4 Wochen Korsika und ein wenig Marseille
Ins zentrale Korsika: Corte
Über Ajaccio zur Stadt auf dem Felsen und das Rauschen der Restonica
Die neue Hauptstadt: Ajaccio
Zuerst wollen wir zur Tourist-Info, dann ein verspätetes Frühstück einnehmen, beim ersten Café aber bleiben wir hängen, bestellen Sandwich und Kaffee. Welche Überraschung, unser nettes junges Paar aus Dresden steht plötzlich vor uns, sie hatten ihre Route etwas geändert und sind jetzt in Ajaccio, um am nächsten Tag zurück zu reisen.
Wir laden sie auf einen Kaffee ein und sie erzählen von ihrer Wanderung, ihrem Studium (sie Medizin, er Musik, speziell Saxophon), von bisherigen Reisen. Wir erzählen von Skandinavien und Neuseeland. Als "Herr der Ringe" - Fans sind sie natürlich besonders an Neuseeland interessiert und bekommen leuchtende Augen, als wir erzählen, dass wir an der Flanke des "Schicksalsberges" gewandert seien!
Auch sonst trifft man immer wieder bekannte Gesichter aus dem Bus. Die Holländer schwärmen jetzt einzeln oder in kleinen Gruppen durch Ajaccio, jetzt ist ja keine Gruppendisziplin mehr einzuhalten.
Dann jetzt wirklich zur Tourist-Info, wo wir einen Stadtplan bekommen, unser Hotel "Napoleon" finden wir schnell direkt neben dem Jugendstil - Postamt, ruhen uns kurz aus, machen uns frisch und dann geht's zum ersten Stadtbummel.
Es gibt eigentlich nur zwei Straßen, die man entlang bummeln kann, die "edle" Geschäftsstraße, die natürlich Cours Napoleon heißt und die enge Rue Cardinal Flesch (ein Onkel Napoleons), die die Touristen-Straße ist, Andenkenläden, korsische Spezialitäten, Pizza, Bier und Kaffee aber auch das Stadtmuseum, davor ein Hauch von Montmartre, lauter Maler ganz unterschiedlicher Stilrichtungen.
In einer Bäckerei kaufen wir zwei kleine Pizzen, trinken in der Touri-Straße noch je ein Bier und verziehen uns dann zur späten Siesta in unser Hotel.
Gegen ½ 6 Uhr besuchen wir dann noch den westlichen Teil der Altstadt, die große Bucht von Ajaccio, schauen einigen wenigen mutigen Schwimmern zu und einem Angler. In den Dom nur ein kurzer Blick, es ist Gottesdienst. Natürlich auch die Denkmale von Napoleon und ebenso die Citadelle, wo wir den Eseln und Ziegen im Citadellengraben zusehen, die dort das Gras kurz halten müssen. Dann noch Zuschauen bei den Boule (oder Petanque?) - Spielern, die ihren Platz direkt vor der Citadelle haben. Auch einen Marktplatz gibt es ganz in der Nähe, dort ein weiteres Napoleon-Denkmal, dieses Mal für den "Ersten Konsul". Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Ajaccio der Geburtsort von Napoleon ist?
In diesem Viertel direkt dem Hafen zugewandt sind einige nette Lokale, ein Fischlokal, das um 7 Uhr öffnet, tut es uns besonders an. Als wir 10 vor 7 dort ankommen, ordnet die Madame noch einmal eine Runde ums Carré an, den man öffne ordnungsgemäß erst um sieben! Später aber erweist sie sich als überaus nette Wirtin, die mich nur einmal streng anschaut, als ich meinen Riesentopf mit Fischsuppe nicht völlig ausgelöffelt habe.
Ingrid bekommt als Entré eine Art Fisch-Farce mit verschiedenen Saucen dazu, wie auch die Fischsuppe hervorragend. Dann als Hauptgericht für beide einen gegrillten Loup, wunderbar zartes Fleisch, dazu Reis mit einem Dach verschiedener Gemüse.
Als Dessert eine Erfrischung von passierten Erdbeeren mit Sahnehaube und als Digestif auf "Anordnung" der Madame Limoncello mit einem Gläschen "Eau de vie" mit Würfelzucker... Ungewöhnlich, zumindest für uns aber eine gelungen Abrundung.
