Abenteuer Indien 2015

Reisezeit: Oktober 2014 - April 2015  |  von Manfred L.

... und wieder in Surat

Die Zugfahrt wenig interessant. Ein verzogenes kleines Mädchen plagt mit Geschrei, ein Rad am Wagon hat eine „Flachstelle“ und läuft nicht rund, der Zug tutet unentwegt, da wir durch bewohntes Gebiet fahren und wenn ich doch mal einschlafe, stößt jemand gegen meine Füße. Als „Senior“ auf der unteren Liege zu schlafen hat auch Nachteile.

Ich mache mir Gedanken über die Finanzierung der nächsten drei Wochen. Von den 500 € benötige ich 330 € für das Hotelzimmer und von dem verbleibenden 170 € hätte ich bei den Preisen hier noch gut leben können. Ist ja aber nicht nur das Essen, sondern auch die Reinigung der Wäsche, Fahrkarten und Obst , vor allem viel Flüssigkeit bei den Außentemperaturen. Ich rauche nur noch Bedees.

Nachdem das Konsulat mir aber nun an die 100 € für Verwaltungsgebühren abgenötigt hat, wird das Geld wieder knapp. Ich habe zwar einen Ersatzpass aber ohne gültiges Visa bekomme ich immer noch keine preiswertere Unterkunft. Ich werde also versuchen, die Hotelrechnung teilweise entweder mit Direktüberweisung oder mit Paypal zu bezahlen.

Mit meiner Bank hatte ich vom Konsulat aus telefoniert. Die VISA- Nothilfe in Indien funktioniert nicht und denen fiel nur noch ein, eine neue Kreditkarte im „Nachbarland“ zu bestellen. Von Pakistan aus an eine Granate oder Rakete gebunden!??? Malaysia als Nachbarland!? Wo liegt noch mal Bhutan!? Sri Lanka ist auch nicht auf der Liste. Nein, Bangladesh geht nicht.

Ich schlafe tief und traumlos, auch wenn das Zimmer noch unangenehm riecht, nachdem die „Kammerjäger“ dort den Tag über die Bettwanzen bekämpft hatten, über die ich mich am Vortag beschwert hatte.

Am nächsten Vormittag berichte ich dem Hotelmanager von Erfolg und Misserfolgen. Das mit dem Geld sieht er nicht als Problem. Er wird nur betriebsam als ich ihm mitteile, dass für das „Exit Permit“ der Nachweis erforderlich ist, dass ich hier wohne und ich eine Quittung oder Rechnung des Hotels benötige. Ich checke heute neu ein und bekomme die Rechnung für den heutigen Tag ausgedruckt – keine Bankverbindung darauf …

Mit dem Motorroller sind der Hotelboy und ich unterwegs zum Passport-Amt Surat. Dort finden wir einen kompetenten Mitarbeiter, der alle meine Papiere prüft und uns dann wegschickt … wir sollen das C-Formular im Internet ausfüllen.

Zurück im Hotel kommen wir damit auch gut voran. Ich kenne den Vornamen meines Vaters, kann bestätigen dass keiner meiner Vorfahren je Pakistani war usw. usf.
Weiter kommen wir nicht, als die Nummer vom Visa verlangt wird. Hätte ich ein Visa, bräuchte ich das „Exit Permit“ nicht aber Internet-Formulare sind unerbittlich – keine Nummer im Feld, dann kein Weiterkommen.

Dann sitzt der Mann an der Rezeption wieder da und versucht von einem der Hotels, in denen ich vorher gewohnt hatte, die Kopien meines Visa zu erhalten. Ich versuche mich an die Namen von Hotels zu erinnern und den Zeitraum natürlich und ich habe Faizal angeschrieben, ob er vielleicht eine Kopie in Cochin ausfindig machen kann für mich.
Wir arbeiten also an der Lösung des Problems.

Ich werde versuchen, auch die finanzielle Seite der Geschichte in den Griff zu bekommen. Dazu habe ich ja noch an die zwei Wochen Zeit und scheinbar ist es mir nun auch gelungen, eine Überweisung von meiner Bank in Hamburg an mich hier in Surat per Western Union zu tätigen. Muss nur noch die Wertstellung abwarten in 1 bis 2 Werktagen.

