MAROKKO

Reisezeit: September 2012  |  von Thomas K.

OURZAZATE: MARRAKECH

Ich habe Zeit auszuschlafen, der Bus nach Marrakech fährt erst um halb elf und das Ticketbüro der Gesellschaft ist nicht weit vom Hotel. Auch zwei englische Rucksacktouristen möchten gerne mit nach Marrakech fahren.
"Nous sont complet - Wir sind voll!" bedauert das Fräulein hinter dem Schalter, ihr Kopftuch gibt ihr das Aussehen einer Graugans. Nur gut, dass ich vorgebaut habe und bereits vorgestern einen Platz reservieren ließ.
Heute fahren wir pünktlich. Wir verlassen Ouarzazate, vorbei an dem Filmstudio und der Abzweigung nach Ait Ben Haddou, weiter Richtung Atlas. Nur hin und wieder, wo es etwas Wasser gibt, gedeihen Pflanzen und liegen wie grüne Tupfer in den kahlen Berghängen. Der Atlas ist ein rauhes aber schönes Gebirge, kleine Dörfer liegen in den Tälern. Kurve um Kurve klettert der Bus den Tizi n' Tichka Pass hinauf, der mit 2260 Metern den höchsten Punkt der Fahrt bestimmt. Weite Täler machen sich auf und rechter Hand geht es mehrere Hundert Fuß hinunter. Zweihundert Kilometer sind keine besondere Entfernung, wegen der kurvigen und bergigen Strecke jedoch kommen wir nur langsam voran und die Fahrt dauert gute vier bis fünf Stunden.

Marrakech ist eine pulsierende Großstadt mit etwas über eine Million Einwohner. Das Kenzi Menara Palace Hotel liegt etwas außerhalb in einem besseren Viertel im Süden der Stadt. In Fünf-Sterne-Hotels herrscht immer ein vornehmes Flair, zum Ibis trennen einen Welten, zum Kasbah Erg Chebbi in Merzouga sogar Lichtjahre. Die Zimmer sind groß, interessant konzipiert. Der Kleiderschrank fungiert als eine Art Raumteiler, sodass zwischen dessen Vorderseite und Bad ein breiter Gang entsteht, der zugleich als Umkleide dient. In die Rückseite des Schrankes sind die Betten und Nachkästchen eingebaut. Natürlich fehlen auch eine Sitzgruppe und Teppiche nicht. Große Bilder zieren die Wände und auch an einen Balkon wurde gedacht.

Im Garten befindet sich ein langgezogener Swimmingpool, gesäumt von bequemen Liegen und großen Sonnenschirmen. Gut, dass ich eine ganze Woche Zeit habe, mich hier entspannen und Marrakech unsicher machen zu können. Drei Mal täglich fährt ein kostenloser Shuttlebus vom Hotel in die Stadt und wieder zurück.

Jemaa el Fna
„Jemaa el fna“ heißt der berühmte Platz im Herzen von Marrakech, der seit je her für seine Gaukler, Schlangenbeschwörer und Geschichtenerzähler bekannt ist. „Platz der Gehenkten“, oder „Versammlung der Toten“ lautet die Übersetzung aus dem Arabischen. Das kommt daher, dass der Kalif, der sehr schnell mit Todesurteilen war, die Toten hier als Abschreckung zur Schau stellen ließ. Damit ist es aber schon lange vorbei.
Am schönsten ist es am späten Nachmittag, wenn sich der Platz langsam mit Leben füllt. Die Taxen und Shuttlebusse halten neben der Kotubiah-Moschee, unweit des großen Platzes. Es gibt nur eine Richtung: immer der Menge und der Geräuschkulisse nach. Schon von weitem kann man das Gedudel der Flötenspieler hören. Hier fühlt man sich wie in einer fremden Welt aus einer anderen Zeit. Nicht einmal, wenn man sich als Einheimischer tarnen kann, ist man hier gefeit. Spätestens, wenn man seinen Fotoapparat blicken lässt, steht sofort ein lustig verkleideter Marokkaner mit einem Affen auf dem Arm da und posiert als Fotomotiv. Zwei Wasserverkäufer in roten Kleidern schlendern langsam über den Platz, riesige Hüte mit bunten Bommeln geschmückt, zieren ihre Köpfe. Da versucht gerade eine Schlange Stiften zu gehen, doch schon hat ihr Herr das bemerkt und holt sie mit einem langen Stock zurück. Zwei Affen spielen miteinander, der eine trägt sogar eine Windel. Immer wieder unterbricht das Spiel einer Flöte, um dann wieder zu beginnen, Trommeln schlagen im Takt. Ein alter Bettler hinkt über den Platz und hält seinen Hut auf. Ich setze mich in ein Café, trinke einen Tee und sehe dem bunten Treiben zu.

