkende alte mit Opium und Heroin befüllte sovjetische LKWs ersetzt und die gegenwärtigen Shahs stellen ihren protzigen Reichtum auf der Rudaki mit quietschenden Reifen zur Schau.
Das Chaikhane Rokhat (Teehaus Rokhat) liegt ideal um dem Treiben auf dem Herzstück Doshanbes bei einem Glas Kompott einer mit Dill und Koriander verfeinerten Laghman (Suppe mit Schafsfleisch und Nudeln) und einem guten Laib Brot zu folgen. Das offene, nur nach oben hin überdachte Gebäude bietet in der Mittagshitze eine willkommene Möglichkeit sich im Schatten über die genaue Reiseroute zu beraten. Der Geruch von Schaschlik verschiedenster Art liegt in der Luft und das stetige plätschern des kleinen Springbrunnens im Garten wird nur durch das aufheulen von viel zu schnell fahrenden Motorrädern unterbrochen.
Nachdem wir im benachbarten Hissor einen Tag verbrachten und dort von zwei Herren gesetzten Alters zum Chai eingeladen wurden, ist die Fahrt nach Khorog mit einen Toyota Landcruiser organisiert.
Um 6.30 Uhr morgens hupt es im Hof und wir laden unser Gepäck ins Auto. Noch relativ verschlafen sehen wir die Landschaft an uns vorbeiziehen und sind kaum 2h unterwegs, ehe wir die erste Paßhöhe nache des Nurek Stausees erklimmen. Bei der ersten Pause bemerke ich bereits Unstimmigkeiten im Darm und mache, wie bereits auf verschiedenen anderen Reisen, Bekanntschaft mit einer asiatischen Straßentoilette. Ich weiß nicht mehr, was ich zuerst vernahm, das Summen der unzählichen Fliegen oder den beißenden Geruch, allerdings wurden alle akustischen und geruchsbezogenen Wahrnehmungen durch den Schock des finalen visuellen Erkundens der Örtlichkeit bei weitem übertroffen. Wahrscheinlich hatte Marco Polo seinerzeit diese Örtlichkeit schon aufgesucht, zumindest ließ das Vorhandensein von sich stalagmitisch auftürmenden Bergen von Fäkalien diese Vermutung zu. Ein guter Freund, der meinen Vater, meinen Bruder und mich auf der Reise begleitete lokalisierte mit seinem GPS Gerät immer wieder die genaue Position. 120 km Luftlinie waren wir nun von Kunduz entfernt, jenem Stationspunkt der deutschen Bundeswehr, von dem unser Vaterland aus am "Hindukusch verteidigt wird". Wem die Groteskheit dieses Ausspruchs von Verteidigungsminister Peter Struck nicht schon zuvor sauer aufstieß, der sollte spätestens hier zur Besinnung gelangen, gab es doch nichts als trockene Berge und ein paar zerstreute Dörfer. Rund 350 km führte uns die kaum geteerte Straße entlang des Flußes Pyansch mit stetigem Blick ans afghanische Ufer bis nach Khorog wo wir gastfreundlich in einem Pamirhaus direkt am Chahar Bagh (vier Gärten) bei einer Familie Unterkunft fanden.
Zu Gast bei zwei älteren Herren in Hissor. Dank meiner Persischkenntnisse klappte die Verständigung sehr gut und wir erfuhren viel über das Leben während der Sovjetzeit und auch die Gegenwart.
Einer unserer Gastgeber aus Hissor zeigte uns die Kolchose, in der seinen Generation 40 Jahre lang schufftetet und nun zum Dank 150 Somoni (ca. 25 Euro) Rente monatlich bekommt.
Erster Blick auf Afghanistan. Laut GPS noch 120 km Luftlinie bis Kunduz von wo aus Deutschland verteitigt wird (Zitat Peter Struck)
Aufbruch: | 05.09.2013 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 21.09.2013 |