Sobald dann alles für die Ausreise geregelt ist – und das macht ja im Wesentlichen der „sekretärs-service“ dieses Hotels für mich – und ich finanziell gestärkt bin, schalte ich wieder in den Urlaubsmodus und fahre an den Strand. Der ist ca. 20 – 30 km von hier entfernt und gut innerhalb einer Stunde mit dem öffentlichen Bus zu erreichen. Es gibt auch einen Wildpark in Besichtigungsentfernung aber das interessiert mich weniger.

Ich habe in Surat nicht eine Kuh gesehen, sonst Markenzeichen von Indiens
Straßen … und in Indien gibt es keine Kinderwagen, die schleppen die Kleinkinder auf der Hüfte.

Es ist mir doch tatsächlich gelungen, auch ohne Plastik etwas Geld von meinem Konto zu erhalten. Einfach war das wirklich nicht.
Mit meinem Laptop und den TAN- Listen vom Konto habe ich an Western Union überwiesen und das Geld war auch sofort abgebucht. Ein bis zwei Tage soll die Überweisung dauern bis ich einen 10-stelligen Code per E-mail erhalte, mit dem ich das Geld gegen Vorlage meines Reisepasses hier abholen kann. Inzwischen habe ich ja einen gültigen vorläufigen Reisepass und das sollte also kein Problem mehr sein.

Bereits am nächsten Tag hatte ich von Western Union eine Mail … darin stand, dass mein Auftrag gestoppt wurde und ich eine Nummer anrufen soll (This money transfer is on hold. Please call 1-877-989-3268 to complete the transfer. You'll need the tracking number (MTCN).
Weder eine Nummer in Indien noch in Deutschland. Habe die Nummer in Google eingegeben und mehrere Warnungen über „Scam“ und Diebstahl da gefunden. Allerdings auch Western Union und das die Nummer wohl in den USA ist. Was nun? … Bin hier nebenan zur Filiale der Indischen Staatsbank gegangen und habe dort den Filialleiter zu sprechen verlangt. Erstens kann der mich vermutlich verstehen und sollte auch in der Lage sein, das Problem zu begreifen. Meinen Laptop hatte ich dabei, um ihm zeigen zu können, worum es geht.

Nach zwei Stunden hatte der Mann dann auch Zeit für mich und als ich ihm die E-Mail zeigen wollte, hatte ich bereits eine neue „Vielen Dank, dass Sie sich für Western Union® entschieden haben! Ihr Empfänger kann das Geld jetzt abholen.
Hier ist eine Zusammenfassung Ihrer Transaktion. ...„

Dann zu einem Agenten, der u.a. auch die Auszahlungen für Western Union hier macht. Nach geschlagenen 2 Stunden Formulare ausfüllen und 5 Unterschriften kam dort eine Angestellte mit ein paar Bündeln Banknoten auf einem Tablet! Alles kleine Scheine, gebündelt und gesiegelt.
Das nächste Problem war dann das Online- Formular zur Beantragung des „Exit Permit“. Der Hotelangestellte hatte es nach Stunden vergeblicher Mühe aufgegeben und der Hotelmanager fragte mich scheinheilig, ob ICH schon damit fertig wäre.

Bei der Visa-Nummer habe ich mir dann eine Kombination ausgedacht, die der im alten, abgelaufenen Visum ähnelt, als Foto von mir habe ich aus Facebook eines wieder runter geladen und auf die zulässige Größe verkleinert und als „residence proof“ habe ich eine Seite meines Steuerbescheides von 2007 als Anhang eines Mails gefunden und an entsprechender Stelle angehängt. Ohne Bild und Datei im PDF-Format war das Online- Formular nicht fertig zu stellen und nicht zu senden oder zu drucken. Also unmöglich, dass der Angestellte des Hotels das bewältigen konnte.

Der Hotelmanager, den ich um einen Ausdruck bat, schaut mich entgeistert an und fragt mich, woher ich denn nun mit einem Mal die Visa-Nummer hätte. Meine Antwort „came just out of my brain“ wird ja wohl bedeuten, dass ich die mir ausgedacht habe – oder?