Rund um den Jemaa el fna ziehen sich die endlos verwinkelten Gassen der Souqs. Hier wird alles geboten, was das Herz begehrt. Bunte Kleider, Schuhe, Lederartikel, Haushaltswaren, Bilder und Souvenirs. Wieder stellt sich mir die Frage: „Wer soll das alles kaufen? Kann man von so einem Laden leben?“ Scheinbar schon. Bunte Wolle ist auf einem alten Eselskarren gestapelt. Mit quietschenden Rädern holpert er durch die enge Gasse.
Besonders imposant ist am späten Nachmittag der Einmarsch der tausend Köche. Einer nach dem anderen kommt mit seinem Wagen auf den Platz. Schnell ist ein Stand aufgebaut und schon bald steigt eine Rauchwolke empor. Ein leckerer Duft nach gegartem und gebratenem zieht über den Platz. Jetzt wird es richtig voll. Von allen Seiten her kommen sie gelaufen, wollen etwas essen oder nur noch etwas kaufen und mittendrin tummeln sich die Musikanten, Frisöre, Gaukler und Schlangenbeschwörer immer mit einem offenen Auge nach Touristen in der Hoffnung auf etwas Bakshish.
Mit vielen neuen Eindrücken nehme ich den letzten Shuttlebus zurück ins Hotel. Dort gibt es ein vornehmes marokkanisches Restaurant, wo man bequemer, aber auch teurer als auf dem Jemaa el fna isst. Das Ambiente ist sehr orientalisch und ein Oudspieler und ein Trommler sorgen für musikalische Unterhaltung. Ich esse eine köstliche Tajine d’agneau mit Gemüse und die Sauce hat einen fruchtig süßen Touch. Ein älterer Herr in Anzug und mit grauem Haarkranz geht von Tisch zu Tisch und fragt die Gäste, ob es geschmeckt hat. Er ist ziemlich klein und hat eine sehr freundliche Ausstrahlung. Ich glaube, dass es der Restaurantchef ist.

Nicht zu verachten ist das riesige Frühstücksbuffet. Ich delektiere mich an Weißbrot, Honig, Nutella und Marmeladen, Müsli und frischem Obst, aber auch für den Nichtsüßfrühstücker ist alles geboten: Fleisch, Gemüse, Nudeln oder Reis, Wurst und Käse, und auch der „Kleine Haarkranz Mann“ ist wieder da. Bunte Marmeladen in großen Gläsern warten darauf, probiert zu werden. Nur eine sieht merkwürdig grau aus, fast, als sei sie schon einmal gegessen worden. Eine Kopftuchfrau greift eben gerade zu dieser Marmelade.
„Iih, die nimmt davon!“ denke ich mir, und in diesem Moment zieht sie ihre Hand mit einem etwas angewiderten Blick zurück

Die Liegen am Pool sind bequem, und das Becken misst gute fünfzig Meter in die Länge, sodaß man richtig schwimmen kann. Den wohl besten Job vom ganzen Hotel hat der „Poolputzer“. Tag ein Tag aus ist er mit einer Art Bürstenlatschen damit beschäftigt, den Boden das Beckens zu wienern. Dabei tritt er oft minutenlang auf der Stelle und kommt nur sehr langsam vorwärts. Und wenn er am anderen Ende angekommen ist, kann er womöglich wieder von vorne beginnen. Auf Dauer kann das Chlorwasser für die Haut nicht gesund sein.
Mittags brennt die Sonne von Marrakech ungemein und man sollte unter dem Sonnenschirm bleiben. Zwei Frauen aus England, vermutlich handelt es sich um Mutter und Tochter, sind neidisch auf die dunklen Marokkanerinnen, die da eben Platz genommen haben:
„Why can’t we get blackbrown? It‘s awfull!“
Sagt die ältere zur jüngeren. Obwohl sie den ganzen Tag in der Sonne liegen ändert sich ihre Farbe kaum.

