Abenteuer Indien 2015

Reisezeit: Oktober 2014 - April 2015  |  von Manfred L.

Bürokratische Polizei in Ahmedabad

Dort treffe ich dann auch kurz nach 8 Uhr ein, nach nur einer Stunde Verspätung und nachdem ich den Überfall der Tuk-Tuk-Fahrer auf dem Bahnsteig abwehren konnte. Die Polizisten wissen aber schon Bescheid, dass ich der aus dem Wagon 5 bin und bieten mir einen Sitzplatz und einen Tee an.

So richtig will sich aber keiner mit mir beschäftigen. Ich bekomme einen Doppelbogen Papier zugeschoben, zwischen dem Blaubogen liegt und soll was schreiben?! Ich, der ich kaum in der Lage wäre, den Sachverhalt in meiner Muttersprache zu schildern, versuche es schließlich.
Der Chef des Ganzen grüßt mich zwar, liest aber lieber mein Geschreibsel, statt mit mir zu reden – auf den haben also alle die zwei Stunden gewartet.

Jetzt geht die Arbeit aber so richtig los. Mehrere junge Beamte schreiben meine Story auf einen größeren Bogen ab und übersetzen wohl auch. Ich gehe von einem zum anderen und vermeide so, dass aus VISA-Card ein USA-Chart wird.

Ich werde auch zum Bahnhofsmanager gebracht, der mir diktiert bzw. vorschreibt „Dear respectable Sirs ...“ … ich schreibe einen Bettelbrief an die Regierung von Gujarat.

Zwischenzeitlich fällt es dem Chef ein, dass ich Hunger haben könnte und er bringt mich persönlich zur Bahnhofsgaststätte und weist dem Restaurantleiter an, mich zu verköstigen. Mehrere Augenpaare verfolgen meine Kaubewegungen und ich bekomme laufend Servietten, Wasser und frische Chapati gereicht. Inzwischen habe ich in etwa eine Ahnung, warum. Ich bin nicht der einzige Kunde der Polizeistation. Es werden buntbekleckste angetrunkene junge Männer hinein geschleift, die bei leisestem Widerwort eine kräftige Maulschelle erhalten und eine halbe bis zwei Stunden in unbequemer Hocke zu verharren haben, bevor sie wieder auf den Bahnsteig bzw. nach draußen dürfen. Die Arbeit der Polizei ist irgendwo zwischen autoritärer Erziehung und willkürlichem Terror einzuordnen. Die neuen Schlagstöcke aus durchsichtigem Plastikrohr mit den Gummigriffen an beiden Enden nicht Zierde sondern Handwerkszeug, mit dem auch gerne mal das Rücklicht eines Tuk-Tuk zerschlagen wird.

Schließlich bekomme ich eine Kopie meiner Aussage/Anzeige, alle anderen werden abgeheftet oder eingetütet und mir wird beschieden, dass ich gehen kann, was ich aber nicht mache. Ich bleibe sitzen. Die Befehlskette hoch, erkläre ich, dass ich keine Ahnung habe, wohin ich mich wenden soll, dass ich um Hilfe gebeten habe und nicht gekommen bin, den Amtsschimmel zu füttern.

Der örtliche Polizeichef raucht seine Bedees, ich rauche chinesische Zigaretten in der Amtsstube.
Er ist es, der mir erklären will, dass seine Aufgabe erledigt ist mit den „Ermittlungen“ und dem Papierkram und ich bin so mutig, ihm zu widersprechen und sage ihm, er soll Diebe jagen und den Leuten ihr Eigentum zurückbringen statt nur Papier bearbeiten zu lassen.

Mein Argument, dass ich ohne Pass und Geld weder reisen kann noch darf, zieht nicht so recht und ich frage ihn scheinheilig, wie hoch die Strafe für das Rauchen auf dem Bahnsteig ist. Es sind 200 Rupees, die – so behaupte ich, ich nicht mehr habe, er mich folglich arrestieren lassen müsste und ich so in Obhut kommen würde.

Auf diese Weise bekomme ich einen uniformierten Polizisten als Begleitung, der auch mehrere Umschläge mitnimmt, und wir beide werden zum Wagen erster Klasse gebracht und fahren nach Surat – ich soll den Minister für Auslandsangelegenheiten sprechen.

© Manfred L., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Vorwort: Goa, Carnataka, Kerala und Tamil Nadu, dann über Rajasthan nach Nepal und dort in einem Dorf 150 km außerhalb der Hauptstadt Katmandu die Einladung zu einem Homestay wahrnehmen. Das Ende der Reise war so wirklich nicht geplant. Der nachfolgende Text ist dem Tagebuch und teilweise auch gesendeten Mails entnommen und ist somit nicht ganz chronologisch und die Zeiten von Gegenwart und Vergangenheit geraten etwas durcheinander. Dafür bitte ich um Entschuldigung.
Details:
Aufbruch: 30.10.2014
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 16.04.2015
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Manfred L. berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
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