Nordkorea - Oktober 2016
Tag 6 - Königsgräber, Autobahn, Folklore-Hotel
Heute steht viel Fahrerei auf dem Programm. Vom Skigebiet Masik-Ryong geht es über Pjöngjang nach Kaesong nahe der Grenze zu Südkorea. Insgesamt beträgt die Strecke zwar nur 350km, allerdings entsprechen 350 nordkoreanische Autobahnkilometer rund 700 deutschen, was die Fahrzeit angeht.
Unser erster Stopp ist die Grabstätte von König Tongmyong samt eines daneben liegenden buddhistischen Tempels. König Tongmyong lebte von 58 bis 19 v. Chr. und gilt als Gründer des Reichs Goguryeo (ca. 37 v. Chr. bis 668 n. Chr.), eines der drei damaligen Reiche Koreas. Während seiner größten Ausdehnung erstreckte es sich von der südlichen Mandschurei bis weit in die koreanische Halbinsel hinein. Seit 2004 zählt die Gedenkstätte als UNESCO-Weltkulturerbe.
Im nahe gelegenen buddhistischen Kloster Chongrŭngsa hingegen lebt und betet sage und schreibe ein Mönch. Dieser führt uns seinen gebetsartigen Gesang vor, was - in einem außer uns komplett leeren Kloster - durchaus beeindruckend klingt.
Zur Mittagsessenszeit erreichen wir wieder Pjöngjang. Im Restaurant der Wahl finden wohl regelmäßig Hochzeiten statt. Für das westliche Auge ist alles gewöhnungsbedürftig bunt und überladen.
Tante-Emma-Laden für Einheimische - Soweit ich es erkennen kann, sind die Lebensmittel echt und nicht aus Plastik. Wir dürfen allerdings nicht hinein und wahrscheinlich auch keine Fotos schießen.
Kein gern gesehenes Fotomotiv unserer Reiseleiter: Ewig lange Schlangen an einer Bushaltestelle. Wahrscheinlich dauert es sehr lange, bis die Leute hier wegkommen.
Am frühen Nachmittag haben wir nochmals für ein richtiges Autobahn-Shooting Zeit! Wir machen Pause an einer besonderen Autobahnraststätte, die über die Autobahn hinweg errichtet wurde. Wenn ich mich nicht täusche, lautet der Name "Sohung tea house (Hungsu-ri)" und ist auf Wikipedia sogar unter den internationalen "Brückenrestaurants" aufgeführt, siehe hier.
Uns wird erzählt, dass hier sonst der Bär steppt und es einen Markt für die vielen Autos, die hier Pause machen, gibt. Bei unserer Ankunft herrscht...gähnende Leere, surprise! Man könnte hier eine koreanische Version des Films "Shining" drehen. Alles wirkt wieder wie aus einer anderen Zeit und sehr faszinierend.
Was einem allgemein auf nordkoreanischen Straßen auffällt: Die Einheimischen rechnen ums Verrecken nicht mit Verkehr! Wahrscheinlich die Macht der Gewohnheit! Daraus resultiert ihre Angewohnheit, Straßen ohne den berühmten "Links-rechts-links"-Blick zu betreten. In den seltenen Fällen, in denen unser Busfahrer nicht sowieso vorher gehupt hat (vielleicht auch, um "Westler" bzw. deren "Aufpasser" anzukündigen), wurde dies 2-3 Mal für die Fußgänger etwas knapp. Unser Busfahrer ist allerdings wirklich gut und sicher gefahren, ich habe mich zu keiner Zeit unsicher gefühlt.
Hier ein paar Fotos der nordkoreanischen Autobahnen. So gerne ich Autos fotografiert hätte...es waren einfach keine da. (Frei nach dem großartigen Film 'Eurotrip': "Die Autos kamen einfach nie!")
Am Nachmittag folgen die Grabstätten von König Kongmin und König Wanggon, abermals UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Besondere am Grab von König Kongmin, welches 1372 fertiggestellt wurde, sind die zwei Grabhügel. Während er selbst in einem der beiden beerdigt wurde, liegt im anderen seine Frau, die mongolische Prinzessin (und spätere Königin) Noguk. Die beiden Hügel sind mit einem Steg verbunden, damit sich die Seelen nach dem Tod besuchen können. Na, wenn das mal nicht romantisch ist!