Und das alles zu angemessenem Preis. Da wir jeden Gang loben, kommt die asiatische Köchin heraus und bedankt sich artig für die Komplimente. Zufrieden gehen wir zum Hotel, trinken noch in Sichtweite einen Rosé und schauen ein wenig dem lebhaften Samstagabend - Treiben zu.
Es regnet am nächsten Morgen, wir aber haben Zeit, denn unser Zug fährt ja erst um 15.40 Uhr nach Corte. Wir beschließen im Hotel zu frühstücken, es ist zwar teuerer als in den Cafes, aber wir wollen nicht in den Regen raus.
Es gibt ein ordentliches Frühstücksbüffet mit treusorgender Küchenmannschaft und wir futtern uns durch, erleben so eine "Generation" von Frühstücksgästen nach der anderen. Manche kommen wir Mumien rein (Nur keine Mine verziehen) und wieder wie Mumien raus. Eine Gruppe Engländer okkupiert den Nebenraum, der eigentlich nicht fürs Frühstück vorgesehen ist, was den Frühstückschef zur Verzweiflung bringt.
Dann wieder aufs Zimmer und da der Regen aufhört, machen wir noch einen Spaziergang Richtung "Napoleon" und zum Platz des "Ersten Konsuls". Hier ist ein interessanter Markt, wir bedauern, dass wir eigentlich nichts mehr mitnehmen können. Dann fängt's an zu grummeln, plötzlich große Tropfen und es beginnt zu schütten. Wir flüchten uns in ein Café und dann öffnet der Himmel seine Schleusen. Geschützt unter dem "Sonnendach" verfolgen wir rennende Leute, sehen wie die Straße zum Strom wird, den man nicht mehr trockenen Fußes überqueren kann, sitzen gut für eine Stunden und halten uns an unserem Cafe au lait fest.
Ein kleines Mädchen neben uns übt zusammen mit der Mutter "Frere Jaques" und klatscht freudig in die Hände. Für die Bedienung wird es schwierig, sie balanciert zwischen den Wasserschüben hindurch Espresso und Café au lait und anderes....
Ganz übel ist es natürlich für die Marktleute, erstens kommt keine Kundschaft, zweitens müssen sie notdürftig ihre Waren vor den Regenmassen schützen.
Dann aber hört's auf, das Wasser verläuft sich, wir gehen zurück zum Hotel, ruhen uns aus und sehen im TV noch ein wenig einem Rugbyspiel zu: Argentinien gegen Neuseeland, wir sind natürlich für die "All Blacks", sie führen auch, als wir pflichtgemäß um 11 Uhr unser Zimmer verlassen, wie das Spiel ausgegangen ist, haben wir nie erfahren....
11 Uhr ist natürlich immer noch früh für den Zug aber die Zimmermädchen schleichen schon um unser Zimmer rum und wir können ja das Gepäck noch eine Zeitlang deponieren.
Dann aber wird es Zeit, zum Bahnhof zu marschieren, wir erstehen unsere Fahrkarten, sitzen eine Weile im Wartesaal, wir haben ja noch "unendlich" Zeit, wechseln dann in die trostlose Bahnhofsgaststätte, deren Wirt sich mehr um die Wiederholung der Fußballspiele im Fernsehen kümmert (Juve Turin - FC Turin 1:0) als um die Gäste, aber irgend wie schafft er es doch, uns ein ordentliches Sandwich zu kredenzen.
Vor den Gleisen stolziert ein seltsamer Mann rum, ganz in schwarz mit Sonnenbrille und einem ekligen Kampfhund-ähnlichen Vieh, das überall hinpinkelt, und der Mann scheint allen Wartenden zu bedeuten: "Seht ihr denn nicht, dass ich der gefährliche Mafia - Killer bin?"
So langsam füllt sich der Bahnhof, dann als der Zug einfährt, ist er schnell ordentlich gefüllt, viele Menschen aber auch viele Rucksäcke usw.
