Unsere Indienreise 2015
Agra - Varanasi - Bodhgaya - Varanasi
Sitting, Waiting, Wishing
Entschuldige Jack, sorry, entschuldige vielmals fuer mein schnelles Urteil, meine herablassende Selbstgefaelligkeit, meinen Spott.
Ich habe dich fuer einen oberflaechlichen Surferboy gehalten, fuer einen sedierten Schmusesaenger, fuer jemanden, der Wellen braucht, um vorwaerts zu kommen. Ich gebe zu: Vielleicht war ich auch etwas neidisch auf deinen Sixpack...
Doch jetzt, auf meiner Indienreise 2015, sitzend, wartend, wuenschend,
verstehe ich endlich die versteckte Botschaft deines Songs, die zweite Ebene, die tiefere Bedeutung, die ich deiner Musik so vorschnell aberkannte.
Sorry Jack, sorry und auch danke. Dein Lied weckt tatsaechlich Hoffnung in dieser schweren Stunde.
Wobei so ein stiller Ort, nach nun fast schon vier Wochen des pausenlosen Voranhechelns durch dieses chaotische Land, per se kein schlechter Ort ist.
Neben seiner notwendigen, notduerftigen Funktion, die zu nutzen den Betroffenen zwingt, sich mit beschaemtem Fluestern und zusammengekniffenen Beinen vom Tischgespraech zu entschuldigen, dient er auch vortrefflich als Ort des Rueckzugs und der Ausrede. Aehnlich wie bei der Klausurvorbereitung im Sommer oder den Knieschmerzen damals beim Sportunterricht, empfiehlt sich hierzu der laute Ausruf, Glaeserwackeln Stuehleknirschen Deklamation: "Ich muss mal. Wartet nicht. Es kann dauern!"
Ich gebe zu: Ich bin reisemuede. Ich freue mich ueber den Monsoonregen, der mich im Hotelzimmer haelt. Ich ertrage tapfer und sogar heimlich laechelnd den schleimigen Katarrh, den zu kurieren es strenger Bettruhe bedarf. Wenn ich dann doch mal das Guesthouse verlasse, kommt es oft vor, dass ich mich ausgesprochen seltsam verhalte.
Zaehlt man mich sonst oft zu den hypotonen Schlurfern, tendiere ich hier eher zu einem ehrfuerchtigen Schreiten unter Zeitlupe, als waere ich irgendwie an einem aeusserst spirituellen Ort gelandet. Waehrend ich mich so an den unzaehligen kleinen Laeden vorbeidraenge, mein inzwischen tief aus der Seele stroemendes Mantra intoniere, Nothanksnothanksnoothaanks, ertappe ich mich dabei, wie ich meine rechte Hand erhebe um ins Leere zu gruessen oder beide Haende ploetzlich auf der Brust falte, ganz so als wuerde ich beten. Wie in Trance weiche ich heiligen Kuehen und ihren heiligen, heiss dampfenden Gaben, Motorraedern und Handkarren aus und stosse dabei fast mit einer orangenen, kahlgeschorenen Menschengruppe zusammen, die ihr eigenes Mantra brummt: Ommshivaommshivaooomshiiva.
Laengst suche ich auf meinen Streifzuegen nicht mehr nach versteckten Imbissbuden oder Geheimtipps der Locals, sondern bewahre mich vor jeglicher Entscheidung, indem ich den grossen Pfeilen folge, die mich zuverlaessig zu den Institutionen des einsamen Planeten fuehren.
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In Varanasi geschieht es dann doch mal, dass man sich in den vielen schmalen Gassen verirrt. Allerdings nicht sehr lange, denn frueher oder spaeter fuehrt hier jeder Weg zu der maechtigen, heiligen Ganga, die zur Zeit vom Monsoon gespeist, saemtliche der beruehmten Ghats mit ihrer braunen Suppe aus Leichen Abfall Kot ueberspuelt, in der die Brahmanen baden und aus der die Dalits trinken. Definitly not recommended by..
Mother Ganga bringt mich in diesem verkrampften Bericht auch an meinen Ausgangspunkt zurueck. Waere ich vor vier Wochen noch enthusiastisch in die Fluten gesprungen, bevorzuge ich inzwischen eher stillere Orte.
In der Regel zumindestens. Denn nach vier Tagen und nur Luft um Nichts, bin ich auch diesen Ort satt! Und dann... ja, gerade jetzt!... ich glaaube...
Sitzend, wartend, wuenschend, laengst ein vertrauter Leser der Times of India, wenn auch nur ein Dilettant auf dem Gebiet der korrupten, indischen Politik, endlich, endlich, setzt, danke Jack , vielen, vielen Dank, Entspannung ein! Draussen bricht die Sonne durch die dicken Wolken des Monsoons und mein glueckliches Laecheln erhellt den Raum.
Aufbruch: | 01.08.2015 |
Dauer: | 9 Wochen |
Heimkehr: | 04.10.2015 |