Heute Vormittag nun war ich bei dem netten Beamten, der gar nicht mehr nett war, nachdem er sich meine Unterlagen mehrfach angesehen hatte und immer wieder durchsuchte (sein Büro sah übrigens so ähnlich aus wie eine Abgabestelle für Altpapier zu DDR- Zeiten):
- C-Form vom Hotel (Vordruck zur Beherbergung von Ausländern) war dabei
- Hotelrechnung hatte ich dabei – wenn auch nur für einen Tag
- Diebstahlsanzeige mit Polizeistempel im Original – hatte ich
- vorläufigen Reisepass – war da
- Schreiben des Konsulates, dass die den für mich ausgestellt haben – lag daneben
- Bescheinigung der Polizei zum Inhalt meines Rucksackes – vorhanden
- Flugticket für den Abflug nach Deutschland im Original – gibt es ja bei Online-Buchung nicht und hatte einen Ausdruck der Buchungsbestätigung und des Flugplanes dabei („cyberticket“, „onlinebooking“ und mein Veitstanz um seinen PC als wenn ich da was raus holen will, waren meine Verständigungsmittel)
- 2 Passbilder – waren dabei, denn für den vl. Reisepass hatte ich 6 in Mumbai machen lassen

Dann wollte er mich wegschicken und ich solle morgen doch auch die Kopie vom vl. Reisepass und eine Bahn-Fahrkarte von Surat nach Mumbai am 14. April vorlegen?!

Zwischendurch hat er noch drei Staatsbürger der USA abgefertigt, die aber aussahen wie Inder, Hindi sprachen – ich vermute mal – als Taxifahrer in New York ihr Geld verdienen und hat auch mehrere Male mit meinem Hotel telefoniert.

Dann fing er an, meine Papiere zu kopieren und wir sind fast in Streit geraten. Ich will ja nur den vorläufigen Reisepass und die polizeiliche Bestätigung des Diebstahls zurück haben, alles andere an Papieren könne er im Original behalten. Was ich nur noch brauche, ist die Ausreiseerlaubnis.

Nach einer Schweigepause hat er mir dann gesagt, ich soll mir das in einer Woche, also am Montag, den 6. April abholen.

Ich habe noch gefragt, was mich das kosten wird und er meinte, das wäre „no pay, no pay“.
Zurück im Hotel fragte mich der Hotelmanager dann, was ich für Probleme gehabt hätte.
Bevor ich los bin, hatte ich ihn gefragt, was mich das Taxi zum Passamt kosten würde – 80 Rupees – hätte er mir nicht sagen können, dass ich den Beamten dort bestechen muss und wie viel angemessen ist!?

Der Beamte hatte im Hotel angerufen und gefragt, warum ich alleine gekommen wäre und nicht mit einem Hotelangestellten … ja und dann fragte mich der Manager, ob ich denn keinen Umschlag mit Geld zu den Unterlagen gelegt hätte!?

Ja, so klein die Unterschiede sind, machen die sich doch bemerkbar. In Deutschland eine strafbare Handlung, Beamte zu schmieren und hier Teil des Einkommens der Beamten. Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Beamte für sein Tun von mir bezahlt wird … nur verlangen darf er es nicht, das wäre auch hier strafbar.

Ich muss also hier morgen früh dem Hotelboy Geld geben und er bringt es zum Passamt.

Ich hatte mich inzwischen eingelebt in Surat, die Leute auf der Straße fingen an, mich zu grüßen und in meinem Lieblingsrestaurant rissen sich die Kellner um mich, um mich an einen Tisch in ihrem Bereich zu bekommen. Der Banana-Wallah gab mir schon 7 Bananen für meine 20 Rupees statt der üblichen 6 Gab wirklich Schlimmeres, als die paar Tage abzuwarten, bis ich zurück nach Hamburg muss.

Good Friday war auch hier ein Feiertag und der nächste Feiertag war Dienstag. Von Feiertagen merkt man ohnehin wenig - es sei denn, man hat mit Banken oder Behörden zu tun. Mein "Exit Permit" sollte ich am Montag abholen, dazu musste ich wieder in ein Tuk-Tuk und ein paar Kilometer durch die Stadt. Vor der Auseinandersetzung mit dem Bürokraten dort graute mir. Ich hatte zwar ausreichend Geld mitgenommen, war aber nicht bereit, dem Schmiergeld zu bezahlen.

Ansonsten vertrieb ich mir die Langeweile mit meinem Laptop, las viel und hatte meinen Schwatz mit dem Hotelmanager. Immer wieder erstaunlich, welche Vorstellungen die Leute von einem Leben in Deutschland haben. Klar für die, dass ich mein Geld von der deutschen Regierung bekomme - ich versuche dann zu erklären, wie das Sozial- und Versicherungssystem so läuft. Wenn ich denen dann erzähle, dass es in Hamburg durchaus auch Bettler gibt, schauen die mich an, als wenn ich Baron Münchhausen wäre.

