Unsere Indienreise 2015
Puskhar - Bundi - Agra
Es ist sehr schön in Bundi, dieser bisher grünsten Stadt im ansonsten so
sandigen Rajasthan, idyllisch gelegen im Schatten mehrerer Hügel, zwischen
Reisplantagen und Seen.
Wenn man ganz ehrlich ist, dann war es uns aber auch ein bissl fad die letzten Tage, um nicht zu sagen doch recht langweilig bzw furchtbar öd: was macht man auch als Tourist den lieben langen Tag, besichtigen besichtigen, hier noch ein Tempel (gähn), da noch ein Fort (schnarch), und immer
wieder diese wunderbaren Aussichten (rachüüü...)!
Zum Glück haben wir in unserem alterwürdigen Haveli Guest House gestern durch Zufall etwas entdeckt, was uns für die kommenden Stunden prächtig unterhielt!
Auf der Suche nach einer zweiten funktionierenden Steckdose, gerade am
diskutieren, ob das WLAN hier wohl gut genug sei um die neue True Detective zu streamen, hielt Gerrit plötzlich ein Büchlein in der Hand: "Tagebuch eines Indien(?)reisenden" stand darauf, das Fragezeichen war offensichtlich nachträglich hinzugefügt worden. Die Berichte, die wir darin fanden, waren derart unglaublich, dass alle unsere Gedanken an die (ohnehin recht schwache) neue True Detective Staffel
sofort verschwanden und wir sie auch unseren geschätzten Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten wollen!
Tagebuch eines Indien(?)reisenden
1. August 2015
Juhu, endlich geht sie los meine Reise in den IS, den Indischen Staat! Auf dem Weg in den Flieger war ich derart überwältigt von freudiger Erregung und Flugangst, dass ich mein Ticket nur mit zitternden Händen vorzeigen konnte. Ich musste auch an die vielen besorgten Warnungen und irritierten Blicke der Damen und Herren im Reisebüro denken - ist es wirklich derart ungewöhnlich, seinen wohlverdienten Urlaub etwas individueller gestalten zu wollen, abseits von den Touristenhochburgen an den Stränden der Türkei oder der seit Jahrzehnten überfüllten Adria?
Ich habe mich ja gefreut über die Anteilnahme, die mir von allen Seiten entgegenströmte, aber einige Warnungen erschienen mir dann doch
reichlich übertrieben. Im Indischen Staat mögen nicht die gleichen hygienischen Standarts gelten wie in Deutschland, aber meine Reise deshalb gleich als Selbstmordmission zu verunglimpfen? Ich habe mich schließlich in einigen Internetforen informiert und mit ein paar einfachen Grundregeln scheint man gut zurechtzukommen im IS - wie hieß es in den Alltagstips, angepasst an unseremodernen Zeiten?
"Cook it, peel it, boil it, then post a video of the Infedile on Youtube!"
Mmh, Infedile, welch exotische Frucht sich hinter diesem Namen wohl
verbirgt? Ich jedenfalls lasse mich nicht entmutigen von all den Schwarzsehern und Hasspredigern. Mit Lopedium und einem Cefalosporin in der Tasche fühle ich mich bestens gerüstet für die "Gefahren", die im IS, dem Indischen Staat, auf mich warten!
2. August 2015
Der Flug war ganz gut eigentlich. Meine Frage nach einem GinTonic quittierte die bärtige Stewardess mit einem höhnischen Lachen. Verunsichert stimmte ich mit ein, mich den lokalen Gepflogenheiten anpassend, war das etwa ein guter Witz? Den GinTonic vergaß sie dann trotzdem. Naja, ich wollte keinen Aufstand machen und ließ die Sache stillschweigend unter den Klapptisch fallen.
Auf dem Weg zur Toilette meinte ich zu meiner Überraschung unter einer Burka die Tochter meiner Nachbarn zu erkennen.
"Jennifer, was machst du denn hier?", fragte ich erstaunt.
"Kein Bock mehr auf Schule man", sagte sie Kaugummi schmatzend. "Ich will jetzt nur noch dem IS dienen!"
"Mensch, toll Jennifer!", rief ich aus, "ein FSJ?!"
"Hm, sozusagen...", antwortete sie schulterzuckend.
Man kann sagen was man will über die heutige Jugend, dachte ich auf dem Flugzeugklo sitzend. Sie mögen nicht besonders gesprächig sein, aber um
Gutes zu tun reisen sie um die ganze Welt.
Ihre Eltern müssen so stolz auf sie sein!
Einige Stunden spaeter: Die Einreisebestimmungen gestalten sich im IS als besonders touristenfreundlich.
Nachdem ich dem Passkontrolleur, der mich irgendwie an einen deutschen Rapper erinnert, mehrfach versichere, dass mich der IS schon seit Jahren fasziniert, stempelt er mir einen unleserlichen Schriftzug in mein Passbuch und lässt mich mit anerkennender Miene passieren. Aus dem umfangreichen Duty-Free Angebot suche ich mir dann noch einige nützliche Ergänzungen zu meiner Reisegarderobe heraus.
Gerade bestaune ich einige Exemplare der ungewöhnlich mächtigen Taschenmesser, da tritt ein turbantragender Mann, wohl so eine Art Animateur, an mich heran.
"Are you married?", fragt er mich interessiert.
Ich verneine, wohlwissend, dass es sich hierbei um eine für Inder typische Frage handelt, woraufhin er mir einen Katalog mit potentiellen Ehepartnerinnen präsentiert: "Just choose a few."
Auf Seite 7 meine ich Jennifer zu erkennen - das geht mir jetzt aber doch zu weit!
Nachdem ich den Gaukler abgewimmelt habe, nehme ich ein Taxi zum Hotel. Das habe ich bereits online gebucht. Ein großes, helles Zimmer in einem ehemaligen Museum. Als wir durch die Straßen kurven, fällt mir zu meiner Überraschung auf, dass die Trendfarbe im Sommer 2015 im Indischen Staat keineswegs Rot, Gold oder Violett, sondern Schwarz ist.
Welch weitere Überraschungen mag dieses stets vibrierende Land in den kommenden Wochen wohl für mich bereithalten?
Fortsetzung folgt!
Aufbruch: | 01.08.2015 |
Dauer: | 9 Wochen |
Heimkehr: | 04.10.2015 |