Nach dem Abendessen gehe ich noch eine Runde spazieren. Ganz in der Nähe des Hotels gibt es ein Einkaufszentrum, mit vielen Läden. Hier sind auch Cafés, Restaurants und Eisdielen untergebracht. Das Ganze ist gebaut, wie eine moderne Mall mit Rolltreppen und Glasaufzügen, nur, dass sie an den Enden der Gänge offen ist. Jetzt nach neun ist hier richtig was los. Im Untergeschoss befindet sich ein Carrefour, ein riesiger französischer Supermarkt, wo es neben Lebensmitteln wirklich alles gibt, eben ein Suq, der modernen Art.

Noch mehrere Male fahre ich in die Stadt, streife über den großen Platz und durch die Souqs, ohne jemals etwas zu kaufen und jedes Mal ist es da selbe und doch immer wieder schön an zu sehen. Zwei sehr dunkelhäutige Marokkaner, die womöglich aus der tiefsten Sahara stammen, kommen auf mich zu. Einer von ihnen setzt mir seinen Hut auf und macht für ein kleines Trinkgeld ein Foto von mir. Einmal esse ich sogar an einem der Stände der tausend Köche. Ich bestelle gegrillte Lammspieße. Es dauert nur wenige Minuten, bis das Essen kommt. Es schmeckt wirklich gut und ist supergünstig. Nicht einmal Magenprobleme habe ich bekommen. Im Reiseführer wurde nämlich davor gewarnt, dass es hier mit der
Hygiene nicht ganz so ernst genommen werde und man hier nicht unbedingt essen solle.

Schnell ist der letzte Tag gekommen. Noch einmal koste ich die schöne, warme Sonne aus, bevor ich am Abend mit dem Packen anfangen muss. Noch ein letztes Mal esse ich in dem feinen Marokkanischen Restaurant und genieße den wohl letzten Abend in diesem Jahr auf dem Balkon.

Marokko ist ein schönes Land, mit vielen Sehenswürdigkeiten. Jede Ecke des Landes hat etwas zu bieten. Die Märkte und Moscheen der großen Städte, die authentischen Dünen der Sahara, die alpine Gegend um Ifrane malerische Kasbahs, wilde Schluchten und Berglandschaften im Atlas und nicht zuletzt das Meer. Um alles zu sehen, wären mindestens sechs bis acht Wochen von Nöten gewesen, aber man kann ja jeder Zeit wieder kommen.

Die Landschaft Marokkos hat weitaus mehr als nur Wüste zu bieten.

Die Landschaft Marokkos hat weitaus mehr als nur Wüste zu bieten.

Im Atlasgebirge ist das Klima etwas feuchter ....

Im Atlasgebirge ist das Klima etwas feuchter ....

... lässt etwas mehr Grün gedeihen.

... lässt etwas mehr Grün gedeihen.

Jema el Fnaa

Jema el Fnaa

Allgegenwärtig, die Schlangenbeschwörer ....

Allgegenwärtig, die Schlangenbeschwörer ....

...und andere Fotomotive, ...

...und andere Fotomotive, ...

... die posieren, sobald auch nur jemand einen Foto blicken lässt.

... die posieren, sobald auch nur jemand einen Foto blicken lässt.

Es raucht, ...

Es raucht, ...

wenn die Köche auf dem Jema el Fnaa Einzug halten und das Braten, Bruzzeln und Garen anfangen.

wenn die Köche auf dem Jema el Fnaa Einzug halten und das Braten, Bruzzeln und Garen anfangen.

Bunt ist das Angebot im Souq, wie überall.

Bunt ist das Angebot im Souq, wie überall.

Wer genug vom Getümmel der quirligen Millionenmetropole hat, kann  am Hotelpool die Sonne und die Ruhe genießen.

Wer genug vom Getümmel der quirligen Millionenmetropole hat, kann am Hotelpool die Sonne und die Ruhe genießen.

© Thomas K., 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Casablanca - Fes - Merzuga - Ourzazate - Marrakech
Details:
Aufbruch: September 2012
Dauer: unbekannt
Heimkehr: September 2012
Reiseziele: Marokko
Der Autor
 
Thomas K. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.