Abenteuer Indien 2015
... und auch in Surat - Hilfe durch die Regierung
Als wir in Surat ankommen, ist es fast dunkel. Mein Begleiter plaudert mit dortigen Kollegen und wir fahren nicht in das Ministerium. Stattdessen geht die ganze Geschichte von vorne los. Das Stationstagebuch wird mit der Angelegenheit gefüttert, es werden handschriftliche und digitale Kopien gefertigt aber auf Nachfrage darf ich das Internet mit meinem Laptop benutzen, um endlich meine Kreditkarten sperren zu lassen. Hier weiß man sogar, dass sich die Deutsche Botschaft in Neudelhi und ein Generalkonsulat in Mumbai befindet. Dort anzurufen und mitzuteilen, dass es Probleme mit einem gestrandeten Teutonengreis vor Ort gibt, hält man aber auch hier – selbst nach Nachfrage - für nicht notwendig.
Ich versuche auch nicht, zu behaupten, dass ich nicht über ein Handy verfüge - das wäre zu unglaubwürdig - sondern teile mit, dass das auch im gestohlenen Rucksack sei. Ist auch nicht gelogen. Das billige Ding da drinne war als Mobiltelefon produziert, allerdings von mir nur als Uhr und Wecker genutzt worden. Daher ist ein schneller Fahndungserfolg wegen nicht vorhandener SIM- Karte ausgeschlossen.
Nach nunmehr 10 Stunden Papierkram in den Büros und 40 Stunden anstrengender Bahnfahrt, bin ich auch fertig, so erschöpft, dass mir eigentlich schon alles egal ist. Ich habe keine Ahnung, was ich die nächsten Tage essen soll, wo ich schlafen kann und was ich generell machen soll …
ich brauche Hilfe und keine Fragen nach Kontaktnummern in Indien!
Endlich kurz vor Tagesende machen sich zwei Polizisten mit mir auf, mir ein Bett für die Nacht zu suchen. So mächtig der Respekt vor den Uniformierten auch sein mag, wir werden mehrmals abgewiesen und ich verstehe nicht warum.
Im vierten oder fünften heruntergekommenen Hotel der Bahnhofsgegend erhalte ich dann ein Zimmer für mich alleine. Die zwei Beamten in meiner Begleitung waren sichtlich erbost, dass ich auf diesen Luxus bestanden hatte und nicht in ein „Dormatory“ wollte.
Ich hinterlege meinen alten, ungültigen Pass, den ich als Souvenir im Koffer
hatte an der Rezeption und warte noch an die zehn Minuten vor der Tür des Zimmers, das schnell noch gereinigt wird.
Auch nach der Reinigung ist es noch dreckig aber ich habe ja meinen Bettbezug, um nicht mit „fremdem“ Dreck in Hautkontakt zu kommen. Auch am nächsten Morgen ist mein Wohlbefinden noch immer auf niedrigem Niveau. Ich bezahle die 400 Rupees für das Zimmer und bekomme den abgelaufenen Reisepass zurück. Es ist ja das einzige Dokument, über das ich noch verfüge und das Auskunft über mich erteilt.
Mit meinem großen Koffer mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof in die Richtung, in der ich den vermute und merke erst, dass der zwar an den Schienen liegt, allerdings in der anderen Richtung. Eine Stunde Fußmarsch für solch einen kurzen Weg. Unterwegs die Gestalten ... einer von denen könnte der Dieb sein. Am Bahnhof habe ich Chancen, jemanden zu finden, der mich versteht und mir den Weg zur Bahnpolizei zeigen kann. Die soll im Obergeschoss untergebracht sein. Ich bin mir aber sicher, dass wir – der Bahnpolizist aus Ahmedabad und ich – gestern nicht im Obergeschoss waren und versuche den Weg vom Bahnsteig zu der Amtsstube zu rekonstruieren, was mir dann auch gelingt.
Die ist nebenan, da wo die Stadtbusse abfahren und hinter einem kleinem Tempel, an dessen Gebimmel ich mich erinnere.