Fun Fact: Es gibt auch eine weniger romantische Sage zu diesem Ort: Nachdem die Frau von König Kongmin verstarb, ließ er nach dem perfekten Ort für das Grab suchen. Doch alle Leute, die er dafür anheuerte, scheiterten: Kein Ort gefiel ihm. Daher sagte er zum nächsten jungen Geomanten (siehe Geomantie), dass er alles bekommt, was er wolle, wenn er einen schönen Ort für das Grab fände. Er verschwieg ihm allerdings die Tatsache, dass er ermordet würde, wenn er - wie seine Vorgänger - versagen würde. Seinen Beratern teilte er also heimlich mit, dass er sein weißes Taschentuch schwenken würde, wenn ihm der Ort nicht gefiele. Das sei das Zeichen, den jungen Geomanten umzubringen. Er bestieg also den vom Geomanten vorgeschlagenen Berg und war begeistert! Je nach Version der Sage war der König jedoch entweder vom Aufstieg so erschöpft, dass er unbewusst sein Taschentuch zum Trocknen des Schweißes zog oder aber so ergriffen, um damit seine Tränen wegzuwischen. Für den jungen Geomanten war das Ergebnis jedenfalls gleich schlecht: Wie mit den Beratern abgemacht, wurde er auf der Stelle umgebracht. Als der König vom Berg hinab stieg und von diesem furchtbaren Irrtum erfuhr, soll er - frei übersetzt - "Meine Güte!"/"Oh my!" gerufen haben. Seine Untertanen nannten den Berg seitdem so. Ende der Geschichte.
Was solche Denkmäler in Nordkorea wirklich von vielen Denkmälern im Rest der Welt abhebt, ist die Tatsache, wie man sie erlebt. So waren wir vor Nordkorea zum Beispiel in der Verbotenen Stadt in Peking. Natürlich erschlagen einen die Dimensionen und das Areal mit allen Gebäuden ist höchst beeindruckend. Jedoch erlebt man dort diesen Moment mit Abertausenden von Menschen. Es herrscht solch ein Gedränge und Geschreie, dass man sich kaum auf den Moment und die Besonderheit dieses Ortes besinnen kann. In Nordkorea hingegen ist man in der Regel vollkommen alleine an derartigen Orten. Als ich am Doppelgrab von König Kongmin und seiner Frau stehe, der Sage über die Entstehung lausche und kilometerweit über ein wunderschönes, menschenleeres Tal blicke, ist genau das ein Moment, den ich nicht mehr vergessen werde. Keine Selfiesticks, kein Müll, einfach nur die Grabstätte...der perfekte Augenblick.
Die heutige Nacht verbringen wir in einem ganz besonderen Hotel, dem Folklore Hotel von Kaesong. Dieses wurde 1989 errichtet und besteht aus 19 traditionellen Hanok-Häusern (siehe Hanok).
Insgesamt gibt es in den Häusern 50 Räume sowie ein Restaurant, einen Souvenir- und einen Buchshop. Wir bekommen den Schlüssel für eines der Häuser und betreten damit einen kleinen Innenhof. Außer unserem Zimmer ist der Innenhof unbelegt.
Schon vorher warnten uns die Reiseleiter, dass das Hotel "sehr einfach" sei, was für keinen von uns ein Problem darstellt. Im Gegenteil, der Außenbereich des Hotels hat richtig Charme!
Zart besaitete bzw. pingelige Personen werden in diesem Hotel eventuell dennoch unglücklich. Es gibt bei uns nur eine Stunde warmes Wasser am Tag. Immerhin können wir über den Zeitpunkt dieser Stunde verhandeln (Wir allein, gibt es wieder nur uns als Gäste?), sodass wir morgens zum Duschen warmes Wasser haben. Was will man mehr? Gut, es gibt auch mal einen Stromausfall, aber auch das ist ja kein Drama.
Schaut man in den Zimmern genauer hin, sieht man die sich durch Feuchtigkeit lösenden Tapeten sowie ein etwas gruseliges Badezimmer, aber sonst...
Das Spezielle hier ist, dass die Gäste auf Matten direkt auf dem Fußboden schlafen. Dieser wiederum ist durch eine Ondol-Fußbodenheizung geheizt, siehe hier. Tatsächlich ist es in der Nacht fast zu warm auf dem Fußboden, aber dennoch schlafen wir gut.
Vorher gibt es noch das Abendessen, das wir dieses Mal traditionell auf dem Boden sitzend einnehmen. Für ungeübte Europäer ist es gar nicht so leicht, die Knie unterhalb der niedrigen Tischkante zu behalten, jedoch wäre alles andere jedoch ein Affront gegen die koreanischen Tischmanieren.
Nach dem Essen holen uns die Reiseleiter ab. Ja, selbst der Weg vom Restaurant zum Zimmer geschieht heute begleitet. Als sie eintreffen, plaudern wir noch etwas mit ihnen im Restaurant, bis wir thematisch - wie auch immer - plötzlich beim Koreakrieg und den USA landen. Der jüngere Reiseleiter redet sich so in Rage, dass er am Ende ein gerötetes Gesicht hat. Seine Abneigung ist definitiv nicht gespielt, so viel ist sicher.
Aufbruch: | Oktober 2016 |
Dauer: | unbekannt |
Heimkehr: | Oktober 2016 |