Fachwerkromantik im Vogelsbergkreis
Lauterbach - Stadt des verlorenen Strumpfes
In Lauterbach hab’ ich mein’ Strumpf verlor’n,
und ohne Strumpf geh’ ich net heim.
So geh’ ich halt wieder nach Lauterbach hin,
und hol’ mir mein’ Strumpf an mein Bein.
Der vollständige Text und die zugehörige Geschichte des Lauterbachliedes findet sich auf der URL
Wir beginnen unseren Stadtrundgang an der ehemaligen Burg,
Erstmals urkundlich wurde die Burg 1266 bei der Erhebung Lauterbachs zur Stadt als ein „Bollwerk“ oder ein „Befestigungsturm“ zur Sicherung der westlichen Seite der Stadtbefestigungsanlage erwähnt. 1580 bis 1581 wurde das noch aus gotischer Zeit stammende Hauptgebäude zum Schloss mit Renaissanceportal ausgebaut und bekam einen Röhrenbrunnen.
Heute beherbergt die Burg die Verwaltung der Freiherren Riedesel zu Eisenbach mit dem riedeselschen Archiv.
1848 wurde das Schloss während der Märzrevolution schwer beschädigt, sein Wiederaufbau erfolgte um 1887 in der heutigen Form.
Die Gestalt des Burghofs aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist erhalten geblieben. Das Schloss verfügt über ein Pächterhaus mit geschwungenen Giebel und ein Burgtor mit Cent und der gleichen Zahl im Wappenstein.
Pächterhaus der Burganlage - zunächst Dienstwohnung der Gutspächter, im Hinterhaus erste Burgbrauerei, später Dienstwohnung der Riedesel'sehen Forsträte und Teil der Rentei (Riedesel'sche Amts- und Wirtschaftszentrale)
Nach Verlassen des Burghofes gelangen wir an den Platz der Kirche; das Fachwerkhaus, auf das wir zulaufen, ist das Geburtshaus von Adolf Spieß, dem Hauptförderer des deutschen Schulsports. (Tafel am Haus)
Nebenan befindet sich der sogenannte Schulbogen, der als abkürzende Wegstrecke von der Neustadt zur Lateinschule und Kirche diente.
alte Lateinschule - erste Schule in Lauterbach, 1340 erstmals erwähnt (Balkeninschrift) - 1581 erneuert und 1608-1709 durch Anbauten erweitert.
ev. Stadtkirche - erbaut 1763-1767 - Baumeister Georg und Georg Veith Koch aus Rodach bei Coburg - anstelle der gotischen Marienkirche - Kirchturmhaube 1821 errichtet
Die Lauterbacher Stadtkirche ist aus Sandsteinquadern errichtet, das Mansarddach ist mit Schiefer gedeckt. Die Gebäudekanten sind durch Pilaster unter Triglyphen verstärkt, über denen das verkröpfte Kranzgesims verläuft.
Der als Saalkirche angelegte Kirchenraum entspricht dem einer Predigtkirche. Er ist auf drei Seiten von zweigeschossigen Emporen umgeben, die unten auf toskanischen und oben auf ionischen Holzsäulen aufliegen und im Chor auf beiden Seiten mit verglasten Patronatslogen abschließen.
Den Altarraum prägt eine rot marmorierte Kanzelwand aus Stuckmarmor auf schwarz marmoriertem Sockel und seitlichen Säulen mit korinthisierenden Kapitellen. Ihr geschweiftes Gebälk ist mit Rocaillen und Schmuckelementen im Stil des Rokoko besetzt. In der Mitte thront ein ausladender, dunkler Kanzelkorb mit einer Kanzeluhr unter einem drapierten Baldachin, bekrönt vom hebräisch geschriebenen Gottesnamen JHWH in einem goldenen Strahlenkranz.
In der Kirche sind zahlreiche Epitaphien der Familie Riedesel erhalten, die ursprünglich im Chor der gotischen Marienkirche aufgestellt waren.
Türgriffe der Portale als Fische oder Meerjungfrauen gestaltet - sie stammen von dem Lauterbacher Schlossermeister Johann Thomas Schmidt.
Von der Kirche gelangen wir zum Marktplatz, einem hübschen Ensemble von Fachwerkhäusern. Von dem dort einmal vorhandenen Türmertor ist nur noch eine Tafel mit einer Abbildung zu sehen, wo es einmal gestanden haben kann. Auch die beschriebene Türmerstube können wir coronabedingt nicht besuchen.