Eine Familie aus Bonn sitzt ein wenig verteilt rund um uns, drei Mädchen 5, 3 und unter 1, drei Quecksilber, die Mutter und Vater auf Trapp halten. Die Eltern haben sich einen zweimonatigen Urlaub gegönnt und wollen auch noch nach Sardinien, sie sind mit einem Wohnwagen unterwegs, haben in Corte ihr Auto stehen und haben die Zugfahrt wegen der tollen Strecke unternommen. Das Baby ist müde, die älteren Töchter wollen im inzwischen überfüllten Zug rumturnen. Eine braucht ein Pflaster auf einer mit bloßem Auge nicht sichtbaren Wunde. Die andere hat Hunger, will an der Banane das "Braune" nicht essen.... wir danken Gott, dass wir das hinter uns haben.....
Trotz des strömenden Regen haben wir tolle Aussichten auf Schluchten, entdecken hier in Zentralkorsika viel Wald, fahren über hohe Viadukte. Aber trotz Regen und Gewitter kann uns das nicht schrecken, seit der Fahrt mit der "Centovalli - Bahn", als der Blitz im Stromkasten am Bahnhof einschlug, sind wir abgehärtet.
In Corte quetschen wir unser Gepäck wieder aus den Gepäckständern, stehen schon wieder im Regen, verabschieden uns von der Bonner Familie.
Die alte Hauptstadt: Corte
Ich hatte schon in Ajaccio Monsieur Baldacci angerufen, Madame hatte ja uns angeboten, uns abzuholen. Da ist aber niemand. Unter dem kleinen Vordach der gutbesuchten Bäckereifiliale neben dem Bahnhof suchten wir notdürftig Schutz vor dem immer stärker werdenden Regen. Ich rufe Mr. Baldacci noch einmal an. "Ah, wir seinen ohne "voiture"? Ob ich ein Taxi nehmen solle, fragte ich. Nein, nein, er hole uns natürlich ab (was hatte er wohl gedacht, als ich im mit genauer Urzeit die Ankunft am Bahnhof Corte mitgeteilt hatte?). Madame Sandrine ist wohl nicht da und Monsieur hatte auch das mit der Bettwäsche übersehen.... aber er erklärte uns alles, schon auf der Fahrt vom Bahnhof, dann im Haus, die ganze Lichtarchitektur usw.
Und, wenn ihr wieder zurückfahrt, fahre ich euch "naturalement" zum Bahnhof, nur anklopfen und ich komme!
Ein witziges Häuschen direkt am Steilufer der Restonica, die da unten in der Schlucht rauscht und uns heute Nacht in den Schlaf begleiten wird.
Ein kleiner Imbiss, dann fallen wir schon um 9 Uhr todmüde ins Bett... Die Restonica "lullt" uns in den Schlaf und wir schlafen gut, müssen uns nach dem Aufwachen erst einmal im neuen Bett, neuer Lage der Schalter, neuem Dauergeräusch des tosenden Wildflusses usw. zurecht finden.
Nach einem mageren Frühstück schauen wir lange runter in die Schlucht, wo der Fluss tost. Zwischen den riesigen abgerundeten Granitsteinen sucht er sich seinen Weg runter nach Corte, um sich dort mit dem Tavignano zu vereinen und dessen Namen mit zu übernehmen. Dann packen wir den noch leeren Rucksack, wandern der Restonica entlang, vorbei am Denkstein des St. Roch, dem viele für seine Hilfe danken, wenigen verlassenen und einigen bewohnten Häusern, einem Campingplatz und ganz vorne vor der Restonica - Brücke, aber schon mit der Nase zum jetzt parallel laufenden Tavignano ein Häuschen mit dem Corsica - Symbol und dem Schild "Bio" und "Region", wo wir auf dem Heimweg von der ulkigen Besitzerin, die uns im Bademantel öffnet, Marmelade, Honig und Wein kaufen werden und erfahren, dass das Haus früher eine Kastanienmühle war, ideal daher die Lage an dem wilden Fluss.
Corte sieht man schon lange vorher, ein Berg vor den Bergen, gekrönt von der Citadelle, darunter die Altstadt mit pulsierendem Leben und vielen sanierungsbedürftigen, um nicht zu sagen baufälligen, Häusern. Ganz unten, fast in der Ebene, die Universität und einige wenig einladende Wohnsiedlungen.
