2013 Tadschikistan
Khorog - Wakhan Korridor
Khorog erwartete uns im Angesicht der Nacht. Es war ruhig, einzig das Rauschen des Gunt Flußes war vom Chahar Bagh aus, neben dem wir in einem gemütlichen Pamirhaus wohnten zu vernehmen.
Die Türrahmen sind nicht nach europäischer Norm und Höhe eingebaut und so kams, daß wir spätestens nach dem zweiten Ein- und Ausgehen eine äußerst auffällige Duckbewegung dem unangenehmen Kopfkontakt mit dem kantigen dunkelrot lasiertem Holz vorzogen.
Die von der Eigentümer liebvoll bezogenen und aufbereiteten Matratzen erwiesen sich als gutes und bequemes Schlafquartier, und das Plätschern das Gunts wurde lediglich durch das "Sägen" meiner Zimmergenossen begleitet. Die äußerst trockene Luft tat ihr Übriges, um das nächtliche Konzert zu verstärken.
Khorog liegt direkt an der afghanischen Grenze auf 2065 m und wird von den über 4000 m hohen Gipfeln des Pamirs umschlungen. Das Klima war entsprechend angenehmer als in Doshanbe, wenn auch in der Sonne stechend heiß. Der erste Blick auf das den Ort umringende Gebirge am Ufer des Gunts brachte uns alle zum Staunen: gewaltige brauntrockene Felswände türmen sich in alle Himmelsrichtungen rund um Khorog gen Himmel empor. Das Blumenmeer in allen Farbvariationen im Chahar Bagh bietet einen fantastischen Kontrast zum tiefblauen Himmel und den alles überragenden Gipfeln. Fast träumt man sich in einem Garten Eden des Friedens und der Muße, hätte uns nicht ein gesprächsfreudiger Einheimischer von den kriegsähnlichen Zuständen im Jahr 2012 berichtet, als Khorog Schauplatz eines Machstspiels zwischen Drogen- und Schmugglerbaronen auf der einen und den Regierungstruppen von Präsident Rakhmon auf der anderen Seite wurde. Glaubt man den Berichten von AL Jazeera und BBC hat der 24.07.2012 12 Soldaten und 30 Rebellen das Leben gekostet. Das Entsetzen ist dem Vater von 3 Kindern noch ins Gesicht geschrieben als er uns im Vorbeifahren die zumeist bereits verputzten Einschußlöcher in den Gebäuden entlang der Straße zum botanischen Garten zeigt. Für ein extra Bagshish bringt uns der nette Herr noch die verbleibenden 2 steilen km die Straße zum zweithöchsten botanischen Garten der Welt hoch und verspricht uns auch dort wieder abzuholen.
Am Folgetag lernen wir unseren Fahrer kennen, einen 56 jährigen aus Murghab stammenden Kirgisen, der leider nur spährliches Farsi spricht und es in Folge nur zur nötigsten Kommunikation kommen wird. Wir fahren weiter entlang des Pyansch in Richtung Ishkashim, dem Grenzübergang zu Afghanistan und dem Tor zum Wakhan Korridor. Die holprige, meist ungeteerte Straße bietet nahezu pausenlos spektakuläre Aussichten auf afghanische Dörfer jenseits des Flußes und die gar nicht so weit entfernten Gipfel des Hindukush in Pakistan. Die vom Schwefelwasser stinkenden Haut waschen wir uns nach einem Bad im Garm Chasma (heiße Quelle) im Pyansch wieder rein. Einige Meter würden nur noch fehlen, und wir hätten das afghanische Ufer erreicht, aber die Strömung des Flußes ist stark, so bleiben wir auf der tadschikischen Seite.
Nachdem wir an Ishkashim vorbeigefahren sind eröffnet sich uns die Sicht in den Wakhan Korridor, jener "künstlich errichteten" Region, die Ende des 19. Jahrhunderts das angelsächsiche Kolonialreich vom russischen Zarenreich im Sinne einer neutralen Zone trennte. Die zwischen 17 km und 60 km breite rund 300 km lange Landzunge wird auf beiden Seiten zusammen von rund 12.000 Menschen bewohnt.
Die Deutschen Denker, Philosophen und Reformatoren Nietzsche und Schopenhauer haben es ebenfalls bis in den Wakhan geschafft, zumindest in den Kopf des gebildeten, gutgekleideten weißhaarigen Herrn, der uns, als wir wegen einer Autopanne ungeplant anhalten mit großer Freude und Gastfreundschaft in sein Haus einlädt. Stolz teilt er auf persich seine Kenntniss über die Philosophie der Herren und die Großartigkeit und Einzigartigkeit des deutschen Volkes. An mancher Stelle bemerke ich in der Diskussion, daß ich weiterhin fleißig persisch lernen muß um derart tiefgründige Diskussionen zu führen, die Quintessenz, die Einmaligkeit der arischen Rasse und die damit verbundene Verwandtschaft des deutschen Volkes mit den Völkern der tadschikischen, pakistanischen, afghanischen und indischen (Kashmir) arischen Völkern bleibt mir unverkennbar im Gedächtnis. Die Freude unseres Gastgebers kulminierte als mein Freund beim vierten Wodkanachschank in den Chai Ziah (Schwarztee) die Großartigkeit und ewige Gesundheit des geistigen Oberhauptes der Ismailis (zu denen sich auch unser Gastgeber zählt) Agha Khan pries und herbeilobte. Mit etwas holpriger Stimme und voller Stolz ob dieser für ihn so wichtigen Worte aus dem Munde eines Deutschen Rassegleichen konnte er kaum seine Tränen zurückhalten und bat in traditioneller Gastfreundschaft weitere Süßigkeiten, Chai und Brot zum Verzehr an.
Die letzten 30 km fuhren wir durch die Dunkelheit des Wakhan, ehe wir unsere nächstes Etappenziel Yamg erreichten, wo uns ein weiterer freundlicher Gastgeber empfing.
Im Vordergrund die afghanischen (nicht weißen) Gipfel des Wakhan und dahinter die Schneebedeckten Berge des Hindukusch in Pakistan
Aufbruch: | 05.09.2013 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 21.09.2013 |