Hier sollte ich eine Stunde zuvor sein, bekomme Tee angeboten und auch etwas zu Essen. Wahrscheinlich auch eine indische Spezialität, etwas das wir als „arme Ritter“ kennen, Brot in Fett und Ei gebacken.
Ich warte bis gegen Mittag, sitze auf der Verhörbank oder auf dem Platz des einzigen weiblichen Polizisten, rauche im Hinterhof, auf dem Berge von beschriebenem oder kopiertem Papier liegen und wo auch etliche Mopeds und Motorräder vor sich hin rosten oder stehe einfach nur im Wege.
Einen Herren in Zivil hatte ich schon vom Amtsraum aus kommen gesehen. Vor dem waren alle aufgesprungen und auch ich bin aufgestanden, wurde aber sofort wieder auf meinen Platz verwiesen. Das musste wohl der oberste Polizeichef sein oder ist es ein hoher Angestellter des auswärtigen Amtes von Gujarat? In dessen Zimmer lande ich auch endlich. Er ist es es auch, der mir zweitausend Rupees in die Hand gibt. Völlige Unverständnis meinerseits, dass er bei soviel anderem Papierkram dafür keine Quittung haben will!
Seine Frage, was ich nun zu unternehmen gedenke, kann ich nicht beantworten, sondern bitte ihn um Hinweise.
Er meint, ich solle nach Mumbai fahren zum Deutschen Generalkonsulat und weil Wochenende ist und zudem „holy festival“ wäre es besser, damit bis Montag zu warten. Schließlich werde ich in ein gutes Hotel gefahren, der Hoteleigner bekommt Anweisung, mich mit drei Mahlzeiten täglich zu versorgen und somit bin ich jetzt wohl Gast der Regierung von Gujarat.
Das „Yangar-Hotel“ ist ein Luxus, dem ich mir selbst nie leisten würde und ich verlasse das Zimmer nur, während es täglich gereinigt wird für einen Spaziergang um den Block. Ich habe zwar jetzt wieder Geld, bin aber absolut nicht an irgendwelchen Unternehmungen interessiert.
Ich habe keine Ahnung, wie die Geschichte ausgehen wird und wie das Generalkonsulat die Sache handhaben wird – viel Gutes habe ich da noch nicht im Internet gelesen.
Auf dem Weg über Rajastan nach Nepal bin ich nun im Gujarat gelandet.
Nepal wäre wohl auch nicht das Richtige gewesen. Ich hatte in Fort Cochin mal das Internet bemüht und gesehen, das die Temperaturen sich da zu der Zeit zwischen 8 Grad nachts und maximal 24 Grad mittags bewegen und definitiv zu kalt für mich sind vom Erdbeben habe auch ich nichts geahnt, wäre aber schon vorher wieder weg gewesen. Hätte aber wohl noch Tempel sehen können, die es jetzt nach der Katastrophe nicht mehr gibt.
Montag morgen bin ich früh in der Polizeistation, bekomme wieder Tee angeboten und warte ...
Ich frage einen Offizier danach und er schnauzt mich an „Can't speak english“, ich schnauze zurück „Same problem here“. Nach drei Stunden kommt ein Bahnangestellter und bringt mir einen Fahrschein und ein Polizist begleitet mich und meinen Rollenkoffer zum Zug.
Den Fahrschein hätte ich nicht gebraucht, den will der Schaffner gar nicht sehen. Statt dessen möchte er von mir die Geschichte des Diebstahls hören, die ich ihm auch erzähle. Auch die Mitreisenden um uns herum lauschen gespannt. Als der Mann wieder geht, um seine Arbeit zu machen, kommt ein Familienvater zu mir und drängt mir förmlich 500 Rupees auf, ein anderer junger Mann gibt mir 200 Rupees.
Aufbruch: | 30.10.2014 |
Dauer: | 6 Monate |
Heimkehr: | 16.04.2015 |