Westtor der ersten Befestigung Lauterbachs zur Stadterhebung 1266 durch Abt Bertho von Leibholz, Fulda. Das Tor wurde vermutlich im Zuge der Stadterweiterung von 1380 als Mlttelpunkttor erhöht und mit einer Turmstube versehen. Von hier hielt tagsüber Stadtturmmann (der spätere Stadttrompeter und Stadtmusikus) Feuerwache. 1818 wurde das Tor abgerissen und auf Abbruch verkauft. Noch heute ist die Türmerstube im Gothischen Garten „Arn Wörth" zu sehen. - Seit 1622 hielt der Stadtturmmann vom Kirchturm her Feuerwache. Hier entwickelte sich das Turmblasen zu verschiedenen Anlassen und ist heute noch, sonntags um 11.00 Uhr und am Heiligabend um 19.00 Uhr zum „Christkindwiegen" zu hören.
Tafel vor Ort
Haus H. Tigges - erbaut im 17. Jh. - später Wohnhaus der Färbereifamilie Diehm- im 19.Jh Geschäftshaus vor den Marktständen
Bevor wir durch das 'imaginäre' Türmertor die Stadt verlassen , stärken wir uns mit einem Camembert-Flammkuchen und einem Glas Wein in einer (ausnahmsweise geöffneten) Lokalität.
Am Ende der Gasse erhalten wir durch eine weitere Tafel einen Eindruck vom früheren Türmertor von der Stadtaußenseite.
Am dem sich öffnenden Platz erfolgt dann die Aufklärung der 'Krawattren'
WARUM KRAWATTEN?
Krawatten gehören auch im Jahr 2021 nicht nur zum Kleidungsalltag ihrer Träger, sondern zum alltäglichen Bild unserer Gesellschaft. Der Krawatte ist ihre Geschichte nicht sofort anzusehen, und viele wird es überraschen, dass sie soldatischen Ursprungs ist.
Der erste Nachweis der Halsbinde als direkten Vorläufer der Krawatte ist im 17. Jahrhundert zu finden. Kroatische Söldner in der Armee Frankreichs nutzten sie, um ihre Hemden am Hals zu verschließen. Ludwig XIV. entdeckte diese Halsbinde für sich und trug sie fortan selbst in »königlicher« Ausfertigung.
»Croate« (Kroate) als Bezeichnung der Halsbinde wurde allgemeinsprachlich schnell zu »Cravate« verschliffen - letzteres ein Hinweis auf häufige Wortnutzung - und bildet auch das Lehnwort für das deutsche Wort »Krawatte«.
1692 führt Frankreich in Steenkerke eine Schlacht gegen Alliierte aus England, den Niederlanden, Dänemark, Schottland und dem Heiligen Römischen Reich. Die Halsbinde der Franzosen wird als »steenkerke« tatsächlich eine modische Folge der Schlacht. Das kroatische Reiterregiment erhält hiernach den Namen »Royal Cravate«, und die »Steenkerke« -Variante der Halsbinde verbreitet sich über 20 Jahre in Europa. Ihr folgen weitere Varianten der männlichen Halsmode, die Mitte des 18. Jhdts. auch im Bürgertum ankommen.
Der Langbinder, die heutige Krawattenform, entsteht Ende des 19. Jhdts. mit dem Aufkommen von Sakko und Umlegekragen und wird schnell, samt diverser Knotenformen, alltägliche Männer-Mode.
In einem steten Prozess wird die Halsbinde von Beginn an für den männlichen Teil der Gesellschaft ein modisches Kommunikationsmittel und auch ein Ausdruck der gesellschaftlich-politischen Haltung ihres Trägers:
Als Teil der soldatischen Uniform unterscheidet sie Nationen, aber auch Offiziere von Soldaten; Unternehmer und Bürgertum grenzen sich in der Industrialisierung damit von der Arbeiterschicht ab.
Intellektuelle wie Schiller verweigern die »aristokratische Krawatte«; 1848 werden rote Halsbinde beiden Revolutionären beliebt; im 20. Jhdt. wird das Nicht-Tragen einer Krawatte zum Statement einer aufgeklärten Subkultur. Parallel bleibt die Krawatte aber vor allem bei Entscheidungsträgern ein Kleidungsstück, das Einfluss und Seriosität vermitteln soll.
Die Krawatte ist also ein Alltagsgegenstand militärischen Ursprungs mit einer kulturhistorisch gewachsenen Semantisierung. Sie eignet sich daher in besonderer Weise, um das Löwendenkmal in ein »sprechendes Friedens-Kleid« zu hüllen.
Sie eignet sich daher in besonderer Weise, um das Löwendenkmal in ein »sprechendes Friedens-Kleid« zu hüllen.