Wir überqueren die beiden Brücken und sind bald in der lebhaften Altstadt. Vorbei an einem SPAR mit lauter Casino-Artikeln (gehört SPAR zur Casino-Gruppe?), in dem wir später einkaufen werden, vorbei an vielen Straßencafes, wo auch jetzt am Montagmorgen viele sitzen und dann rauf zur Citadelle und zum Museum, das eine Ausstellung über korsische Musik anbietet und das wir in den nächsten Tagen besichtigen wollen.
Wir bekommen im Touristenbüro einen Stadtplan und einen aktuellen Fahrplan für die Bahn.
Wenn man es schafft, über die hohe Mauer zu schauen, hat man einen guten Blick über die Stadt und die umliegenden Berge, über denen blütenweiße Wolken schweben.
Hier oben ist auch das Institut für Archäologie und im Innenhof wurden neolithische Hütten, Nomadenzelten ähnlich, nachgebaut, die Vorbilder stammen aus der Gegend von Ile Rousse.
Im krusteligen SPAR - Laden kaufen wir das Nötigste ein aber auch ein schon am Spies gegrilltes Huhn "poulet roti" auf das wir aber noch 10 Minuten warten müssen. Dann machen wir uns mit schwerem Rucksack und zwei Taschen auf den Heimweg.
Am Nachmittag spazieren wir nochmals nach Corte, ein Stück auch die Tavignano - Schlucht hoch, finden eine Stelle, an der man ganz zum Fluss runter gehen und besichtigen mit gebotener Vorsicht einen von Hornissen bewohnten hohlen Baum.
Danach geht's in die Stadt rauf, zuerst zum "Belvedere" neben der Citadelle, von wo wir alle drei Flüsse sehen können - es gibt noch die Orta - sowie die Altstadt. Dann aber beginnt es fast schon "Calvi - haft" zu winden.
Nochmals quer durch die Altstadt, wir trinken was hinter der Statue von Pascal Paoli, der in Corte besonders verehrt wird, der Befreier Korsikas von den Genuesen.
Napoleon ist hier überhaupt nicht zu finden, obwohl der doch, wie der Baedecker behauptet, zumindest in Corte gezeugt wurde, na ja, am Donon in den Vogesen gibt's ja auch ein Schild unterhalb des Römertempels im Dickicht "hier wurde Victor Hugo gezeugt". Dieser Akt der ganzen Welt....
Über das Uni - Gelände, sehr großzügige, moderne Bauten - Corte ist wohl die einzige Universitätsstadt Korsikas - kommen wir, dieses Mal trocken, zum Bahnhof, bewundern abwechselnd rosa - rote, weiße und dunkelschwarze Wolken rund um Corte. Die dunkelschwarzen kommen aus den Bergen, aus den Flusstälern - da wo wir hinmüssen....
Also nichts wie heim.
Morgen wollen wir in die Restonica - Schlucht wandern!
In die Restonica - Schlucht
Und das tun wir.
Das Frühstück ist dieses Mal nicht so mager, wir hatten ja im SPAR Salami, Schinken und Käse sowie "fromage blanc" gekauft. Dann aber geht es die Straße hoch in die Schlucht. Unsere Karte zeigt eine Info-Stelle sowie eine Brücke, die zu einem Weg links der Schlucht (dem Flusslauf nach rechts, orografisch oder wie das heißt).
Die Info - Stelle ist geschlossen, die Brücke verfallen, so dass wir die Straße hoch marschieren. Eine spätere Brücke führ auf einen ans Flussufer gequetschten Campingplatz und Schilder weißen darauf hin, dass Unbefugte hier nichts zu suchen hätten.
Aber die Straße lang ist gar nicht so schlecht, man hat stets einen guten Blick auf die Schlucht, mal ganz knapp über dem wilden Wasser, dann hoch oben.
Hier ist überall 30 km/h und die meisten halten sich dran, bis auf einen LKW, der mal rauf und mal runter an uns vorbei saust.