Ich habe mich auch mit den gesetzlichen Grundlagen meiner aktuellen Probleme beschäftigt ... ein Gesetz zum Umgang mit Ausländern von 1946 ist immer noch die Grundlage dafür: http://www.helplinelaw.com/docs/THE%20FOREIGNERS%20ACT,%201946

Meine Sprachkenntnisse reichen zwar nicht aus, alles das zu verstehen aber alleine Umfang und Aufbau sind doch erschreckend?
Die Angst vor Bestrafung mit 5 Jahren Haft ist es eben auch, warum mir in Gasthäusern und Hotels das Zimmer verweigert wurde und warum ich hier im R.B. Residency nun festgesetzt wurde. Immer noch besser als es dem erging, der in Goa wegen Überziehung der Visa-Dauer in Haft genommen wurde. Mit weiteren 9 Gefangenen in einer Zelle von 10 m² gesperrt wartet der da auf die "Klärung des Sachverhaltes" ... und das Generalkonsulat kann da auch nichts machen.

Das Abholen meines "Exit Permit" war wider Erwartens einfach. Fest vorgenommen hatte ich mir, kein Schmiergeld zu zahlen, sondern wenn, dann nur gegen Quittung. Ich bin gestern auch alleine hin, ohne den Hotelboy zu fragen, ob er mich begleitet.

Der Beamte hatte aber entweder einen guten Tag oder sich damit abgefunden, von mir "komischem" Ausländer kein Geld zu bekomme. Nur ein paar Unterschriften und ich hatte den Wisch und der Typ hat mir sogar noch die Hand zum Abschied gereicht. Die Bürokratie hier erfüllt also keinen Zweck, beschäftigt nur Unmengen von Leute.

In Hamburg bin ich dann der gierigen deutschen Bürokratie ausgeliefert, brauche neuen Reisepass - 6 Wochen und 60 €, Personalausweis 30 € und auch wochenlang Wartezeit, Führerschein, Rentenausweis, Behindertenausweis, Karte der Krankenversicherung, Geld- und Kreditkarten von den Banken, Schlüssel nachmachen lassen usw. usf.
Ich hoffe nur, es ist nicht mehr so kalt und klamm in Hamburg.

Bin eigentlich auch zuversichtlich, dass der Flieger mich gut nach Europa bringen wird und dass meine Ersatzdokumente auch anerkannt werden.

Die nähere und weitere Umgebung von Surat bietet nichts, was zu berichten wert wäre ... viel Elend, Schmutz und Lärm, brutale Polizei, die mit Vorliebe die Rücklichter der Tuk-Tuk mit ihren Schlagstöcken zerdeppern und vom "Kastenwesen" der Inder spüre ich nichts. Da sind die Armen, die behandelt werden wie der letzte Dreck und da sind weniger Arme und paar Reiche, die mit Besitz protzen und deren Arroganz nicht überboten werden kann.

Ich habe Gewohnheiten der Inder übernommen, schütte meinen Milchtee vom Glas auf die Untertasse und schlürfe den, tunke die Stückchen Fladenbrot oder Reisküchlein (Parotha, Chapati, Naan, Idli) in das Gravy oder Masala und wasche mir alle paar Minuten die Hände.

Da saß am Nebentisch eine Inderin (am selben Tisch mit einem fremden Mann zu sitzen geht schon gar nicht), die versucht hat, ihr Butterbrötchen mit Messer und Gabel zu essen - ob die mir zeigen wollte, dass sie "europäisch" kann!?

© Manfred L., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Vorwort: Goa, Carnataka, Kerala und Tamil Nadu, dann über Rajasthan nach Nepal und dort in einem Dorf 150 km außerhalb der Hauptstadt Katmandu die Einladung zu einem Homestay wahrnehmen. Das Ende der Reise war so wirklich nicht geplant. Der nachfolgende Text ist dem Tagebuch und teilweise auch gesendeten Mails entnommen und ist somit nicht ganz chronologisch und die Zeiten von Gegenwart und Vergangenheit geraten etwas durcheinander. Dafür bitte ich um Entschuldigung.
Details:
Aufbruch: 30.10.2014
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 16.04.2015
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Manfred L. berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
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