Coulee, Cataldo & Caldera
Hellroaring Creek Trail
Die Pfeilblättrige Balsamwurzel (Balsamorhiza sagittata) öffnet Mitte Mai ihre Blüten. Sie ist eine der häufigsten Frühlingsblüher im Yellowstone Nationalpark und überzieht ganze Berghänge in Gelb-Grün.
Es war ein kalter Morgen. Das Wasser in den Pfützen um unsere Hütte herum war gefroren. Das Wetter schien trocken, daher freuten wir uns auf unsere längste Wanderung im Yellowstone-Gebiet. Ich drehte mich im Bett, um schwungvoll aufzustehen. Da passierte es. Ein scharfer Schmerz schoss in meinen unteren Rücken. Meine letzte Zwischenwirbelscheibe zwischen Wirbelsäule und Kreuzbein hatte sich seit langer Zeit mal wieder auf Wanderschaft gemacht. Ausgerechnet heute!
Hellroaring Creek und Hellroaring Mountain am Nordrand des Yellowstone Nationalparks waren unsere Wanderziele an diesem kühlen Frühlingstag. Immer wieder drohten Schneeschauer, aber die meisten zogen knapp an uns vorbei und wir konnten die Weite, die Ruhe, die Natur, die Einzigartigkeit der Landschaft ungestört geniessen.
Während des Frühstücks machte ich einen Schlachtplan. Ich teilte meinem Reisegefährten mit, dass ich unbedingt diese Wanderung machen wollte, aber womöglich nur langsam laufen konnte. Zum Kaffee nahm ich eine kriminell hohe Dosis Schmerzmittel und plante das zu tun, was die meisten Orthopäden empfehlen: bewegen, bewegen und nochmals bewegen, aber ja keine Stauchungen der Wirbelsäule riskieren. Unter diesen bösen Vorzeichen fing mein letzter Tag in Yellowstone an.
Wir fuhren zum Wanderparkplatz des Hellroaring Creek Trail und mein erster Eindruck war: es geht erst mal steil bergab. Na toll, dachte ich, soviel zum Thema "keine Stauchungen der Wirbelsäule". Aber wir wanderten los, wenn auch erst mal sehr vorsichtig. Steil wand sich der Pfad eine Blumenwiese hinab. Es war, als ob sich alle Frühlingsblumen des Parks hier versammelt hätten. Arrowleaf Balsamroot mit ihren schönen gelben Blüten dominierte die Wiese, aber man sah auch Bell Flower, Shooting Stars, Penstemon und Phlox. Unten in der Schlucht führte eine Hängebrücke über den Yellowstone River. Die Schlucht wird hier "Black Canyon des Yellowstone" genannt.
Stay or go?
Was tut man, wenn ein garstiger Schneeschauer mitten in einer ausgedehnten Wanderung aufzieht. Stehenbleiben? Rennen? Einfach weiterlaufen? Wir entschieden uns mehrmals an diesem Tag für letzteres. Und jedesmal zog der Schneeschauer knapp an uns vorbei. Yellowstone verschonte uns von grösserem Unbill.
Auf der anderen Seite der Brücke ging es langsam, aber beständig bergauf. Ein kleines Wäldchen und eine kleine pittoreske Schlucht waren zu durchqueren, dann erreichten wir eine Graslandschaft, die sich geradeaus bis zum nächsten kleinen Seitenfluss, dem Hellroaring Creek, hinzog. Links dehnte sich das Grasland aus bis an die Schlucht des Yellowstone und rechts fand diese Wiese kein Ende: viele Kilometer zog sich das Gras bergauf bis an den Waldrand; diese Gegend wird auch Buffalo Plateau genannt, weil hier Bisons besonders gerne grasen.
Weideglück
Viele Tiere fressen Balsamwurzel, darunter Rehe, Hirsche, Dickhornschafe und Gabelbock. Balsamwurzel kann Viehfutter in Frühling und Sommer aufwerten und führende Wissenschaftler befürworten die Verwendung als Futter für Hausrinder. Junge Blätter enthalten bis zu 30% reines Eiweiss und die Blüte ist für natürliche Blütenbestäuber äusserst attraktiv. Samen werden von Vögeln und kleinen Nagern gefressen (und verbreitet) und man fand heraus, dass besonders das Beifusshuhn (Sage Grouse, Centrocercus urophasianus) von reichlichem Bewuchs mit Balsamwurzel profitiert.
Auf der Wiese teilt sich der Pfad. Ein Ast führt an den Hellroaring Creek (und zurück), der andere führt hinauf aufs Buffalo Plateau, scheinbar ohne Ende. Wir nahmen zunächst den kurzen Stich zum Hellroaring Creek und zurück, etwa 4km, dann wanderten wir stundenlang in Richtung Buffalo Plateau, bis wir beschlossen es sei genug. Mein Rücken hielt sich zu meiner Überraschung erstaunlich gut und so konnten wir die Landschaft geniessen, fanden unterwegs abgestossene Hirschgeweihe und sahen, wenn auch aus grosser Ferne, zwei Kojoten über das Plateau streifen. In der Ferne standen die schneebedeckten Berge und immer wieder zogen dunkel drohende Schneeschauer über das Land. Zu unserem grossen Glück verfehlten die Schauer uns, ab und zu kam sogar die Sonne heraus und wärmte uns ein wenig. Weiter oben am Berghang grasten einige Bisons, zu denen wir einen Sicherheitsabstand hielten.
Auf dem Foto kann man das gesamte Gelände sehen, durch das diese beiden fantastischen Wanderwege führen. Dort draussen auf den Bergwiesen kann man eine Menge Frühlingsblumen bewundern, aber auch Hirsche, Bisons, Gabelböcke, Kojoten und Grizzlys sehen. Bei uns waren's nur Bisons und Kojoten, aber immerhin. Ganz links am Bildrand: der Hellroaring Mountain, der grösste Granitsockel im Yellowstone Nationalpark.
Aufbruch: | 18.05.2016 |
Dauer: | 6 Tage |
Heimkehr: | 23.05.2016 |