Bella Italia
Toskana - „Giostra del Saracino“ in Sarteano
Sarteano
Mittwoch 15.8.12 (Ferragosto!)
Um ca. 10 Uhr verlassen wir den „Listro“ und bezahlen pro Nacht € 18,30 für diesen einfachen, aber schönen Platz (es gibt wohl Insektenrabatt *grins*). Wir fahren nur 35 km, aber über die holprigen und kurvigen Straßen Umbriens dauert das eine Dreiviertelstunde.
Sarteano liegt auf einer Anhöhe in 537 Meter Höhe, umgeben von Wäldern. Wir checken ein und beziehen unseren am Vortag ausgesuchten Platz. Es ist herrlich ruhig hier und ringsum uns ist alles leer.
„Giostra del Saracino“ in Sarteano
An der Rezeption wird auch Deutsch gesprochen und wir haben am Vortag erfahren, dass heute das traditionelle Fest „Giostra del Saracino“ in Sarteano stattfindet.
Dort wollen wir natürlich hin. Es handelt sich um ein Reiterfest, in dem die Contraden (Stadtteile) gegeneinander antreten, ähnlich dem „Palio“ in Siena, nur dass es lediglich 5 Contraden gibt. Die Hauptstraße vor dem Hauptstadttor entlang der Stadtmauer wurde in eine Pferderennbahn umgebaut, d.h. mit Lehmerde 15 cm aufgeschüttet und gewalzt, sowie mit Absperrungen versehen. Fünf Tribünen, eine für jeden Stadtteil, wurden entlang der Bahn aufgestellt und jeweils prächtig in den traditionellen Farben (Fahnen, Bändern und Luftballons) der Stadtteile geschmückt. Trotz des kurz bevorstehenden Fests ist die Stadt wie ausgestorben. Alle sind wohl in den Häusern beim Festmahl, wie man an den Geräuschen aus den Häusern in den Gassen der Altstadt erkennen kann. Wir vertreiben uns die Zeit, bis es los gehen soll, in der zentralen Stadt-Bar, teilen uns eine Pizza und trotzen der Hitze mit viel Wasser und dem einen oder andern kühlen Bierchen (Wolfgang). Wir haben uns ziemlich in der Nähe der Wettkampfstätte aufgestellt. Es ist kurz vor dem offiziellen Beginn. Die Tribünen sind weiterhin verwaist. Irgendwo hört man jedoch Getrommel. Wir können ausmachen, dass sich etwas durch die Stadt bewegt und mit einem Mal ist die Vorhut eines Umzuges auf der Rennbahn. Immer mehr Menschen bevölkern nun die Arena und die Tribünen. Der Umzug führt den „Saracino“ in Form einer Holzpuppe mit sich, der nun in der Arena aufgebaut wird. Die Puppe hat am rechten Arm einen Schild, auf dem ein Ring aufgestellt wird. Die Puppe ist drehbar gelagert und hält in der linken Hand eine keulenartige Waffe. Die Reiter haben die Aufgabe, mit einer hölzernen Lanze den Ring auf dem Schild des „Saracino“ im vollen Galopp aufzuspießen, über die Bahn zu preschen und wieder zu wenden, um in vorgegebener Zeit den Ring wieder bei der Statue abzulegen. Trifft der Reiter allerdings dabei den Schild, dreht sich der „Saracino“ und haut dem Reiter in den Rücken.
Im Umzug marschieren, schreiten und reiten für jeden Stadtteil die Trommler, Fahnenschwinger und die Edelleute in schönen, historischen Kostümen sowie die Wettkampfreiter zu Pferde mit seltsam unbewegter Mimik. Vor dem Reiterkampf liefern die Fahnenschwinger und Trommler jeweils vor den eigenen Tribünen einen Wettkampf ihres Könnens und werden dabei frenetisch angefeuert und schließlich durch ein Schiedsgericht prämiert.
Dann beginnt das eigentlich Spektakel mit den Reitern.
Die erfolgreichen Reiter werden von ihren Contraden bejubelt, während missglückte Durchgänge von den gegnerischen Contraden hämisch beklatscht werden. Nach fünf Durchgängen haben sich zwei Reiter mit jeweils 4 erfolgreichen Durchgängen durchgesetzt und müssen nun ein Stechen reiten – das ist spannender als jedes Elfmeterschießen. Schließlich kann sich der Reiter von San Lorenzo gegen den von San Andrea durchsetzen. Wieder frenetischer Jubel bei den Siegern und sogar Tränen bei den Teenies vom Stadtteil des unterlegenen Akteurs. Herrlich!
Wir schlendern anschließend durch die Gässchen, finden ein Plätzchen vor einer Bar und stellen fest, dass wir im Teil des Siegers gelandet sind. Vor der Bar ist schon ein Tisch, rot-weiß geschmückt, mit Sekt für die siegreiche Truppe aufgebaut. Mir fällt dabei auf, dass ich sehr gut hierher passe, da ich zufällig in den Siegerfarben gekleidet bin. Schon ziehen die siegreichen Trommler und Fahnenschwinger mit ihrem Helden heran und holen den verdienten Sekt ab und der tolle Reiter wird umarmt und geküsst und ausgelassen gefeiert.
Später ergibt sich ein Plausch in perfektem Deutsch mit der Bar-Wirtin, die sich zu uns setzt. Sie hat mit ihrer Familie 26 Jahre in Dortmund gelebt und erzählt uns nun lebhaft einiges Interessante über dieses Reiterfest. Langsam leeren sich die Straßen und wir kehren zurück auf den CP.
Allerdings leerten sich die Straßen nur vorübergehend. Zwischen 22 und 23 Uhr branden erneut Festgeräusche von der Stadt auf bis in die frühen Morgenstunden. Die Stadt hatte nur Atem geholt bzw.das abendliche Festmahl abgehalten.
Der Abend hat angenehm abgekühlt, ein leises Lüftchen weht und im Schein der Laternen sehen wir nicht ein Insekt. Wir trinken noch ein Gläschen Wein unter dem herrlichen Sternenhimmel, lauschen den Festgeräuschen und begeben uns dann ins Bett – bei angenehmen Schlaftemperaturen.
Aufbruch: | 07.08.2012 |
Dauer: | 15 Tage |
Heimkehr: | 21.08.2012 |