Die Restonica - Schlucht, in deren Ausgang wir für diese Woche leben, übertrifft alle unsere Erwartungen. Ob wir von oben runter schauen oder an einigen Stellen, wo es möglich ist, runter steigen, trotz der vielen Schluchten, die wir schon besucht haben, das ist eine der sehenswertesten.
Steil und wild saust der Fluss aus dem Hochgebirge herunter, bizarre Felsformationen, rundgeschliffene riesige Granitblöcke, dazu Ausblicke auf die in Zacken geformten Berge und aufs korsische Hochgebirge zum Monte Cinto hin. Leichter Nebel zieht über die Felsentürme, Zacken, Felsblöcke, eine fast schon Tolkien-hafte Landschaft.
Wir wollen bis zur höchsten Brücke, wo es auch ein Restaurant gibt, ein Schild kündet noch 4 km an. Die aber ziehen sich und als es nach vielen "nur noch eine Kurve" endlich kommt, ist es geschlossen, obwohl ein Schild "ouvert" verkündet. Die dicken Ketten aber, die das Tor verschließen, sprechen eine andere Sprache.
Zum Glück haben wir genügend Wasser dabei und unten ist ja auch noch eine Hütte, wo man trinken und essen kann, eine Art Ferme - Auberge.
Auch den Rückweg genießen wir, obwohl die steile Straße ganz nett in die Beine geht, denn wir haben ja jetzt den Blick zurück.
Natürlich geht's schneller bergab und nach etwa einer Stunde sind wir an der Ferme - Auberge, wo der Besitzer gerade abschließt, er ist auf dem Weg in die Stadt und jetzt ist fermé....
Nun gut. Wir kommen an unser Häuschen, ziehen uns um, vor allem leichtere Schuhe an und wandern noch nach Corte, kaufen Brot, trinken auf der Place Paoli noch zwei korsische Bier (oder sind's vier?). Paoli und der Kellner schauen zufrieden!
Am nächsten Tag wollen wir mit dem Zug nach Vizzavona fahren und zu den "Cascades Anglaises" wandern ,eine kurze Wanderung, eher ein Spaziergang.
Wir frühstücken gemütlich und wandern dann zum Bahnhof, eine ganze Schulklasse steigt ein, wir vermuten schon, dass sie dann auch zu den "englischen Wasserfällen" wandern, was aber nicht der Fall ist. Dieses Mal können wir die Schluchten zwischen Corte und Vizzavona ohne Regengüsse aus dem Zugfenster betrachten. Diejenigen, die in Vizzavona mit Rucksäcken aussteigen, treffen wir aber immer wieder, darunter eine bayrische Wandergruppe, alle mit Stöcken "bewaffnet", die sich teilweise etwas mühsam im Gelände bewegen. Ferner Schweizer Großeltern mit Enkelkindern, einem größeren Mädchen von etwa 12 und einem etwa 9jährigen Jungen. Das Mädchen plappert unentwegt und erklärt dem kleineren Jungen schwierige Fadenspiele oder macht Quizaufgaben mit ihm, alles in bestem Schwizzerdütsch.
Es beginnt mit einem gemütlichen, breiten Wanderweg, so was hatten wir auf dem Mare e Monti nie erlebt, kaum ansteigend in einem fast Schwarzwald-ähnlichen Wald, hohe Buchen und einige Schwarzkiefern, die jedoch dann, als es doch etwas steiler wird, immer mehr dominieren. Der Weg ist hier auch Teil des GR 20, dessen Wanderer müssen sich wie auf einer Autobahn vorkommen.
Moos überall und kleine Felder von Alpenveilchen, die auch jetzt im Herbst noch blühen.
Dann wird der Weg schmaler, überquert einige stabile Brückchen, um dann bei einem großen Unterstand, der auch als Biwak genutzt wird, anzukommen, nochmals eine stabile Brücke, die ersten Gumpen und Schnellen. Wir steigen höher hinauf, lassen uns zum Vespern auf einem großen runden Steinblock nieder. Schön, interessant aber nicht besonders spektakulär. Während Ingrid ein kleines Schläfchen versucht, klettere ich höher, jetzt wird's schon spektakulärer: große Wasserfälle erscheinen, eine Landschaft aus riesigen, abgeschliffenen Steinen, Wasserfällen und Gumpen, hin und wieder einige Kiefern dazwischen. Ganz mutige baden in den Gumpen.