Das Stadtschloß 'Hohhaus' des Generals Riedesel Freiherr zu Eisenbach wurde vom fränkischen Baumeister Georg Veith Koch anstelle eines Herrenhofes mit Gut der Riedesel Freiherren zu Eisenbach 1770-1778 erbaut.
Im kleinen Park des Schlosses findet sich in einer Ecke eine kleine Aussetllung zu den im Vogelbergkreis vorkommenden Gesteinen vulkanishen Ursprungs. Hier finden wir auch den Hinweis zu dem Besuch des Vulcaneums in Schotten und zum Steinbruch Michelnau.
Basalt
Ich bin durchs Feuer gegangen. Man nennt mich Basalt. Von den Gesteinen hier bin ich zusammen mit dem Tuff das jüngste - nur ungefähr 15 Millionen Jahre alt.
Ich bin nur ein winzig kleiner Teil der großen Lavaströme, die sich über die ehemalige Landschaft geschoben haben. Zwischen Lauterbach, Gießen, Friedberg und Schlüchtern erstreckt sich heute das größte zusammenhängende Basaltgebiet Mitteleuropas, der Vogelsberg. Mit einer Basaltfläche von nahezu 2500 Quadratkilometern ist es beinahe so groß wie das Saarland.
Den Vogelsberg darf man sich allerdings nicht als einen einzelnen, ehemals vielleicht 4000 m hohen Vulkan vorstellen, von dem die Lavamassen nach allen Seiten gleichmäßig herabgeflossen sind.
Das Gebiet des Vogelsberges war während seiner vulkanischen Aktivität (Tertiär) ein Einbruchsgebiet. Durch Erdkrustenbewegungen war der Untergrund in zahlreiche Schollen aufgelöst. Den gewaltigen Lavamassen wurde also nicht nur eine einzige Aufstiegsbahn geboten. Vielmehr gab es unzählige Erdspalten und Klüfte durch die die Lava an die Erdoberfläche dringen konnte.
Diese "Lava-Bombe" wurde bei einer großen Explosion in die Luft geschleudert, daher die kugelschalige Form. Fundort: Lauterbach-Blitzenrod
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Die vulkanische Aktivität des Vogelsberggebietes begann vor ca. 30 Mill. Jahren und dauerte ungefähr 15 Millionen Jahre an. Während dieses langen Zeitraums wechselten mehrmals Phasen vulkanischer Aktivität und vulkanischer Ruhe. Gewaltige Mengen glutflüssigen Gesteinsbreis ergossen sich über die Landschaft. Bohrungen haben ergeben, dass die basaltische Mächtigkeit des Vogelsberges bis zu 800 Metern betragen kann.
Basalt wurde früher vor allem wegen seiner Härte und Widerstandsfähigkeit gerne als Pflaster-, Rand-und Baustein verarbeitet. Basaltsäulen, wie hier diese kleinen Exemplare waren vor noch nicht einmal ganz 100 Jahren ein wahrer Exportschlager dieser Region. So wurden z. B. bei der Eindeichung des "Ijsselmeeres" (Niederlande) große Mengen an Basaltsäulen aus einem Lauterbacher Steinbruch verbaut. Diese waren sehr begehrt, da sie mit einer Länge von über 10 Metern unbeschädigt gebrochen werden konnten.
Basaltsäulen entstehen durch die Schrumpfung dés zunächst flüssigen Gesteinsbreis bei langsamer Abkühlung. Dabei entstehen Säulen, die 5, 6 oder 7 Seiten aufweisen seltener auch 4 oder 8. Man nimmt an, dass die Säulen immer senkrecht zur früheren Oberfläche stehen, weil dort die Abkühlung beginnt.
Buntsandstein
Ich heiße Buntsandstein und gehöre zu den ältesten Gesteinsbrocken, die es hier in der näheren und weiteren Umgebung an der Erdoberfläche gibt. Man schätzt mein Alter auf ungefähr 220 Millionen Jahre. Wenn Du mich einmal ganz genau ansiehst und befühlst, kannst Du erkennen, dass ich aus zigtausend kleinen Sandkörnchen bestehe.
Flüsse und Bäche haben damals Körnchen für Körnchen an die-Stelle geschwemmt, wo man mich als Felsbrocken später gebrochen hat. Fast das gesamte Gebiet Deutschlands war damals ein Becken, das von mächtigen Gebirgszügen begrenzt wurde. Wind und Wetter zerstörten ganz langsam das anstehende Gestein. Flüsse und Bäche schwemmten über Jahrmillionen den Verwitterungsschutt in dieses tieferliegende Gebiet hinein.
Innerhalb von 15 Millionen Jahren lagerten sich auf diese Weise verschiedenartige Sande (mit unterschiedlicher Färbung) Schicht für Schicht ab bis zu einer Stärke von über 600 Metern. Da das Becken relativ flach war, führten bereits geringe Erdkrustenbewegungen dazu, dass riesige Gebiete zeitweise vom Meer überschwemmt wurden und zeitweise auch wieder trocken fielen.
Lebewesen gab es damals nicht viele, und diese haben auch nur wenig Spuren hinterlassen. Am bemerkenswertesten sind vielleicht die Fußabdrücke des Handtieres (Chirotherium). Sie stammen von einem Reptil, das möglicherweise ein Vorfahre der Dinosaurier gewesen ist. Im Gärtnerhaus des Hohhaus-Museums (Eingang am Berliner Platz) befindet sich eine Sandsteinplatte, auf der ungefähr 120 Abdrücke dieses Tieres zu erkennen sind. Fundorte der Sandsteinbrocken: Sandgrube Eurich bei Wartenberg-Angersbach
Quarzit
Ich bin in der Nähe aus kleinen Quarzsandteilchen vor 32-37 Mill. Jahren entstanden. Ursprünglich waren diese in anderen Steinen enthalten. Millionen von Jahre lösten große Temperaturunterschiede, Wasser und Frost sie heraus (Verwitterung). Wind und Wasser haben mich dann auf eine weite Reise auf dem Festland und auch ins Meer mitgenommen. An den neuen Lagerstätten wurde ich mit einer großen Menge anderer Materialien wieder zugedeckt. Durch den wachsenden Druck habe ich mich mit vielen anderen Quarzsandteilchen verfestigt (Sedimentation).
Dann bin ich weiter in die Tiefe der Erdkruste geraten. Noch größere Drücke bzw. auch die hohen Temperaturen haben mich umgewandelt (Metamorphose).
Die Quarzkörner, aus denen ich zu ca. 90 % bestehe, sind sogar hierdurch deformiert worden und haben ihr Aussehen verändert.
Muschelkalk
Vor über 230 Millionen Jahren versanken ganz Hessen und die umliegenden Gebiete für lange Zeit, knapp 10 Millionen Jahre, im Meer. Flüsse und Bäche entwässerten die angrenzenden Festländer und schwemmten mit dem Wasser auch Tone und Kalkschlamm in dieses Meer.
Das Meer dieser Zeit kann man mit der heutigen Ostsee vergleichen. Das Muschelkalkmeer hatte, wie die Ostsee, nur eine schmale Verbindung zum Weltmeer. Dadurch fand nur ein geringer und auch unterschiedlich starker Austausch mit dem Meerwasser statt. Der Salzgehalt dieses Meeres veränderte sich auch durch den Zulauf des Süßwassers der Flüsse. Das damalige trockene Klima begünstigte diese Entwicklung durch eine starke Verdunstung des Wassers. Das Meerwasser wurde so immer salziger und die Lebensbedingungen immer schlechter.
Nicht alle Lebewesen konnten sich dem ständigen Wechsel der Lebensbedingungen anpassen und starben aus. Relativ wenige Arten bevölkerten aber lange Zeit das Meer in ungeheurer Zahl. Die Schalen der abgestorbenen Tiere setzten sich auf dem Meeresboden ab und blieben als Fossilien erhalten. Daneben bauten Muschelkolonien große Riffe. Aus diesem Grund nennt man mich auch Muschelkalk, obwohl der größte Teil des Kalkes eigentlich als Schlamm aus feinsten Bruchstücken eingeschwemmt worden war.
Auch wenn ich selbst keine Überreste von Lebewesen aufweisen kann, so bin ich doch etwas Besonderes. In mir kann man nämlich Wellenrippen entdecken. Sie sind durch Hin- und Herbewegungen des Schlammes auf dem Meeresgrund entstanden, bevor ich mich zu Gestein verfestigte.
Fundort: Kalksteinbruch im Stadtteil Maar
Auf em Rückweg fallen uns noch zwei winzige Häuser am Flussufer der Lauter auf: Es handelt sich um alte Ställe aus dem 18. Jh, in denen damals vor allem Schweine und Ziegen gehalten wurden - im oberen Teil wurde das Brennholz gelagert.
Am Ankerturm steigen wir wieder in die Altstadt hinauf - er wurde nach 1266 erbaut und diente als Port-, Wach- und zeitweise Schuldturm.
Durch den Leinenfabrikanten Diehm wurde er 1845 mit dem typischen Fachwerkaufbau versehen und später von der Gastwirtschaft "Zum Anker" genutzt.
Aufbruch: | 25.09.2021 |
Dauer: | 6 Tage |
Heimkehr: | 30.09.2021 |