Wir beschließen bis auf die Höhe über den Fällen aufzusteigen, jetzt wird es wirklich GR 20, wir müssen zwischen den Felsbrocken und Steinblöcken oft die Hände zu Hilfe nehmen, es wird immer steiler. Dann sind wir hoch über den Fällen und beschließen umzukehren. Immer wieder bietet uns die Schlucht neue Blicke und neue Wasserfälle oder Schnellen.
Zurück überqueren wir die Schlucht an einer unschwierigen Stelle und wandern auf der anderen Seite, wo uns die Orientierung zuerst etwas schwer fällt.
Vorbei geht's danach, wie schon auf dem Hinweg, an einer ausgebrannten Ruine mit großer Freitreppe, ein ehemaliges Schloss oder Luxushotel? Ein Luxushotel erfahren wir später. Vizzavona besteht ja ansonsten nur aus einer Handvoll Häuser.
Bei der Gite d'Etape lassen wir uns nieder, um etwas zu trinken, treffen wieder fast die gleichen Leute wie bei der Hinfahrt. Mit den Schweizern kommen wir ins Gespräch, wir hatten uns schon gewundert, dass sie ihre Habseligkeiten in einer blauen IKEA - Tasche mit sich führen. Ja, sie hatten ihren Rucksack in der Schweiz vergessen. "Zur Strafe fürs Vergessen", sagte die Frau "muss der Mann jetzt die unbequeme Tasche mit rumtragen".
Dann wieder die tolle Fahrt über die vielen Brücken und viele - zumeist kurze - Tunnels. Wir sitzen ganz vorne. An einer Station packt der Fahrer seine Sachen und verlässt grußlos das Abteil. Alle schauen sich ratlos an, eine Frau vermutet, dass er jetzt einen trinken geht, sie macht zumindest das entsprechende Handzeichen. Dann aber kommt nach einer Weile ein neuer Fahrer. "Ich bin der Neue" verkündet er. Ein ganz normaler Fahrerwechsel, keine Flucht, wie die des Lehrers Gregorius, der mitten in der Stunde den Unterricht verlässt, um mit dem Nachtzug nach Lissabon zu fahren, so wie in dem Roman von Pascal Mercier, den ich gerade lese.
In Corte gehen wir dann noch in den Casino - supermarché, dem ersten richtigen Supermarkt auf unserer Reise, kaufen ein. Zu Abend gibt es Kartoffeln mit korsischem Weichkäse (brocciu) gespickt mit Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten. Hervorragend!
Unsere Wanderung, die eigentlich nur ein besserer Spaziergang hätte werden sollen, wurde dadurch, dass wir den GR 20 - Anstieg noch mitmachten, doch etwas anstrengender und müde fallen wir ins Bett.
Heute keine große Wanderung, von beiden Talseiten zieht Nebel auf, der Himmel ist stark bedeckt. Also gehen wir nach Corte und wollen ins Museum bei der Citadelle. Morgen, wenn's schöner wird, dann wollen wir eventuell in die Tavignano-Schlucht.
Kühl ist es beim Frühstück, dennoch natürlich muss es die Terrasse über der Restonica sein.
Das Museum oben in der Citadelle ist unser Ziel. Es ist als moderner Bau raffiniert in die Mauern der unteren Citadelle eingepasst, Architekt ist der Turiner Andrea Bruno.
Ich hole zwei Eintrittskarten. "Retraité" fragt die Dame an der Kasse und ich bekomme sofort den Seniorentarif....
Der Eintritt gilt auch für die Citadelle und so können wir jetzt das ganze Gelände besichtigen und auf den höchsten Punkt, 111 m über dem Zusammenfluss von Restonica und Tavignano, steigen.
Im Hof der Citadelle ist auf zwei Ebenen eine Fotoausstellung mit großformatigen Bildern des iranischen Fotografen REZA (www.rezaphotography.org). Eindrucksvolle Bilder aus Afghanistan, Pakistan, China und dem Süden Afrikas, die einerseits viel Leid und Hoffnungslosigkeit zeigen und nur wenige Hoffnungsschimmer andeuten. Man liebt hier offensichtlich großformatige Fotos in der Öffentlichkeit. In Calvi sind es sehr beeindruckende Unterwasserfotos, hier sind außerdem an der Außenmauer der Citadelle Amateurfotos von korsischen Landschaften ebenfalls in großen Formaten.
Das Museum zeigt korsische Musik über die Jahrhunderte, von der Polyphonie des Gesangs über Instrumentalmusik, die große Oper und Operette, die nach italienischem Vorbild in Bastia und Ajaccio Einzug hielten über den korsischen Schlager (Tino Rossi und andere) bis zur modernen korsischen Folklore und zur Popmusik à la Corse.
Überall kann man über Kopfhörer Musikbeispiele hören von der Muschelflöte bis zur Rockband. Auch Instrumente, die für Korsika typisch sind, werden gezeigt, ferner alte Grammophone und Tonbandgeräte.
Die reguläre Ausstellung zeigt Handwerk, Landwirtschaft und Industrie in Korsika im Wandel der Zeit, darunter eine Historie der Firma MATTEI, der Herstellerin des berühmten braunen Kräuterlikörs "Cap Corse".
Wir wandern noch ein wenig durch die Altstadt, wobei uns immer wieder das für französische Touristenorte so typische kleine Besichtigungszügelchen in die Quere kommt, in dem die Fahrgäste mit gezückter Kamera den Worten des Sight-seeing-Führers lauschen, um dann sofort loszuballern.....
Bei einem guten korsischen Rosé lassen wir den Abend ausklingen.
Grauer Himmel, kühl, wenig Lust, die Wanderung zur Tavignano-Schlucht wird gestrichen, wir haben ja inzwischen genügend Schluchten gesehen und nach Teilen von "Tra Mare e Monti" und ein wenig "GR 20" brauchen wir nicht unbedingt "Mare a mare Nord", der durch die Tavignano - Schlucht führt als weiteres Renommee.
Wieder bummeln wir nach Corte, Café au lait mit Kokostörtchen, letzter Einkauf bei SPAR, wo man uns inzwischen kennt....
Einkaufen in Korsika ist genau das Gegenteil zum Einkaufen in Sizilien. Niemand preist seine Waren an und versucht dich mit viel Überredung in den Laden bzw. an den Stand zu locken, sondern es geht nach dem Prinzip: Komm rein, schau dich um, wenn du willst, kannst du was kaufen. Au revoir und raus. O.k.! Wenn man zum dritten Mal kommt, wird man so langsam als Person akzeptiert....
Morgen früh müssen wir spätestens um 8 Uhr am Bahnhof stehen, der Zug fährt um 8.04 Uhr nach Bastia.
Monsieur ist überpünktlich, schaut sich in der Wohnung um, strahlt, zahlt die Kaution zurück und fährt uns zum Bahnhof. Auf der kurzen Strecke erzählt er uns seine Lebensgeschichte, na ja, Teile davon, soweit wir sie verstehen. Er stammt aus Korsika, ist Malermeister, auch Hobbymaler, seine Frau stammt aus dem Vaucluse, er war als Soldat dort stationiert.....
Heute um 4 müsse er seine Frau noch nach Bastia bringe, sie fahre ins Vaucluse, Verwandte zu besuchen. Dann am Bahnhof Küsschen, Küsschen....
Fast alle, die da warten, haben große Rucksäcke wie wir, einer, wohl ein Kletterer, trotzt der morgendlichen Kühle und zeigt seine braunen Schultern und seine muskulösen Arme.
Dann wollen wir so langsam zum Bahnsteig und haben ein de-ja-vu - Erlebnis: Es schüttet, der anfangs sanfte Regen hat sich in einen Wolkenbruch verwandelt, so sind wir ja auch schon angekommen....
ein Blick nach Afghanistan in der Citadelle von Corte (solche Brücken haben wir zum Glück nicht erlebt)
Aufbruch: | September 2013 |
Dauer: | circa 4 Wochen |
Heimkehr: | Oktober 2013 |